Team-WM in Prag«Etwas Vergleichbares habe ich nie erlebt»
Die Schweizer Equipe von Captain Heinz Günthardt wird beim 0:2 im Final der Team-WM in Prag von Russland ausgetrickst.
Heinz Günthardt (62) hat in seinen über 50 Jahren im Tennis viel erlebt. Aber das, was vor dem Final der Team-WM gegen Russland am Samstag in Prag geschah, traf ihn völlig unvorbereitet: Die Russen erklärten Minuten vor Finalbeginn ihre Teamleaderin Anastasia Pawljutschenkowa (WTA 12) für spielunfähig. Und so traf Bencic nicht auf Russlands Nummer 1, sondern auf deren Ersatz Liudmilla Samsonowa, gegen die sie 2021 schon zweimal verloren hatte.
«Ich habe noch nie etwas Vergleichbares erlebt und wusste nicht einmal, dass eine Regel existiert, dank der man die Aufstellung manipulieren und die Nummer 1 durch die Nummer 5 ersetzen kann», sagte Günthardt. «Das hat uns komplett aus der Spur gebracht. Belinda hatte sich auf eine Partie gegen Pawljutschenkowa oder Kasatkina vorbereitet – und dann war alles ganz anders.»
Es wurde ein frustrierendes Endspiel am Billie-Jean-King-Cup für die Schweizerinnen, die vor 23 Jahren schon ihren bisher einzigen Final der Team-WM – in Genf gegen Spanien – verloren hatten. Jil Teichmann (WTA 39) unterlag im Startspiel der 11 Ränge besser klassierten Daria Kasatkina 2:6, 4:6, dann konnte Bencic ihre dritte Niederlage gegen die 22-jährige Samsonowa (WTA 40) nicht verhindern und unterlag nach 2:22 Stunden 6:3, 3:6, 4:6. Das wars.
Hätte das Team von Igor Andrejew Pawljutschenkowa früher ausgewechselt, wäre Samsonowa als Nummer 2 ins Team gerückt und hätte gegen Teichmann spielen müssen, gegen die sie die bisherigen zwei Duelle verloren hat.
Tränen statt Triumph
Der russische Trick ging voll auf. Samsonowa, eine 1,80 m grosse Powerspielerin, hat sich in dieser Saison von Rang 127 auf 40 verbessert und spielte mit jugendlicher Unbekümmertheit. Zweifellos hätte Bencic gegen Pawljutschenkowa, gegen die sie im direkten Vergleich 5:2 führt, das leichtere Spiel gehabt. Die Olympiasiegerin kämpfte ebenso verbissen wie erfolglos, vor allem bei den entscheidenden Punkten der Sätze 2 und 3.
So endete der Abend für die Schweizerinnen statt im Triumph in Tränen. «Ich liess mein Herz auf dem Platz und hätte gewünscht, dass es anders läuft», sagte Bencic. Sie gab sich kämpferisch: «Ich glaube an den Sport und dass er dir etwas zurückgibt. Wir werden es wieder und wieder versuchen, bis wir es schaffen.» Auch sie verdächtigte die Russinnen: «Wenn sie jetzt noch in den Spiegel schauen und sagen können, wir haben gewonnen – dann Gratulation.»
Teichmann hielt mit ihrer Meinung zum fünften Titelgewinn der Russinnen (nach 2004/05/07/08) ebenfalls nicht zurück: «Mit meinem Match hatte das zwar nichts zu tun. Aber ich finde es ziemlich dreckig, was sie gemacht haben.»
«Grosses Verletzungspech – oder Betrug»
Günthardt erklärte die Unsinnigkeit der Regel, eine Spielerin im (durchaus möglichen) Verletzungsfall durch eine Ersatzfrau auswechseln zu können: «Die wurde gemacht, als die Begegnungen noch über fünf Partien liefen, und muss abgeschafft werden. Logisch wäre, dass die Nummer 2 aufrückt, sollte die Nummer 1 ausfallen.»
Der offensichtliche Verdacht, dass manipuliert wurde, überschatte eine schöne Wettkampfwoche. Günthardt: «Es ist, wie wenn ein Team mit einer Schwalbe einen Penalty herausholt. Entweder hatte Pawljutschenkowa grosses Verletzungspech – oder es war Betrug.»
Russland weigert sich, in Weiss zu spielen
Das russische Geplänkel hatte schon vor der Partie begonnen mit der Weigerung, auf die roten Shirts zu verzichten – obwohl das Team in der Woche schon in Weiss gespielt hatte. Die Schweizerinnen hatten gar keine weissen Leibchen dabei. Schliesslich spielten beide Teams in Rot, doch die erste Aufregung war gegeben.
