Kommentar zur Nachfolge des BundeskanzlersJetzt müssen die grünen Kräfte antreten
Das Bundeskanzleramt wäre für Grüne und GLP der ersehnte Weg ins Machtzentrum. Wer die Funktion geschickt ausübt, hat viel Einfluss.
Mächtiger achter Bundesrat oder bloss unbedeutender Sekretär der Regierung? Über die Rolle des Bundeskanzlers wird in den nächsten Monaten kontrovers diskutiert werden.
Denn der Rücktritt von Walter Thurnherr (Die Mitte) böte eine ideale Gelegenheit, um die erstarkten grünen Kräfte ins Machtzentrum einzubinden. Doch vorab die Grünen wollen sich nicht mit der zweiten Reihe zufriedengeben und dürften entsprechend den Gestaltungsspielraum des Kanzlers kleinreden («Sekretär»). (Mehr dazu: Jetzt beginnt das Gerangel um den Sitz des «achten Bundesrats»)
Für die Bundesratsparteien könnte Thurnherrs Rücktritt die Gelegenheit sein, Grüne oder GLP wenigstens ein bisschen an der Macht zu beteiligen. Sie dürften versucht sein, der Rolle maximale Kompetenzen zuzuschreiben («achter Bundesrat»), um den kleineren Parteien die «Regierungsbeteiligung light» schmackhaft zu machen. Mit dieser Begründung wurde zumindest die Mitte in der Vergangenheit für den Verlust ihres zweiten Bundesratssitzes entschädigt.
Der «achte Bundesrat» wird zur parteipolitischen Manövriermasse – das ist eine Chance für eine angemessenere Machtverteilung.
Auch wenn jetzt viele Strategen sagen, es gehe bei der Neubesetzung um die Persönlichkeit, nicht um die Partei: Tatsächlich wird die bevorstehende Bundeskanzler-Wahl politischer denn je. Bis jetzt teilten sich FDP und Mitte-Partei den Posten grossmehrheitlich auf; die Ernennungen verliefen meist geräuschlos. Doch heute wackelt die Zauberformel gefährlich, mehrere Parteien sind im Bundesrat übervertreten, dafür melden Grüne und GLP Ansprüche an. Der «achte Bundesrat» wird dadurch zur parteipolitischen Manövriermasse.
Das ist eine willkommene Chance in der verfahrenen Situation um die Machtverteilung im Gremium: Grüne und GLP werden bei den Gesamterneuerungswahlen im Dezember den Sprung in die Regierung kaum schaffen – mit dem Kanzlerposten erhielte dieses Lager Gelegenheit, sich an zentraler Stelle einzubringen und zu bewähren.
Denn ein «Regierungssekretär» ist der Kanzler mitnichten: Hat die Kandidatin oder der Kandidat profunde Kenntnisse der Verwaltung und der Dossiers, wie es Walter Thurnherr hatte, dann wird diese Person eine entscheidende politische Rolle spielen und sich beratend, gestaltend, vermittelnd an höchster Stelle einbringen können. Gerade in einer Zeit, in der die interdepartementale Zusammenarbeit immer wichtiger wird, kann eine solche Scharnierfunktion bei geschickter Ausübung eine essenzielle Wirkung entfalten.
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