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Meinung

«Miniatur des Alltags»
Kann hier mal jemand Bitte sagen?

Das Bestellen einer Kugel Glace hat seine Tücken – und endet nicht nur friedlich.
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Es ist ein kurzer Satz, den der Mann vor mir in der Warteschlange in perfektem Hochdeutsch sagt: «Ich krieg eine Kugel Vanilleeis.» Ein kurzer Satz mit grosser Wirkung. Denn am liebsten hätte ich dem Herrn erklärt, dass hier immer noch die Verkäuferin entscheidet, was er kriegt und was nicht.

«Könnte ich bitte eine Kugel Vanilleglace haben», heisst es in der Sprache der Schweizer Höflichkeit. Oder meinetwegen: «Ich hätte gerne...» Einkassiert wird ebenfalls anders. «Das macht drei Euro», heisst hierzulande, «das wären dann drei Franken bitte.»

Während man also an deutschen Eisdielen neben dem Kleingeld auch den Imperativ hervorkramt, wandert am Schweizer Glacestand der Konjunktiv mit über den Tresen. Ist die deutsche Korrektheit zu schroff und unfreundlich oder die Schweizer Höflichkeit zu umständlich und verklausuliert?

Eigentlich müssten wir zugeben: Die Deutschen haben recht. Sie kriegen die Kugel, denn die Verkäuferin will ja nichts anderes, als eine solche zu verkaufen. Auch «wären» es nicht 3 Franken, sondern es «sind» genau so viele – ums Bezahlen kommt man nicht.

Verstecken wir uns also zu sehr hinter Floskeln der Höflichkeit und versuchen unsere eigentliche Reserviertheit hinter Gardinen aus Diminutiven und Konjunktiven zu verstecken? Oder sind es nicht genau diese Eigenschaften, die das Zusammenleben in der Schweiz prägen und uns zu jenem friedlichen Völklein von Grüezisagern und Umverzeihungbitterinnen macht? Das könnte nun der Anfang einer 1.-August-Rede sein, ich verschone Sie.

Vielleicht können wir letztlich sogar voneinander lernen. Einmal mehr «bitte» zu sagen als nötig, tut nicht weh. Und eine aufgesetzte Höflichkeit macht uns noch lange nicht freundlich. So sehr uns die Art und Weise, wie wir eine Kugel Glace bestellen, von unseren Nachbarn unterscheidet, so einig sind wir uns letztlich im Kern der Sache: Sommerzeit ist Glacezeit.