Sensation vom Hubble-NachfolgerJoe Biden enthüllt das erste Bild aus dem James-Webb-Teleskop
Astronomen haben das erste Farbbild des Weltraumteleskops erhalten. Es liefert den bisher tiefsten Infrarotblick ins Universum. Was daran so besonders ist.
Das erste Bild des James-Webb-Teleskops ist da. Präsentiert hat es in der Nacht auf Dienstag Joe Biden. Der US-Präsident sprach von einem «historischen Tag». Es handelt sich gemäss Nasa um die «tiefste und schärfste bislang aufgenommene Infrarotsicht auf das Universum». Die Aufnahme zeigt Galaxien, die schon existierten, als das Universum weniger als eine Milliarde Jahre alt war. Dass dem amerikanischen Präsidenten die Ehre zukommt, das erste Bild zu enthüllen, liegt daran, dass die Nasa die Hauptkosten des 10 Milliarden Euro teuren Weltraumteleskops getragen hat. «Eine der grössten Ingenieurleistungen der Menschheit» nannte Vizepräsidentin Kamala Harris das Unterfangen.
Kosmische Kunstwerke wie dieses hat uns zwar schon das Weltraumteleskop Hubble vor Jahren geliefert und damit die Fachwelt und viele Laien fasziniert. Nachdem Hubbles anfängliche Fehlsichtigkeit korrigiert war, lieferte es Bilder, die unsere Fantasie beflügelten: Eine Art Auge im Weltall, die Kinderstube von Sternen, gigantische Explosionen, ein tiefer Blick ins All und vieles mehr.
Während Hubble quasi mit unseren Augen ins All blickte – das Teleskop macht seine Beobachtungen im sichtbaren Bereich des Lichts, beobachtet sein Nachfolger, das James-Webb-Weltraumteleskop, im für uns unsichtbaren infraroten Bereich des Lichtspektrums. Damit sieht es zum Beispiel hinter die Staubschleier, die das Auge von Hubble nicht durchdringen kann. Dank seiner enormen Sensitivität kann es auch noch ältere Objekte aus der Kinderstube des Universums erkennen.
Damit das Unsichtbare, das das Webb sieht, für uns erkennbar wird, haben die Astronomen die Bilder bearbeitet. Dabei ordnen sie dem gemessenen Infrarotlicht sichtbare Wellenlängen zu. So entstehen farbige Bilder, die ähnlich beeindruckend sein dürften wie jene von Hubble. Allerdings bringen sie einen bisher weitgehend verborgenen Teil des Universums ans Licht.
Ein erstes von Webb aufgenommenes Bild, auf dem zahllose Galaxien zu sehen sind, hat der US-Präsident Joe Biden bereits in der vergangenen Nacht höchstpersönlich präsentiert – und den Astronomen damit etwas die Show gestohlen. Von den weiteren Bildern ist bisher nur bekannt, um welche Objekte es sich handelt. Die Aufnahmen werden erst am Dienstagabend publiziert. Wir erläutern, was an den neuen Aufnahmen so besonders ist.
Blick in die Tiefe des Weltalls
Für viele Stunden haben Astronomen dereinst Hubble auf eine Himmelsregion gerichtet, auf der bis dahin vor allem eines zu sehen war: nichts. Die Fachwelt war überrascht, als nach der Langzeitbelichtung Tausende Galaxien zum Vorschein kamen.
Eine ähnliche Aufnahme des James-Webb-Weltraumteleskops hat nun der US-Präsident Joe Biden präsentiert, nur eben im Infrarotlicht. Für dieses Bild hat das Webb seinen Fokus auf einen riesigen Galaxienhaufen gelegt, genannt SMACS 0723. Das Bild zeigt, wie er vor 4,6 Milliarden Jahren aussah – und noch mehr. Denn der Galaxienhaufen wirkt wie eine Linse: Seine Schwerkraft bündelt das Licht von schwach leuchtenden Galaxien, die sich in noch grösserer Entfernung befinden und die schon vor mehr als 13 Milliarden Jahren aufleuchteten, nur wenige Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall.
