Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen
Meinung

Kolumne Kaltërina Latifi
Als ich zum ersten Mal von Weihnachten hörte

Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Wenn das Jahr sich dem Ende zuneigt, es früh zu dämmern beginnt und die Strassenbeleuchtungen glitzern, wenn es so schön funkelt im Dunkeln, Tannenbäume farbenfroh flimmern, sich der Schimmer nachts im Schnee spiegelt und Kerzenschein die Innenräume erhellt, dann ist Adventszeit, und es wird einem warm ums Herz. Als stünde die Welt still, als würde sich bald etwas Besonderes ereignen.

Als Familie haben wir nie «klassisch» Weihnachten – auf Albanisch Krishtlindja («Geburt Christi») – gefeiert. Nicht daheim bei den Grosseltern im Kosovo, nicht später nach unserer Einwanderung in die Schweiz. Aus einem einfachen Grund: Uns war «Jesus» kein Begriff. Als ich 1989 als ahnungsloses Ausländerkind in Adelboden den Kindergarten besuchte, glaubte ich sogar, dass das, was die anderen «Weihnachten» nannten, identisch sein müsse mit unserem Jahresausklang zum 31. Dezember! Was anderes konnte es sein?

Doch ging mir dieser in Windeln gewickelte Säugling in der Krippe nicht mehr aus dem Sinn, und ich musste herausfinden, was es damit auf sich hatte. Mir öffneten sich neue Welten: Ich erfuhr beispielsweise von Kindern, die sogar sonntags in die Schule gingen. Das hänge irgendwie mit «Weihnachten» zusammen, kam mir zu Ohren. Meine Wissbegierde war entfacht. Was für besondere Kinder waren das, die ausgerechnet am Sonntag Privatunterricht erhielten? Das durfte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.

Also auf in die Sonntagsschule! Da ich nicht wusste, was mich dort erwarten würde, nahm ich meinen ebenfalls albanischstämmigen Spielkameraden Bejtullah als Beistand mit. Nie werde ich vergessen, wie wir an diesem runden Tisch sassen und die Erwachsene im Raum Worte sprach, die wir nicht verstanden. Und das nicht nur, weil unsere Deutschkenntnisse zu diesem Zeitpunkt noch zu wünschen übrig liessen, sondern noch viel mehr des Inhalts wegen.

Als die Erwachsene ihre Rede beendet hatte, wurde es plötzlich mucksmäuschenstill; alle falteten ihre Hände vor der Brust, schlossen die Augen und begannen leise vor sich hin zu summen. Ich ahmte nach, was ich sah und zu hören vermeinte, während ich zugleich etwas verwegen hinüberschielte zu Bejtullah, um zu sehen, wie er zu Streich kam.

Er sah mich voller Entsetzen an, seine Hände mit Absicht flach auf den Tisch gelegt. Was machst du?, schien er mich zu fragen. Ich begriff die Welt nicht mehr. Was war am Händefalten auszusetzen? War das womöglich ein Privileg, das nur Schweizern zustand, nicht aber uns Ausländern, und Bejtullah wollte mich warnen?

Später eröffnete er mir, wir seien Muslime, und was ich da getan hatte, sei Verrat an Allah. Mir blieb nur übrig zu fragen: Was ist ein Muslim? Und allah, war das nicht einfach ein anderes, ein arabisches Wort für zot (das albanische Wort für «Gott»)? Gabs nicht mehrere Bezeichnungen für den immer gleichen Gott? Wars nicht gleichgültig, wie man sich an ihn wandte? So hatte ich also über christliche Umwege zum ersten Mal von muslimischen Dingen gehört.

Obschon ich nun weder eine Muslimin bin noch jemals zu einer gläubigen Christin wurde:

Frohe Weihnachten allerseits!