Jubiläumsjahr Katharina von ZimmernSie ersparte der Stadt Zürich einen Tumult
Vor 500 Jahren verhinderte Katharina von Zimmern ein Blutvergiessen, indem sie die Fraumünsterabtei der Stadt überliess. Zürich feiert diesen Akt in den kommenden Monaten mit zahlreichen Veranstaltungen.
In Ittingen wurde im Juli 1524 im Seilziehen um den katholischen und reformierten Glauben das dortige Kartäuserkloster angezündet. Als Vergeltung ging Stammheim in Flammen auf. Das Ereignis ging unter dem Namen Ittingersturm in die Geschichte ein.
Auch in Basel, Bern und St. Gallen kam es in den Anfängen der Reformation zu Tumulten. Es ist einer Frau zu verdanken, dass das in Zürich verhindert wurde.
Katharina von Zimmern, die letzte Äbtissin des Fraumünsters, übergab vor 500 Jahren, am 8. Dezember 1524, die Schlüssel des Fraumünsters dem Bürgermeister und dem Rat der Stadt Zürich. Sie standen dem reformatorischen Gedankengut nahe.
Ein zweiter Turm fürs Fraumünster
Katharina von Zimmern tat dies, bevor die aggressive Stimmung der durch die Reformation politisierten Bevölkerung in wüste Szenen ausartete, die höchstwahrscheinlich zu einem Blutvergiessen geführt hätten. Stattdessen erhielt die Stadt den riesigen Grundbesitz der Abtei samt den damit verbundenen Zinseinnahmen.
Dieser Akt wird in den nächsten Monaten mit vielfältigen Veranstaltungen gefeiert. Darüber informierten am Donnerstag verschiedene Beteiligte im Chor des Fraumünsters.
Das augenfälligste Projekt ist, dass das Fraumünster im August einen zweiten Turm erhält. Oder korrekter: Es erhält seinen zweiten Turm zurück. Wenigstens für ein paar Monate.
Denn die Abteikirche hatte zu Zeiten von Katharina von Zimmern (1478–1547) wie das gegenüberliegende Grossmünster zwei Türme. 1728 wurde der eine anlässlich einer umfassenden Renovation aus Kostengründen abgerissen. Der andere dafür auf die heutigen rund achtzig Meter erhöht.
Der temporäre Turm habe alle Hürden genommen und könne tatsächlich realisiert werden, erklärte Jeanne Pestalozzi, Präsidentin des Vereins Katharina von Zimmern. Sie vertrat bei der Medienpräsentation auch den Verein Katharinen-Turm.
Hoher Turm, hoher Besuch
Die filigrane und transparente Turminstallation wird vierzig Meter hoch und von einem 1000 Meter langen grünen Band umwickelt. Auf diesem werden die Namen von 500 Frauen vermerkt, die sich seit Katharina von Zimmern in der einen oder anderen Art für Zürich engagiert haben.
Anlässlich dieses 500-Jahr-Jubiläums bekommt die Zürcher Altstadt also einen zusätzlichen hohen Turm, aber auch Besuch von hohen Herrschaften – präziser Frauschaften. So wird im Rahmen von Kanzelreden die Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Fraumünster eine etwas andere Predigt halten. Ihre Rede wird sich um besondere Entscheide und berufliche Wendepunkte drehen.
Uraufführung eines Oratoriums
Das weitere Programm umfasst unter anderem eine Ausstellung im Haus zum Rech und Spezialführungen durch die originalen Täferstuben der Katharina von Zimmern, die im Landesmuseum zu sehen sind. Dazu kommen neue Stadtrundgänge und Führungen im Fraumünster und im Kreuzgang, die von Spielleuten und Musik begleitet werden.
Am 2. November wird das Oratorium «Katharina» uraufgeführt. Komponiert hat es der renommierte deutsche Musiker Helge Burggrabe. Und dann öffnet sich noch eine verborgene Tür, die vom Fraumünster direkt ins Stadthaus führt.
Es handelt sich um ein reichhaltiges Programm für eine Frau, die erst vor zwanzig Jahren einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. 2004 sorgte der Verein Katharina von Zimmern dafür, dass der letzten Äbtissin im Kreuzgang des Fraumünsters ein Denkmal gesetzt wurde.
Seither findet von Zimmern hin und wieder Erwähnung – im Film «Zwingli» hatte sie einen zwar nicht allzu langen, aber eindrücklichen Auftritt. Zudem haben AL und EVP 2019 im Gemeinderat ein Postulat eingereicht, das ein zweites, weniger abstraktes Denkmal für Katharina von Zimmern in der Innenstadt anregt. Es ist noch hängig.
Wusste sie, was sie tat?
Bleibt die Frage: War sich Katharina von Zimmern damals bewusst, welche Bedeutung ihrem Entscheid, die Abtei zugunsten der Stadt aufzugeben, zukommt? Irene Gysel, ehemalige Redaktorin der SRF-Sendung «Sternstunde Religion» und Kirchenrätin, hat ein biografisches Porträt über die letzte Äbtissin geschrieben, das in ein paar Wochen erscheint.
Von Katharina von Zimmern existieren nur wenige Unterlagen, die eindeutig von ihr stammen. Aus diesen lässt sich aber laut Irene Gysel folgern, dass die Äbtissin sich diesen Schritt wohl überlegt hat.
So spielte sie durchaus mit dem Gedanken, den Bischof von Konstanz oder die katholischen Orte der Eidgenossenschaft um Hilfe zu rufen. Sie verwarf ihn aber.
In der Übergabeurkunde, die im Stadtarchiv im Haus zum Rech beim Neumarkt aufbewahrt wird, begründet sie nicht theologisch, weshalb sie ihre Abtei aufgab. Sondern mit der Aussage, sie wolle tun, «was Zürich lieb und dienlich» sei.
Alle Veranstaltungen unter www.katharina2024.ch
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