US-WahlkampfTrumps «Cheflügnerin» mit üblem Spruch gegen «kinderlose» Kamala Harris
Ex-Sprecherin Sarah Huckabee Sanders heizt die Debatte über Harris’ Privatleben an. Zudem verzichtet eine Gewerkschaft erstmals seit 30 Jahren auf die Wahlempfehlung für die Demokraten.
Sarah Huckabee Sanders musste sich einiges anhören in ihrer Zeit als Sprecherin von Donald Trump. «Liar-in-chief» war einer ihrer Übernamen in den Medien, nachdem Sanders nicht einmal mehr «alternative Fakten» präsentierte wie andere Beraterinnen des US-Präsidenten, sondern ganz einfach unverfroren log.
Donald Trump hält seither grosse Stücke auf seine loyale Dienerin, die seit bald zwei Jahren ihren Heimatstaat Arkansas regiert, wo schon ihr Vater Gouverneur war. Mit feuchten Augen erzählte sie unlängst am Parteitag der Republikaner, wie ihr Mentor ihr damals den Rücken stärkte, als der böse Journalistenmob sie zu kritisieren wagte.
Die Erfahrungen hindern die 42-Jährige keineswegs daran, selbst mit Argumenten aus der untersten Schublade in den Wahlkampf zu ziehen. Bei einem Auftritt mit Donald Trump in der Industriestadt Flint in Michigan erzählte sie am Dienstag eine rührende Anekdote über ihre Tochter, die sich hübsch machte und bemerkte, ihre Mutter werde bestimmt auch eines Tages so gut aussehen wie sie. Solche Erzählungen aus dem Privatleben, aus denen sich Weisheiten über das Leben ableiten lassen, sind Pflichtbestandteil jeder politischen Rede in den Vereinigten Staaten.
«Meine Kinder lassen mich bescheiden bleiben», war die Lehre, die Sanders daraus zog. «Leider hat Kamala Harris nichts, was sie bescheiden bleiben lässt.» Da war sie wieder, die Debatte über die kinderlosen Katzenfrauen, die Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance mit seiner respektlosen Bemerkung über Demokratinnen losgetreten hatte. Längst haben sich die Unterstützerinnen von Kamala Harris die Beschreibung zu eigen gemacht, Popstar Taylor Swift unterzeichnete damit ihre Wahlempfehlung für die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten.
Selbst Trumps Berater reagiert mit Kritik an Sanders
Die Reaktionen liessen auch diesmal nicht auf sich warten. Die erste Frau des Gatten von Kamala Harris verteidigte die Demokratin, deren Stiefkinder Cole und Ella ihr den Kosenamen «Momala» verpasst haben. Selbst ein Berater von Donald Trump, der von seiner Stiefmutter erzogen wurde, beschrieb den Kommentar bei CNN als beleidigend und sagte, er sei enttäuscht über Huckabee Sanders.
Die anhaltende Debatte sagt viel aus über den amerikanischen Zeitgeist. Einst galt es in den USA als Vorteil, wenn Präsidentschaftsanwärter keine Kinder hatten – zum Beispiel beim allerersten Amtsinhaber, George Washington. Bei der ersten Antrittsrede erwog er, darauf hinzuweisen, um der jungen Republik klarzumachen, dass er keine Erbfolge begründen werde.
Insgesamt fünf Präsidenten bisher waren kinderlos. Im 20. Jahrhundert aber hat es sich eingebürgert, den Mann im Oval Office als Landesvater zu verstehen. Das Bild hat sich in den Köpfen so sehr verfestigt, dass die frühere Schauspielerin Drew Barrymore im Frühling in ihrer TV-Talkshow Harris aufforderte, eine Mutterrolle für die Nation einzunehmen. «Wir brauchen Sie als Momala unseres Landes», sagte Barrymore.
Es war einer der seltenen Momente, in denen Harris das frohe Lachen im Hals stecken blieb. Am Parteitag der Demokraten liess sie aber ihre Stiefkinder und ihre Grossnichten darüber schwärmen, wie kinderlieb die Tante doch sei.
Als wäre ihr politischer Leistungsausweis nicht Qualifikation genug, ihre politische Karriere von 20 Jahren in San Francisco, Kalifornien und zuletzt auf Bundesebene, als Staatsanwältin, Justizministerin, Senatorin und zuletzt als Vizepräsidentin. Statt solche Grundsatzdiskussionen zu führen, passt Harris lieber ihre Botschaft an. Das macht sie auch, wenn sie auf ihre Identität als Schwarze angesprochen wird, indem sie auf Fragen stets antwortet, eine Präsidentin für alle Amerikaner sein zu wollen.
Harris führt nur sehr knapp vor Trump
Die Strategie ist bestimmt geschickt in einem gespaltenen Land, in dem Kamala Harris in Umfragen nur sehr knapp vor Donald Trump führt und kleinste Abweichungen in den sieben Swing-States den Ausschlag geben dürften. Vor diesem Hintergrund war es eine herbe Niederlage, die Harris am Mittwoch einstecken musste. Die Gewerkschaft der Teamsters verzichtet in diesem Wahlkampf auf eine Empfehlung, erstmals seit bald 30 Jahren, im Unterschied zu den meisten anderen Gewerkschaften.
Die Teamsters sind wohl nicht die grösste Arbeiterbewegung, symbolisch aber ist die Entscheidung der 1,3 Millionen Angestellten der Transportbranche durchaus bedeutend. Ihr Präsident Sean O’Brien war als erster Gewerkschafter seit Menschengedenken am Parteitag der Republikaner aufgetreten. Und Donald Trump versucht, mit seinem Wirtschaftspopulismus gerade die von der Globalisierung enttäuschten Arbeiter in den ländlichen USA als Wähler zu gewinnen.
Umso wichtiger ist es für Harris, andere Teile der Koalition hinter sich zu scharen, die 2020 schon Joe Biden ins Amt getragen hatte. Dabei halfen ihr am Mittwoch mehr als 100 frühere Mitarbeiter des Sicherheitsapparats, allesamt Republikaner, die Trump in einem Brief als «untauglich» für das Präsidentenamt bezeichneten.
Harris warnt Latinos vor Trump
Offene Ohren fand Harris auch an einer Versammlung von lateinamerikanischen Interessenvertretern in Washington. Sie werde sowohl den Grenzschutz verbessern als auch einfachere Wege zu Aufenthaltspapieren schaffen für junge Migranten, die ihre Ausbildung in den USA absolviert hätten, versprach Harris.
Sie warnte eindringlich vor einer neuerlichen Präsidentschaft von Trump, der die Latinos ebenfalls umwirbt. Der Republikaner habe in seiner ersten Amtszeit Familien an der Grenze auseinandergerissen und Kinder von ihren Eltern getrennt. Nun kündige er im Wahlkampf die grösste Ausschaffungsaktion in der Geschichte der Vereinigten Staaten an. «Wie soll das gehen?», fragte Harris. «Massive Razzien, massive Ausschaffungslager.»
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