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Umstrittener Prügelsport
Sie ohrfeigen sich bis zur Bewusstlosigkeit

Mit diesem Schlag war alles vorbei: Kortney Olson (links) bei ihrer kurzen «Power Slap»-Premiere gegen ihre Widersacherin Sheena Bathory.
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Ein einziger Schlag, und schon kracht sie zu Boden. Rappelt sich benommen auf, aber kippt gleich vornüber und macht unkontrolliert einen Purzelbaum. Ein paar Augenblicke taumelt sie noch über das Podium, gestützt von ihrem Betreuer, dann gibt sie auf. «Eine grauenhafte Erfahrung», wird Kortney Olson später sagen. Ausgeknockt durch eine Ohrfeige. Eine ganz legale.

Was wir bisher vielleicht aus Youtube-Videos aus irgendwelchen russischen Hinterzimmern kannten, wurde in den USA plötzlich ein sportliches Phänomen zur Hauptsendezeit: Ohrfeigenwettkämpfe. «Power Slap» nennt sich die Wettkampfreihe, sie lief live im Pay-TV, Menschen zahlten dafür Geld. Organisiert wird sie von der Kampfsportserie Ultimate Fighting Championship (UFC). Diese Form der Mixed Martial Arts hatte sich einst am Boxen oder Kickboxen orientiert und wurde zu einem kommerziellen Grosserfolg. Trotz immenser Brutalität – oder gerade deswegen.

Kaum Grenzen im Achteck: Die Ultimate Fighting Championship wurde vor allem in Nordamerika zu einem kommerziellen Grosserfolg und dient nun «Power Slap» als Vorbild.

Ohrfeigenschlagen ist schlimmer: Im Gegensatz zu UFC oder dem Boxsport sind die Kämpferinnen und Kämpfer dem Schlag gegen den Kopf ungeschützt ausgesetzt. Sie können sich nicht verteidigen und ihn abwehren, sie dürfen sich nicht einmal ducken oder sonst ausweichen, sondern müssen ungerührt hinnehmen, wenn es einschlägt. Helme oder Kappen mit Polster sind nicht erlaubt. Der Schädel ist der einzige Verteidigungswall für das Gehirn.

Die Regeln sind spartanisch: Abwechslungsweise zimmert der eine dem anderen mit der Handfläche auf die Backe. 30 Sekunden haben die Kämpferinnen und Kämpfer Zeit für den Schlag, 30 weitere Sekunden dienen der Erholung. Entschieden wird das Duell nach K. o. oder mit Jury-Entscheid nach je drei bis fünf Schlägen. Es gibt vier Gewichtsklassen.

Draufhalten und hinhalten: Die Schläge des Angreifers muss ein Verteidiger hinnehmen, ohne sich verteidigen zu dürfen.

Bei Kortney Olson dauerte es im Kampf gegen Sheena Bathory keine Minute bis zum Knock-out. «Ich war sofort weg. Licht aus», erzählt die 41-jährige Bodybuilderin und Modeunternehmerin der «New York Times». Ihr erster Wettkampf war auch ihr letzter. Ein Video davon wollen wir Ihnen ersparen.

Seit der Premiere von «Power Slap» vor einigen Wochen ist in der US-Öffentlichkeit eine Debatte aufgekommen über Sinn und Unsinn dieser neuen Sportart. «Was ist nur aus uns geworden?», fragt die «Times» und charakterisiert den Event schonungslos: «Es ist die Darstellung der puren Bestrafung, die allein für TV-Quoten, Videoaufrufe und Geld, Geld und nochmals Geld geschaffen wurde. Was kommt als Nächstes? Dass Menschen aus Spass einem Panzer davonrennen?»

Den ersten Todesfall gab es schon

Auch führende Mediziner zeigen sich besorgt. «Was für ein dummer Sport, blödsinnig und primitiv. Dieser Sport ist unvereinbar mit der Intelligenz von uns Menschen. Es ist sehr gut möglich, dass man an diesen Schlägen stirbt oder katastrophale Schäden am Gehirn erleidet», sagt der bekannte Neuropathologe Bennet Omalu und fordert ein Verbot. 2021 starb tatsächlich der Pole Artur Walczak bei einem Wettkampf in seiner Heimat. Ein Bär von einem Mann – und doch nicht stark genug.

US-Arzt Omalu hat sich einen Namen in der Sportwelt gemacht, weil er die Gehirne ehemaliger Footballprofis untersuchte und nachweisen konnte, dass die Spätfolgen von den vielen Schlägen gegen den Kopf herrührten. Seine Arbeit führte dazu, dass die Football-Profiliga NFL sich mit Tausenden ehemaligen Spielern auf eine Entschädigung von 765 Millionen Dollar einigte. Omalus Arbeit wurde 2015 im Spielfilm «Erschütternde Wahrheit» («Concussion») mit Will Smith in der Hauptrolle gewürdigt.

«Wenn du es nicht magst, schau es nicht. Niemand zwingt dich dazu.»

UFC-Präsident Dana White

Die Organisatoren von «Power Slap» wehren sich mit bemerkenswerter Flapsigkeit gegen die wachsende Kritik. Der ohnehin wenig zimperliche UFC-Präsident Dana White sagt: «Wenn du es nicht magst, schau es nicht. Niemand zwingt dich dazu. Du bist davon angewidert? Guck ‹The Voice›! Die Leute mussten sich auch an andere Kampfsportarten erst gewöhnen.» Wahr ist, dass UFC-Kämpfer Conor McGregor heute zu den berühmtesten Kampfsportlern überhaupt zählt. Die UFC gibt es als Videospiel des weltbekannten Herstellers EA Sports.

Doch gegen das Ohrfeigenschlagen formiert sich nun auch politischer Widerstand. Zwei Abgeordnete des US-Kongresses bereiten derzeit Vorstösse vor, um eine öffentliche Debatte anzukurbeln. Ziel wird sein, solche Events zu verbieten. Die zunehmend kritische Berichterstattung zeigte Wirkung: Der übertragende Sender TBS strich «Power Slap» aus seinem Programm.