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Erfolg für die Pflegenden
Jetzt wartet eine heikle Aufgabe auf Berset

Ihr Einsatz hat sich gelohnt: Die Initiantinnen und Initianten der Pflegeinitiative können einen grossen Erfolg feiern.
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Sie haben an diesem Sonntag ein Stück Demokratie-Geschichte geschrieben, die Pflegerinnen und Pfleger. Mit einem Ja-Anteil von 61 Prozent reiht sich die Initiative «Für eine starke Pflege» in die Volksanliegen mit den höchsten Zustimmungswerten ein – insgesamt rangieren nur sechs Initiativen noch weiter vorn. Darüber hinaus handelt es sich bei der Pflegeinitiative um das erste explizit gewerkschaftliche Begehren, das an der Urne eine Mehrheit fand. Und dies erst noch bei einer sehr hohen Stimmbeteiligung von 65 Prozent. (Der Abstimmungs-Ticker zum Nachlesen­­­.)

Die Corona-Pandemie mag der Branche und ihren Anliegen im Vergleich zu «normalen» Zeiten zusätzliche Sympathien verschafft haben. Für den Verein «Pflegeinitiative Ja» reichen die Ursachen des Erfolgs aber tiefer. Der Bundesrat sei für sein «jahrelanges Ignorieren des Pflegenotstandes» abgestraft worden. Dasselbe gelte für die Arbeitgeber, die hinsichtlich der Personalprobleme in der Pflege untätig geblieben seien. Der Verein erwartet nun ein «radikales Umdenken und einen Neuanfang in der Pflegepolitik». Das Volk wolle, dass die Abgänge aus dem Pflegeberuf gestoppt würden und die Politik das Problem des Pflegenotstandes wirksam angehe.

Gesundheitsminister Alain Berset (SP) seinerseits sprach vor den Medien nach Bekanntgabe des Schlussresultats von einem «eindrücklichen Zeichen der Wertschätzung» für die Pflegenden. Er versprach, dem Bundesrat bald Vorschläge zur Umsetzung vorzulegen.

Eine Milliarde für die Ausbildung

Doch was konkret gilt es nun eigentlich umzusetzen? Die Initiative enthält im Groben zwei Kernforderungen: Einerseits soll der Bund für eine angemessene Zahl an Pflegefachkräften sorgen, andererseits die Arbeitsbedingungen der Angestellten und die Qualität der Pflege verbessern.

Zum ersten Teil liegt eigentlich bereits ein elaboriertes Konzept vor. Es handelt sich um den indirekten Gegenvorschlag, mit dem das Parlament das Volk von einem Nein zur Initiative überzeugen wollte. Er sah die Investition einer runden Milliarde Franken in eine Ausbildungsoffensive vor. Technisch gesehen ist der Gegenvorschlag nach der Zustimmung zur Initiative nun zwar gestorben. Trotzdem könnte er wieder auferstehen: als Bestandteil des Umsetzungsprojekts.

Hat zahlreiche unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen: Alain Berset. 

Das ist jedenfalls die Vorstellung der Initiantinnen und Initianten. Sie fordern ein zweigleisiges Vorgehen: Das Parlament soll den Gegenvorschlag unverändert nochmals genehmigen. Auf diese Weise könne Zeit gewonnen werden, schreibt das Initiativkomitee in einer Mitteilung. Dem Bundesrat wiederum würde demnach die heikle Aufgabe übertragen, für bessere Arbeitsbedingungen zu sorgen.

«‹Täubele› bringt uns nicht weiter. Wir haben das Signal der Initiantinnen verstanden.»

Erich Ettlin, Mitte-Ständerat

Mit diesem Vorgehen sind auch die Gegner einverstanden. «‹Täubele› bringt uns nicht weiter. Wir haben das Signal der Initiantinnen verstanden», sagt Mitte-Ständerat Erich Ettlin. Er und seine Parteikollegin Ruth Humbel, die den Gegenvorschlag lancierte, sind zur raschen Neuauflage der Bildungsoffensive bereit.

Für sie und andere bürgerliche Gesundheitspolitiker ist dabei klar, dass der Bund keinesfalls weniger Geld sprechen darf, als es der Gegenvorschlag vorsah. Geplant war, dass Bund und Kantone die Ausbildung von zusätzlichem Pflegepersonal auf Stufe Fachhochschule mit je einer knappen halben Milliarde Franken fördern. Gut investiertes Geld, findet man beim Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK: «Wir wissen, dass wir ganz viel Geld einsparen, wenn wir in die Pflege investieren», erklärte SBK-Geschäftsführerin Yvonne Ribi am Sonntag auf SRF.

Tatsächlich scheint es denkbar, dass die Ausbildungsoffensive und weitere Elemente des Gegenvorschlags bereits im Frühling oder Sommer neu beschlossen werden. Die Initiantinnen und Initianten schlagen dazu den Weg der parlamentarischen Initiative vor, wie SP-Nationalrätin Barbara Gysi sagt. Eine parlamentarische Initiative ist das stärkste und am schnellsten wirksame Instrument, um ein neues Gesetz einzuführen. Wenn man den Inhalt des Gegenvorschlags unverändert übernähme, könnte auf die sonst übliche Vernehmlassung verzichtet werden, findet Gysi. Eine solche habe bereits früher stattgefunden.

Wenig Zeit für den Bundesrat

Der Bundesrat hätte sich derweil um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Erhöhung der Pflegequalität zu kümmern. Keine einfache Angelegenheit: Die Regierung wird zunächst einmal klären müssen, was auf Bundesebene geregelt werden kann und wofür die Kantone und Arbeitgeber zuständig sind – und anschliessend zahlreiche unterschiedliche Interessen unter einen Hut bringen müssen.

Auch die Initianten gehen davon aus, dass auf Bundesebene keine Löhne und Arbeitszeiten festgeschrieben werden. Der Bund müsse aber dafür sorgen, dass flächendeckend Gesamtarbeitsverträge abgeschlossen und Pflegeschlüssel festgeschrieben würden. Diese regeln, wie viele Patienten auf eine Pflegefachkraft kommt. Weiter fordert der Verein «Pflegeinitiative Ja» Minimalstandards betreffend Arbeitszeit, Arbeitsschichten, Dienstpläne, Ferien, Lohn, Pensionskassenregelung, Weiterbildungsmöglichkeiten und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Allzu viel Zeit bleibt dem Bundesrat dabei nicht. Innert achtzehn Monaten muss er die Massnahmen auf dem Verordnungsweg erlassen – also ohne Umweg über das Parlament. Zugleich muss er zuhanden des Parlaments innert zwölf Monaten die gesetzlichen Grundlagen schaffen, um die Massnahmen zu verstetigen.