Nach Volksnein in ZürichJetzt wollen Bürgerliche das Stimmrechtsalter 16 endgültig bodigen
SVP und FDP wollen auch auf nationaler Ebene ein tieferes Stimmrechtsalter verhindern. FDP-Politiker Kurt Fluri hat den Plan dazu.
Laboriert das nationale Parlament an einem Projekt, das in der Bevölkerung chancenlos ist? Diese Frage stellt sich, nachdem am Sonntag das Zürcher Stimmvolk das Wahl- und Stimmrechtsalter 16 wuchtig abgelehnt hat. Bereits im letzten Herbst hatte Uri Nein dazu gesagt, mit 68 Prozent noch etwas deutlicher als nun Zürich. Abfuhren gab es in der Vergangenheit auch in anderen Kantonen, etwa in Baselland oder in Neuenburg. Einzige Ausnahme bleibt damit Glarus, das 2007 die Einführung – überaus knapp – beschlossen hat.
Die Volksverdikte kontrastieren mit den aktuellen Bemühungen auf nationaler Ebene. Der Nationalrat will 16- und 17-Jährigen das aktive Stimm- und Wahlrecht geben. Im März hat er es abgelehnt, eine entsprechende parlamentarische Initiative von Sibel Arslan (Grüne) abzuschreiben. Er beauftragte die Staatspolitische Kommission (SPK), einen Umsetzungsvorschlag zu erarbeiten. Mit 99 zu 90 Stimmen war der Vorschlag indes stark umstritten: SP, Grüne und GLP stimmten dafür, die SVP geschlossen und die FDP grösstenteils dagegen, die Mitte-Fraktion war gespalten.
Arslan zieht parlamentarische Initiative nicht zurück
Nun, nach ihrem Sieg in Zürich, wähnen sich die Gegner wieder im Aufwind. Sie wollen das Projekt im Bundeshaus stoppen. Nationalrat Kurt Fluri (FDP) kündigt an, er werde in der Staatspolitischen Kommission die Umsetzungsvorlage zur Ablehnung empfehlen, was einem Nichteintreten gleichkäme. Der Nationalrat müsste diesen Entscheid bestätigen, dann wäre der Vorstoss vom Tisch.
Fluri plant den Angriff nicht nur wegen der Volksvoten in den Kantonen. Er hält Stimm- und Wahlrechtsalter 16 auch staatspolitisch für falsch. Die Volljährigkeit, die heute bei 18 liegt, und das Stimmrechtsalter gehören seiner Ansicht nach zusammen.
Widerstand kommt auch aus der SVP. Nationalrätin Martina Bircher argumentiert, das Verdikt der Zürcher zeige, dass das Abstimmungsresultat im Nationalrat vom März die Stimmung in der Bevölkerung nicht widerspiegle. Sie habe deshalb «schon Fragezeichen», wenn die Staatspolitische Kommission nun Arbeiten aufnehme, die kostspielig und zeitintensiv seien. Trotzdem gelte es natürlich, die demokratischen Prozesse zu respektieren, sagt Bircher. Und fügt an: «Vielleicht überlegt es sich Initiantin Arslan nochmals.»
Tut Arslan aber nicht, wie sie auf Anfrage klarmacht. Selbst wenn sie und ihre Mitstreiter es wollten, sie könnten es nicht. Gemäss Parlamentsgesetz ist es nicht möglich, eine parlamentarische Initiative zurückziehen, sobald eine vorberatende Kommission ihr Folge gegeben hat – was hier der Fall ist. Bircher kenne die parlamentarischen Prozesse offenbar nicht, sie wolle entgegen ihren Beteuerungen den Parlamentsauftrag nicht akzeptieren, kritisiert Arslan.
Sie sieht Parallelen zum Kampf um das Frauenstimmrecht oder der Ehe für alle. «Ohne Beharrlichkeit hätten wir diese so wichtigen Errungenschaften heute nicht.» Demokratieerweiterung sei ein Prozess, der Zeit brauche, in Zürich sei die Debatte noch relativ neu gewesen.
Gegner hoffen auf Ständerat
Auch Martin Landolt (Mitte) findet, die nationale Politik solle sich nicht von kantonalen Abstimmungen leiten lassen. Wenn das Parlament nun den Weg der parlamentarischen Initiative weitergehe, könne man zu gegebener Zeit eine nationale Volksabstimmung durchführen. «Ich sehe beim besten Willen nicht ein, was dagegen spricht, diese Frage dem Souverän zu stellen.»
Tiana Moser (GLP) ihrerseits spricht zwar mit Blick auf das Zürcher Resultat offen von einem Rückschlag. «Wir werden die Diskussion auf nationaler Ebene aber weiterführen und uns für eine Mehrheit engagieren.» Nationalrätin Nadine Masshardt (SP) hält es ebenfalls für wichtig, das Thema weiterzuverfolgen: «Die Diskussion auf nationaler Ebene ist eine Chance, um den früheren und besseren Einbezug der jungen Menschen in der Politik zu stärken.»
Die Debatte läuft so oder so weiter: Stimmrechtsalter 16 kommt im Kanton Bern an die Urne, voraussichtlich diesen Herbst. In weiteren Kantonen, etwa im Wallis oder in Graubünden, sind Diskussionen im Gang. Ob die Befürworter ihre Reihen geschlossen halten können, ist aber nicht sicher. Es braucht wenig, bis die Mehrheit kippt, entscheidend dürfte sein, wie sich die gespaltene Mitte verhalten wird.
Der Nationalrat hat sich wie skizziert nur knapp hinter Arslans Initiative gestellt, die Staatspolitische Kommission des Ständerats hat den Vorstoss mit sieben zu sechs Stimmen bloss hauchdünn befürwortet. Die Gegner hoffen deshalb nicht zuletzt auf die kleine Kammer: Als Kantonsvertreter könnten die Ständerätinnen und Ständeräte das klare Resultat aus dem Kanton Zürich nicht ignorieren, spätestens sie müssten deshalb die Übung stoppen.
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