Kommentar zu den höheren ArmeeausgabenJetzt müssen wir über Soldaten reden
Die Armee erhält deutlich mehr Geld. Die wichtigste Frage verdrängen Bundesrat und Parlament jedoch.
Das Parlament hat entschieden. Es befiehlt dem Bundesrat, die jährlichen Armeeausgaben von fünf auf bis zu neun Milliarden Franken zu erhöhen. Nach dem Nationalrat stimmte am Donnerstag auch der Ständerat dafür.
Die schnelle Reaktion des Parlaments ist verständlich; die Schockwellen, die ein weitgehend konventionell geführter Ukraine-Krieg aussendet, legen die Fehleinschätzungen in der Schweizer Sicherheitspolitik der letzten Jahrzehnte schonungslos offen. Als Folge davon wurde die Armee in Beständen und Budget bis zur Funktionsuntüchtigkeit beschnitten.
Die heute präsentierte Lösung überzeugt indessen nicht, denn sie ist, im negativen Sinne, typisch schweizerisch. Typisch schweizerisch heisst hier: Problemlösung via Portemonnaie. Mit vielen Milliarden sollen innert kürzester Zeit jene Waffen und jene Ausrüstung beschafft werden, die seit Jahren fehlen.
Die entscheidende Frage lautet: Wie viele Soldaten braucht das Land dazu?
Das allein aber kann kaum überzeugen. Denn in ihrem Bestreben, die Schweiz wenigstens so lange verteidigungsfähig zu machen, bis andere Armeen zu Hilfe eilen, lässt die Politik die entscheidende Frage offen: Wie viele Soldaten braucht das Land dazu?
Die Zahl der Milizsoldaten lag, als man gegen Panzer- und Artillerieangriffe noch gewappnet sein wollte, bei über einer halben Million. Heute beträgt der Sollbestand der Armee 100’000.
Tatsächlich kämpfen könnte heute davon nur ein Teil. Es sind noch gut 30’000. So viele, wie in den grössten Fussballstadien des Landes Platz haben. Um die Schweiz im Ernstfall wirklich verteidigen zu können, reicht das nicht.
Ohne eine Erhöhung des Dienstalters sind höhere Armeebestände nicht realistisch.
Ohne eine Erhöhung des Dienstalters sind höhere Armeebestände nicht realistisch. Heute geben die ersten Soldaten ihre Waffen bereits vor 30 ab und damit über zehn Jahre früher als vor den grossen Armeereformen.
Um eine Antwort auf diese entscheidende Frage drücken sich Bundesrat und Parlament herum. Sicherheitspolitisch ehrlich ist die Erhöhung der Armeeausgaben aber erst, wenn auch Klarheit über den künftigen Armeebestand herrscht.
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