Bericht zum Corona-ChaosJungmillionäre bekamen fast zehn Franken pro Schutzmaske
Kaum Masken, zu wenig Beatmungsgeräte – die erste Covid-Welle erwischte die Schweiz unvorbereitet. Eine Taskforce nennt in einem Bericht nun Preise und Lieferanten.
Sie waren nicht die Einzigen, die Millionen kassierten. Aber sie kamen als Einzige in die Schlagzeilen, weil sie Luxusautos der Marke Ferrari und Bentley kauften. Zwei Jungunternehmern, nicht namentlich bekannt, gelang es mit ihrer Handelsfirma Emix Trading AG am Anfang der Corona-Krise im grossen Stil Schutzmasken aus China in die Schweiz zu holen. Das konnte nicht jeder, und klar ist auch, dass sie sehr früh – bereits Anfang März – ihre Angebote beim Bund regelkonform platzierten.
In einem Bericht listet der Bund jetzt fein säuberlich auf, wer was dazu beitrug, um den akuten Mangel an Schutzmasken vom Frühjahr in der Schweiz zu beheben.
Masken für 23 Millionen Franken eingekauft
Dabei stehen die Händler der im Kanton Zug domizilierten Emix ganz weit oben. Ihnen allein nahm der Bund in den Monaten März und April dieses Jahres Masken zum Gesamtpreis von rund 23 Millionen Franken ab.
Den ersten Zuschlag erhielt Emix in der ersten Märzwoche, als sie 50’000 sogenannte FFP2-Masken zum Preis von 445’000 Franken in der Schweiz ablieferte. Der Stückpreis betrug damals 8.90 Franken. Zu noch höheren Stückpreisen von 9.50 Franken respektive 9.90 Franken lieferten dieselben Händler in der zweiten Märzwoche 400’000 weitere Atemschutzmasken (Bezeichnung TE YIN FFP2 NR, ohne Ventil). Das sind bis zu 2 Franken mehr, als andere vergleichbare Masken zu diesem Zeitpunkt kosteten. Der Gesamtpreis den Emix einstreichen konnte hier: 3,96 Millionen Franken.
Für eine weitere Charge von gut 460’000 Masken konnten die geschäftstüchtigen Händler noch in derselben Woche weitere Einnahmen von 4,37 Millionen Franken verbuchen. Hinzu kamen nochmals 9 Millionen Franken eine Woche später für Hygienemasken (Typ II/IIIR), plus weitere 5 Millionen für 582’500 Stück FFP2-Masken.
Vor der Krise lagen die Stückpreise für diesen Maskentyp zwischen 1.20 Franken und 2.35 Franken. Damit stellt sich heraus, dass die Handelsfirma rund dreimal mehr Masken liefern konnte, als eine Sprecherin im Verteidigungsdepartement im Sommer sagte. Diese sprach damals von einer halben Million Masken, die Emix abgeliefert habe.
Beschaffungskoordinator und Brigadier Markus Näf erklärte am Donnerstagmorgen an einer Medienkonferenz, Emix habe früher und schneller liefern können als andere Anbieter, und dies in der gewünschten Qualität. Die Firma habe auch andere Abnehmer im In- und Ausland beliefert.
Verkäufer konnten Bedingungen bestimmen
Wie ausserordentlich die Lage im Frühjahr war, zeigen auch andere Aussagen im Bericht. Die geltenden Weisungen für Beschaffungen hätten nur beschränkt eingehalten werden können, schreiben Beschaffungskoordinator Markus Näf und der Stabschef der Taskforce Beschaffungskoordination Corona im Verteidigungsdepartement (VBS) Eric Signer in ihrem Bericht. Nötig wurden in jener angespannten Lage auch sonst beim Bund undenkbare bedingungslose An- und Vorauszahlungen. «Wenn möglich wurden Vorauszahlungen vermieden», schreibt Näf. Der Grund: Gemäss Finanzhaushaltsgesetz dürfen keine Anzahlungen ohne Absicherung gemacht werden.
Der Bundesrat segnete dieses Vorgehen später mit einer Anpassung in der Covid-19-Verordnung ab. Die damalige Marktsituation für persönliche Schutzgüter sei ein «absoluter Verkäufermarkt» gewesen, schreiben Näf und Signer. Will heissen: In einer derart extremen Marktsituation kann der Verkäufer beinahe allein bestimmen, zu welchen Bedingungen er verkaufen will, weil die Nachfrage das Angebot massiv übersteigt.
Bei der Beschaffung von Schutzmasken seien «bislang übliche Vorgehensweisen gescheitert», heisst es im Bericht weiter – etwa einer internationalen Bank eine Erfüllungsgarantie zu geben oder das Geld auf ein Sperrkonto zu transferieren und erst freizugeben, wenn die Waren in der Schweiz ordnungsgemäss übernommen wurden. Ursache dafür sei gewesen, dass entweder die Verkäufer nicht eingewilligt hätten oder die Zeitverhältnisse schlicht zu knapp gewesen seien.
Auch Berner Firmen profitierten
Immerhin: Die Notbeschaffungen, die von der personell eiligst aufgestockten Armeeapotheke abgewickelt wurden, standen unter Dauerbeobachtung der Eidgenössischen Finanzkontrolle. Diese kontrollierte stichprobenweise, ob die gelieferten Güter in den Lagern den Bestellungen entsprachen und ob die Zahlungen mit Bestellungen, Verträgen und Lieferungen übereinstimmten.
Für rund 27 Millionen Franken kaufte der Bund sodann auch bei der Berner Handelsfirma Anel AG Masken diverser Schutzklassen ein, auch die Berner Firma Gribi AG konnte während der ersten Corona-Welle für rund 19 Millionen Franken OP-Masken verkaufen.
Als der Bundesrat Ende April/Anfang Mai die Covid-Schutzmassnahmen zu lockern begann, konnte auch die Internationale Verbandstofffabrik Neuhausen am Rheinfall (IVF Hartmann AG) für 11,5 Millionen Franken Hygienemasken verkaufen.
Auch das Schweizerische Rote Kreuz konnte dank internationaler Beziehungen für über 15 Millionen Franken Masken und Medizinalprodukte liefern.
Fast 2000 Beatmungsgeräte
Die Armeeapotheke erhielt auch den Auftrag, Beatmungsgeräte für das Gesundheitswesen zu beschaffen. Dabei kaufte der Bund bei der Herstellerfirma Hamilton 1800 Stück des Gerätetyps Military. Der Gesamtpreis dafür betrug gut 49 Millionen Franken. Hinzu kamen 150 Stück eines anderen Typs für gut 2,6 Millionen Franken.
Hier wurden – wie sich später herausstellte – zu viele Geräte gekauft. Teilweise sandten diese die Kantone, die die Geräte ihrerseits aufkauften, wieder an den Bund zurück.
Die Finanzkontrolle schreibt in ihrem letzten Bericht vom Oktober: «Die Bestellungen der Armeeapotheke von 571 Millionen Franken schöpfen den Kredit zur Covid-19-Verordnung von 2,55 Milliarden Franken per Mitte Oktober bei weitem nicht aus.» Die Medizingüter, die im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit bestellt worden seien, seien fast alle geliefert. Die Ware brauche Platz; die Lagerkapazitäten für das Material hätten mit entsprechenden Kosten erweitert werden müssen.
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