Kolumne «Fast verliebt»Der Wahnsinn der jungen Männer
Die Generation Z ist politisch gespalten wie keine Generation zuvor: in zukunftsgewandte Frauen und junge Männer, die offenbar zu weiten Teilen den Bezug zur Realität verlieren.
Ein Kollege hielt mir sein Handy hin, und ich sah zum ersten Mal bewusst das komplett verblödete Gesicht von Andrew Tate. «Das ist die antifeministische Gegenreaktion der Buben», sagte mein Kollege verständnisvoll: «Die finden den alle fantastisch.» Mein Kollege ist Vater zweier junger Frauen, die gerade dem Schulalter entwachsen. Er hat aber auch viel Nachsicht mit den Kameraden seiner Töchter, die es für eine gute Idee halten, einem hemmungslosen Wahnsinnigen zu huldigen.
Ich liebe Männer. Ich habe sogar einen geheiratet. Für Andrew-Tate-Fans habe ich trotzdem zero Toleranz, egal, wie jung sie sein mögen. Tate, der vierfache britisch-amerikanische Kickbox-Weltmeister und Influencer, ist für seine inspirierenden Aphorismen bekannt, Kostprobe: «Ich finde, die Frauen gehören dem Mann.» Gerade sitzt der aufgepumpte Neandertaler zusammen mit seinem Bruder in Rumänien fest, weil er Frauen vergewaltigt und zur Prostitution gezwungen haben soll. (Lesen Sie hier mehr zu den Andrew-Tate-Akten).
Aber offenbar finden viele junge Männer Frauenhass «witzig».
Soeben ist eine aufsehenerregende Studie zur Generation Z erschienen, geboren zwischen 1997 und 2012. Sie zerfällt politisch offenbar weltweit – wie keine Generation zuvor – in zwei Hälften. Die Trennlinie verläuft entlang des Geschlechtergrabens: Die jungen Frauen sind hyperprogressiv. Sie interessieren sich für Feminismus, humane Migration, Antirassismus, das Klima, soziale Gerechtigkeit, heisst: für die brennenden Themen unserer Zeit. Viele Jungs hingegen wollen einfach nur, dass alles bleibt, wie es ist. Beziehungsweise, dass alles so wird, wie es früher mal war, vor Feminismus und #MeToo. Nicht nur zwischen Mann und Frau. Viele von ihnen finden auch Typen wie Trump, Björn Höcke oder Andrew Tate echt klasse.
Wo das hinführen kann, zeigt Südkorea, dessen Männer und Frauen schon länger politisch auseinanderdriften: Die Heiratsrate ist im Keller, die Geburtenrate auf dem weltweiten Tief von 0,78 Geburten pro Frau. In dem bis vor kurzem extrem patriarchalischen Land zeigen junge südkoreanische Männer in Umfragen extreme Haltungen gegen feministische junge Frauen, die beruflich an ihnen vorbeibrausen.
Natürlich habe auch ich ein kleines bisschen Verständnis für junge Männer. Sie wollen nicht der Sidekick der Heldin sein, der Kristoff der Frozen-Schwestern oder Barbies Ken (auch wenn Ken immer noch leichter einen Oscar gewinnt als Barbie, lesen Sie hier den Kommentar zur «Barbie»-Abfuhr). Junge Männer sind auf der Suche nach einer neuen starken Rolle. Doch ist alles, was ihnen einfällt, das Höhlenmenschen-Prinzip?
Vor ein paar Jahren postete eine junge Politinfluencerin auf Instagram, sie wolle in Zukunft nur noch Männer daten, die ein paar Jahre Psychotherapie gemacht hätten. Ich fand das damals absurd.
Heute nicht mehr.
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