Gemäss der US-Weltraumbehörde Nasa zeigt das Bild Tausende Galaxien, «darunter die am schwächsten leuchtenden Objekte, die je im Infrarotlicht beobachtet wurden».
«Was wir auf dem Bild sehen, ist einer der tiefsten Blicke ins Universum, aber noch kein Weltrekord», sagt Adrian Glauser von der ETH Zürich, der den Schweizer Beitrag zum Webb verantwortet. «Das Alter der sichtbaren Galaxien ist in etwa vergleichbar mit jenen auf dem Hubble Ultra Deep Field. Aber das Bild ist unglaublich. Wir sehen Galaxien wie Sand am Meer.» Der grosse Vorteil des Webb sei, dass die Aufnahme in kürzerer Zeit entstand als das Ultra Deep Field von Hubble. Man sehe auch viel mehr Galaxien und könne diese schärfer abbilden. «Das lässt hoffen, dass wir mit dem Webb noch deutlich tiefer ins All blicken können», sagt Glauser.
Weitere Aufnahmen werden am Dienstagabend präsentiert, und zwar von folgenden Objekten:
Stephans Quintett
Stephans Quintett sollte besser Stephans Quartett heissen. Zwar hat der französische Astronom Édouard Jean-Marie Stephan am 22. September 1877 fünf nah beieinander gelegene Galaxien entdeckt. Aber nur vier von ihnen tanzen in rund 290 Millionen Lichtjahren Entfernung im Sternbild Pegasus eng umeinander. Die fünfte hat sich quasi aufs Bild geschmuggelt, sie ist viel näher.
Die gegenseitige gravitative Anziehungskraft hat die Spiralarme einiger Galaxien verformt. Und vor allem in den beiden zentralen Galaxien entstehen viele neue Sterne. Die Sternentstehung ist eines der Themen, die Forschende mit dem James Webb genauer unter die Lupe nehmen möchten.
Südlicher Ringnebel
Der Südliche Ringnebel (NGC 3132) wurde bereits am 2. März 1835 vom britischen Astronomen John Herschel entdeckt. Dabei handelt es sich um einen sogenannten planetarischen Nebel. Anders als der Name es suggeriert, hat das nichts mit einem Planeten zu tun. Die irreführende Bezeichnung ist historisch bedingt – zunächst hielt man die kugelförmigen Objekte für grosse Gasplaneten. Tatsächlich handelt es sich um eine expandierende Gaswolke, die einen sterbenden Stern umgibt. Der Südliche Ringnebel hat einen Durchmesser von rund einem halben Lichtjahr und befindet sich in einer Entfernung von 2000 Lichtjahren von der Erde am Südsternhimmel. Hier eine Aufnahme von Hubble.
Der Planet WASP-96b
WASP-96b ist ein 2013 entdeckter Gasplanet, etwa halb so gross wie Jupiter. Er befindet sich ausserhalb unseres Sonnensystems in einer Entfernung von rund 1120 Lichtjahren. Der Planet umrundet seinen Mutterstern alle 3,4 Tage.
Eine erste zentrale Frage lautet: Besitzen Exoplaneten wie Wasp-96b eine Atmosphäre? Und wenn dem so ist: Aus welchen Molekülen besteht diese Atmosphäre und in welcher relativen Häufigkeit treten sie auf? Denn daraus lässt sich einiges über die Eigenschaften den Planeten ableiten.
Sternentstehung: Der Carinanebel
Nebel sind Regionen, in denen viele Sterne entstehen. Der Carinanebel, auch Eta-Carinae-Nebel, ist eine der grössten und hellsten solcher Regionen am Himmel. Dort findet sich auch der instabile blaue Riesenstern Eta Carinae, ein veränderlicher, sehr massereicher Doppelstern. Der grössere der beiden bringt etwa 100 bis 200 Sonnenmassen auf die Waage, der kleinere Partner 30 bis 80 Sonnenmassen. Eta Carinae strahlt in etwa mit der vier- bis fünfmillionenfachen Leuchtkraft der Sonne und befindet sich in einer Entfernung von rund 7500 Lichtjahren – das bedeutet, dass Licht von dort 7500 Jahre unterwegs ist, bis es die Erde erreicht.
Hier eine Aufnahme des Carinanebels von Hubble.
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