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Meinung

Johnson verehrt Winston Churchill – und wirft dessen Enkel raus

Ein politisches Schwergewicht: Sir Nicholas Soames. Foto: Reuters
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37 Jahre sass er im britischen Parlament, nur dreimal hat er in all diesen Jahren gegen eine Tory-Regierung gestimmt, doch nun hat ihn die Partei rausgeworfen. Wie 20 andere konservative Abgeordnete, unter ihnen zahlreiche Ex-Minister, hat Sir Nicholas Soames für das Verbot eines vertragslosen Brexit und gegen Premier Boris Johnson gestimmt. In einer emotionalen Rede vor dem Parlament hat der 71-Jährige das Ende seiner politischen Karriere verkündet.

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Nicht nur die lange Dienstzeit als Parlamentarier, auch seine Abstammung macht ihn zu einem politischen Schwergewicht: Er ist der Enkel von Winston Churchill, dem britischen Kriegspremier, den der heutige Regierungschef Boris Johnson gerne als seinen grössten Helden bezeichnet. Er hat sogar eine Biografie geschrieben mit dem Titel «Wie ein Mann Geschichte machte».

Offenbar sieht Johnson aber eher sich selber als politischen Erben als dessen Enkel, dem er Verrat vorwirft. «Sir Winston Churchill war ein Gründervater der Europäischen Union, überzeugt, dass nur ein vereintes Europa den Frieden sichern kann», kommentiert Guy Verhofstadt, der Chefunterhändler des Europäischen Parlaments für den Brexit. «Heute wäre er sicher schockiert über den Zustand der Konservativen Partei.»

Mehr als Milch und Geld

Soames teilt in Sachen Europa durchaus die Meinung des Grossvaters: «Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, wo Geschichte eine Rolle spielte und als Leuchtfeuer und Referenzpunkt dafür diente, wie man weitergeht.» Er bezeichnete Europa als eine noble Sache, auch wenn nicht alles ideal laufe.

Vor dem Brexit-Referendum vor drei Jahren machte er sich deshalb für einen Verbleib in der Union stark. «Es ist historisch wichtig für Grossbritannien, Teil der Europäischen Union zu sein.» Europa sei viel mehr als «milk and money», als Milch und Geld, sagte er in einem Interview. Er wisse natürlich sehr wohl, «wie schlecht sie teilweise geführt ist». Er rief die Briten dazu auf, für einen Verbleib in der EU zu stimmen. «Selbst wenn sie dabei ihre Nase zuhalten müssen.»

Doch nach dem Ja zum Brexit gab sich Soames geschlagen. «Ich war immer der Meinung, dass das Resultat des Referendums eingelöst werden muss», sagte er nach seinem Rauswurf aus der Partei. «Ich habe jedes Mal für das Austrittsabkommen gestimmt, wenn es ins Parlament kam. Das ist mehr, als man von meinem ehrenhaften Freund, dem Premierminister, sagen kann.» Boris Johnson und andere führende Köpfe der Tories hatten mehrmals gegen den in Brüssel ausgehandelten Austrittsvertrag gestimmt, weil er in ihren Augen zu viele Kompromisse mit der EU enthielt. «Ihre Abtrünnigkeit war eine grosse Inspiration für viele von uns», fügte er sarkastisch hinzu und löste mit der Spitze gegen die harten Brexit-Befürworter laute Erheiterung aus im Parlament.

Der «sexistischste Abgeordnete» überhaupt

Soames ist bekannt für seine scharfe Zunge und auch für vulgäre Sprüche. Die Brexit-Befürworter verglich er einmal mit Schäferhunden, denen man nicht den Kopf tätscheln, sondern «kräftig in die Eier treten» sollte. Als er nun aufgefordert wurde, sich aus der Whatsapp-Gruppe der konservativen Abgeordneten abzumelden, erklärte er, dort seien sowieso «vor allem Irre» unterwegs, jeder normale Mensch verlasse diese Gruppe, um seine «geistige Gesundheit» zu retten.

Immer wieder liess er es im Parlament an politischer Korrektheit fehlen, vor allem Frauen gegenüber. Er machte anzügliche Bemerkungen und Gesten, es gab Vorwürfe von sexueller Belästigung, und in einem Buch über Frauen im britischen Politbetrieb bekam er den wenig schmeichelhaften Titel des «sexistischsten Abgeordneten» überhaupt.

Doch nun ist er ein Held, ein Retter des Landes vor einem harten Brexit und dem befürchteten Chaos. Hunderte E-Mails habe er bekommen von Leuten, die ihm für seine Rebellion dankten, erklärt er. 1938 habe der damalige Premier Chamberlain, der auf einen Ausgleich mit den Nazis hoffte, seinen Grossvater beschuldigt, seine Verhandlungen mit Deutschland zu torpedieren. Doch die Geschichte habe ihm recht gegeben. «Ich denke, ich werde auch recht bekommen.»