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Kampf gegen Klimawandel
Joe Biden lässt sich die Klimawende etwas kosten

Der Hilferuf der Erde könne «nicht verzweifelter oder klarer sein»: US-Präsident Joe Biden. 
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US-Präsident Joe Biden hat nicht lange gewartet, sein mit Abstand wichtigstes Wahlversprechen anzugehen: den Kampf gegen die vom Menschen gemachte Klimaerwärmung. Auf den ersten Blick waren die Hürden dafür nicht sonderlich hoch. In den vier Jahren unter Donald Trump sind die USA in dieser Frage nicht nur einfach auf der Stelle getreten. Bidens Vorgänger hat alles in seiner Macht Stehende getan, um die USA wieder in die klimapolitische Steinzeit zu führen. Die Liste seiner Umweltsünden ist lang: Ausstieg aus dem Klimaabkommen von Paris, Fokussierung auf Öl und Kohle, Herabsetzung von Umweltstandards für Autos und Industrieanlagen.

Schon im Wahlkampf hatte Biden erklärt, dass er nicht einfach nur Trumps Entscheidungen rückgängig machen werde. In seiner Rede zur Amtseinführung am 20. Januar wurde Biden gar emotional: Der Hilferuf der Erde könne «nicht verzweifelter oder klarer sein». Das mag theatralisch klingen, erklärt aber womöglich das Tempo, das Biden seitdem vorgelegt hat. Sein Credo: go big – nicht kleckern. Klotzen.

Trump-Entscheide umgekehrt

Allein an seinem ersten Arbeitstag unterzeichnete Biden zwölf Verfügungen, die den Klimaschutz vorantreiben sollen. Darunter die Rückkehr in das Pariser Klimaabkommen, den Baustopp für die umstrittene Keystone XL Pipeline, mit der Öl aus Kanada in die Raffinerien an der Golfküste von Texas transportiert werden sollte. Oder das Ende der Unterstützung für Ölbohrungen vor den US-Küsten oder in Naturschutzgebieten.

Von den mindestens 100 umweltpolitischen Trump-Entscheidungen, die Biden im Visier hat, hat er ein Viertel bereits rückgängig gemacht. Hinzu kommen 24 neue Umweltschutzregeln, von denen 17 umgesetzt sind. Diese reichen von der Anforderung, dass erst mögliche Folgen für das Klima begutachtet werden müssen, bevor der Bund Geld für neue Projekte ausgibt. Bis zum Umbau der bundeseigenen Fahrzeugflotte mit ihren etwa 645’000 Bussen, Lastwagen und Ambulanzen, Postautos und den drei Dienstlimousinen des Präsidenten in einen grünen, abgasfreien Fuhrpark.

Trump sah in der Fokussierung auf Öl und Kohle die Energieträger der Zukunft: Kohlekraftwerke in Adamsville, Alabama.

Den nächsten grossen Schritt will Biden mit seinem Infrastrukturpaket gehen, das er Ende März in Pittsburgh im Bundesstaat Pennsylvania vorstellte und über das er gerade mit dem Kongress verhandelt. Drei Billionen Dollar will Biden in den kommenden acht Jahren in die Infrastruktur investieren. Davon soll eine Billion mehr oder weniger direkt in den Klimaschutz fliessen. Es wäre das grösste Klimaschutzprogramm, das es je gegeben hat.

Rund 174 Milliarden Dollar sollen in den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos gehen. Bis 2030 sollen damit 500’000 neue Ladestationen installiert werden, um die Abhängigkeit von fossilem Treibstoff zu beenden. 35 Milliarden Dollar sind für Forschungsprojekte vorgesehen, in denen dann hoffentlich bahnbrechende Klimaschutz-Technologien entwickelt werden. 10 Milliarden Dollar sind gar für ein Civilian Climate Corps vorgesehen, ein Freiwilligenprogramm, über das sich junge Menschen in Umwelt- und Klimaschutzprojekten engagieren können.

Ab 2035 soll der Strom in den USA zu 100 Prozent frei von Klimagasen sein.

Kernstück des Plans aber ist der 400 Milliarden Dollar schwere «Energy Efficiency and Clean Electricity Standard». Dahinter verbirgt sich ein Mechanismus, mit dem der Anteil sauberer Energien am US-Energiemix stetig gesteigert werden soll. Zum Teil auch mithilfe von Atomenergie. Kohle- und Gaskraftwerke sollen mit festen Vorgaben für den Energiemix nach und nach durch Wind- und Solaranlagen ersetzt werden. Ab 2035 soll der Strom in den USA zu 100 Prozent frei von Klimagasen sein. Die Obama-Regierung wollte das Ziel erst 2050 erreichen.

Allerdings fehlt noch ein wichtiges Ziel: Das Klimaabkommen von Paris verpflichtet die Teilnehmerstaaten auch, sich nationale Vorgaben zu machen, was sie in einem Zwischenschritt bis 2030 erreichen wollen. Biden hat sich zwar festgelegt, dass die USA bis 2050 klimaneutral sein sollen. Den wichtigen Zwischenschritt aber hat er noch nicht preisgegeben. Im Weissen Haus wird derzeit nach einer Formel gesucht, die ambitioniert genug ist, als Vorbild und Druckmittel für den Rest der Welt zu dienen. Und die gleichzeitig die Wähler im Land nicht verschreckt.

Demonstranten fordern von Biden weitere Schliessungen von Pipelines. 

Aus Expertensicht liegt auf der Hand, wie die Formel aussehen müsste. «Es ist klar, dass die Wissenschaft bis 2030 mindestens 50 Prozent weniger Treibhausgasemissionen verlangt», sagt etwa der Klima-Fachmann Jake Schmidt vom Natural Resources Defense Council, einer der führenden Umweltgruppen in den USA. Und zwar gegenüber 2005. Nur so könne die Klimaerwärmung bei plus 1,5 Grad gestoppt werden. Das sei «ehrgeizig, aber erreichbar», sagt Schmidt. Die Botschaft sei zudem leicht zu verstehen. «Die Leute wissen, was 50 Prozent bedeutet – es ist die Hälfte.»

Auf republikanischer Seite ist zu hören, Unterstützung werde es – wenn überhaupt – nur für ein reines Infrastrukturgesetz geben.

Jetzt muss Biden es nur noch schaffen, seinen gigantischen Infrastruktur- und Klimaplan ohne grosse Verluste durch den Kongress zu bekommen. Das Problem aber ist der Senat. Wenn die Regel greift, dass 60 Stimmen benötigt werden, um das Gesetz durchzubekommen, müssen zehn Republikaner Bidens Paket unterstützen. Das erscheint derzeit höchst unwahrscheinlich. Ob nicht auch eine einfache Mehrheit reichen kann, ist noch nicht endgültig entschieden.

Solange das so ist, wird Biden weiterverhandeln, auch mit den Republikanern. Diese Woche empfing er eine überparteiliche Gruppe von Kongressabgeordneten. Biden zeigte sich kompromissbereit. Öffentlich erklärt er gern, alle seien sich einig, strittig sei nur die Frage, wie es bezahlt werde. So einfach ist es wohl nicht. Auf republikanischer Seite ist zu hören, Unterstützung werde es – wenn überhaupt – nur für ein reines Infrastrukturgesetz geben. Also nur für Brücken, Strassen und Häfen. Und teurer als 800 Milliarden Dollar soll es auch nicht werden. Wenn es dabei bleibt, kann Biden seine Klimaschutzambitionen einpacken.

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