Für die Schweiz ist es vorerst ein schwacher Trost, dass sie wie Russland bereits für das Finalturnier 2022 qualifiziert ist, während neun Teams sich erst noch in einem Playoff durchsetzen müssen. Qualifiziert sind dank einer Wildcard auch die Gastgeberinnen, wobei diese noch nicht feststehen.
Die Niederlage dürfte das Schweizer Team noch mehr zusammenschweissen. «Ob wir zurückkommen werden? Auf jeden Fall», sagte Günthardt. «Die Männer holten den Davis-Cup, und wir wollen diesen Cup unbedingt. Wir haben hier auch nicht versagt, sondern das Maximum herausgeholt.»
Teichmann: «Das war ziemlich dreckig»
Sie sei sehr enttäuscht und mit ihrer Leistung nicht glücklich, sagte Jil Teichmann an der Medienkonferenz. «Kasatkina ist eine sehr solide und komplette Spielerin.» Auf die Auswechslung von Pawljutschenkowa angesprochen, hielt Teichmann mit ihrer Kritik nicht zurück. «Mit meinem Match hatte das nichts zu tun. Aber zehn Minuten, bevor wir auf den Platz gingen, hiess es plötzlich, dass Samsonowa gegen Belinda spielen wird. Diese Regel gibt es, aber man müsste sie anpassen.» Dann sagte die Bielerin sogar: «Ich finde es ziemlich dreckig, was sie gemacht haben. Von aussen betrachtet muss man sagen: Was soll das?» Sie sei überzeugt, dass Bencic nun gewinnen werde.
Bencic schlägt zurück
Das war wichtig: Bencic schnappt sich das vierte Game, holt sich das Break zurück und geht 3:2 in Führung.
Bencic wird früh gebreakt
Bencic steht schon im zweiten Aufschlaggame drei Breakbällen gegenüber. Und ist beim dritten machtlos.
Die Russin hält – 1:1
Die 1,80 m grosse Russin aus Olenegorsk zieht ihre Schläge voll durch und bringt das erste Game ebenfalls durch.
Bencic ist sogleich gefordert
Belinda Bencic verliert die ersten zwei Punkte der Partie, lässt sich vom 0:30 aber nicht beeindrucken und holt die nächsten vier Punkte zur wichtigen 1:0-Führung.
Wiederholung des Berlin-Finals
Belinda Bencic (WTA 17) ist zwar favorisiert gegen Liudmilla Samsonowa (40), hat aber beide bisherigen Begegnungen verloren. Im Endspiel des Rasenturniers hatte sie den ersten Satz noch gewonnen, ihren 5. Titel aber mit 6:1, 1:6, 3:6 ihren fünften Titel verpasst. Die zweite Begegnung verlor Bencic Mitte September im Viertelfinal in Luxemburg gleich 1:6, 4:6.
2:6. 4:6 – Schweiz liegt 0:1 zurück
Nach 78 Minuten ist die Startpartie vorbei. Teichmann schlägt ihre letzte Vorhand weit ins Aus, verliert erstmals in diesem Wettbewerb und muss der 24-jährigen Russin zum Sieg gratulieren. Entscheidend war der Fehlstart, der die Gegnerin aufbaute. Teichmann konnte sich zwar im zweiten Durchgang fangen, bis 3:3 mithalten und das Break zum 3:4 zurückholen. Ihr unterliefen in den 78 Minuten 31 unerzwungene Fehler – gegenüber 13 der Gegnerin. «Der Beginn war enorm wichtig», sagte auch Kasatkina mit bebender Stimme, nachdem sie von ihrem Team ausgiebig gefeiert worden war.
Jetzt ist Belinda Bencic gefordert. Die St. Gallerin trifft in einigen Minuten auf die 22-jährige Liudmilla Samsonowa (WTA 40), gegen die sie in diesem Jahr zweimal verloren hat und die auf fragwürdige Art für Anastasia Pawljutschenkowa ins russische Team eingewechselt worden ist (siehe früheren Eintrag). Eine weitere Niederlage darf sich die Schweiz nicht leisten, sonst hat sie auch ihren zweiten Final (nach 1998) verloren.
Kasatkina schlägt zum Sieg auf
Kasatkina meldet sich aber rasch zurück, verschafft sich gleich wieder zwei Breakbälle. Den zweiten packt sie und kann nun zum Matchgewinn servieren.
