Kolumne «Miniaturen des Alltags»Kaffeemaschinen und andere Prioritäten
Pendeln mit dem Zug bedeutet auch, dass man unfreiwillig Gespräche mithört – das kann auch Vorteile haben.
Mit dem Ende des Homeoffice geht auch die Rückkehr des morgendlichen Pendelns einher. Ganz ehrlich, ich bin kein Fan, ich trinke morgens lieber in Ruhe meinen Kaffee, als dass ich übermotivierten Wandergruppen beim Planen des gemeinsamen Tages oder Studenten beim Lernkärtchen-Vergleichen zuhöre. Ja, ich bin ein Morgenmuffel. Wie ich aber kürzlich wieder einmal festgestellt habe, schnappt man zwischendurch Gesprächsfetzen auf, die einem zeigen: da sitzt ein Seelenverwandter im gleichen Wagen.
Es war eine Gruppe Frauen, die im Abteil hinter mir sass und offenbar auf dem Weg in eine Schulung war. Ich hätte das Trüppchen wohl komplett ignoriert. Doch dann schnappte ich einen Satz auf, der nicht nur bei mir, sondern auch beim Rest der Gruppe kurzzeitig Schnappatmung auslöste: «Übrigens, es hat dort keine Kaffeemaschine. Man muss den Kaffee selber mitbringen», sagte eine der Frauen.
Aus dem ungläubigen «Waaas?!», das die übrigen Mitglieder der Gruppe fast im Chor entgegneten, schloss ich, dass sich deren Begeisterung in sehr engen Grenzen hielt. «Warum hast du nichts gesagt?», ging die Fragerunde mit zunehmendem Entsetzen weiter. «Habs vergessen. Ist ja nicht so schlimm», meinte die Erste.
Ich weiss nicht, wann ich mich zuletzt so an meinen Kaffeethermos geklammert habe, als würde nächstens jemand aus dem offensichtlich koffeinfreien Abteil über die Sitzlehne klettern, um ihn mir zu entreissen. In der Redaktion angekommen, hielt ich kurz in unserer «Küche», die zwar keinen Herd hat, dafür aber drei Kaffeemaschinen – das nenn ich mal Prioritäten setzen. Sie sind zwar nicht so grossartig wie meine Drehkanne zu Hause, aber im Gegensatz zur Frauengruppe im Zug muss ich mir um Nachschub keine Sorgen machen, wenn mein Thermos leer ist.
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