Das Rebreak – fast aus heiterem Himmel
Kasatkina zeigt erstmals Schwächen. Sie vergibt im achten Game eine 40:15-Führung und kann gegen die Schweizer Linkshänderin das Break nicht verhindern. Spürt die junge Russin ihre Nerven?
Teichmann auch im 2. Satz gebreakt
Das musste nicht sein: Teichmann verliert das 7. Game, das sie so gut begonnen hat und in dem sie zu einem Gameball gekommen ist. Nun braucht sie selber dringend ein Break.
3:3 – die Luft wird dünner
Kasatkina zeigt, warum sie schon bis auf Rang 10 vorstossen und 7,5 Milionen Dollar Preisgeld gewinnen konnte. Obwohl ihr Teichmann jetzt mehr abfordert, schafft sie das 3:3. Eine Stunde ist gespielt, es steht 2:6, 3:3.
Teichmann übersteht heikle Phase – 3:2
Im fünften Game gerät Teichmann aber wieder in Bedrängnis. Sie verspielt ein 30:15, muss einen Breakball abwehren. Das schafft sie und geht 3:2 in Führung. Das dürfte ihr Vertrauen geben.
Der Start im 2. Satz glückt
Teichmann hält ihr erstes Game im zweiten Durchgang souverän, führt 1:0. Hat sie sich gefunden? Sie bringt auch ihr zweites Aufschlagspiel durch, geht 2:1 in Führung. Sie spielt jetzt präziser, hat die Zahl der Winner erhöht und leistet sich weniger unerzwungene Fehler. Da liegt noch alles drin.
Ein Satz zum Vergessen
Nach 30 Minuten ist der Satz weg. Zum 2:6 hat Teichmann viermal mehr unerzwungene Fehler beigetragen – 16:4. Da musste Kasatkina nicht einmal viel riskieren, um Game um Game zu buchen. Die Stimmung im Schweizer Team wirkt angespannt, sogar frustriert, Heinz Günthardt hat tiefe Sorgenfalten im Gesicht. Teichmann verlässt das Stadion, sie muss sich neu sammeln.
Teichmann breakt und verkürzt – 2:5
Teichmann kommt im sechsten Game zu zwei Breakchancen, Die zweite packt sie, womit sie nach 24 Minuten auch auf der Resultattafel erscheint. Anschliessend bringt sie erstmals auch ein Servicegame durch.
0:5 nach 19 Minuten
Nun ist der Fehlstart komplett. Teichmann gibt ihr zweites Game fast widerstandslos mit einem Doppelfehler ab und liegt nach 14 Minuten 0:4 und nach 19 Minuten 0:5 zurück.
Teichmann wird gleich gebreakt
Ernüchternder Auftakt für Jil Teichmann: Sie wird im ersten Game von Daria Kasatkina ohne Punktgewinn gebreakt. Die Bielerin verliert auch das zweite Game, sie hat ihren Rhythmus noch überhaupt nicht gefunden und steht auch im dritten Game zwei Breakbällen gegenüber.
Russland mit taktischer Trickserei
Die kurzfristige Auswechslung von Pawljutschenkowa (WTA 12) ist anrüchig. Denn hätten die Russinen ihre Nummer 1 schon vor der offiziellen Nominierung aus dem Team genommen, wäre Daria Kasatkina zur Nummer 1 aufgerückt und hätte damit gegen Bencic gespielt. Mit diesem Winkelzug spielt nun die schlechter klassierte Liudmilla Samsonowa gegen Bencic – und nicht gegen Teichmann, gegen die sie beide bisherigen Duelle verloren hat.
Brisant daran ist, dass Bencic dieses Jahr gegen die 22-Jährige Samsonowa zweimal verloren hat, zuerst in Berlin, dann in Luxemburg. Das sehe klar nach einer Trickserei aus, kommentierte Patty Schnyder am Schweizer Fernsehen. Wie sollte man auch erklären, dass Pawljutschenkowas Verletzung erst dreissig Minuten vor Start der Begegnung so schlimm wurde, dass Russlands erfahrener Captain Igor Andrejew sie für spielunfähig erklären musste? Da beruhigt auch nicht, dass sie sich durch einen neutralen Arzt untersuchen lassen muss.
Russlands Nummer 1 fällt aus
Im zweiten Einzel trifft Belinda Bencic (17) nicht wie noch vor einigen Minuten gemeldet auf Anastasia Pawljutschenkowa (12): Russlands Nummer 1 wurde wegen einer Verletzung des linken Knies durch die junge Liudmila Samsonova ersetzt. Die 22-Jährige verbesserte sich dieses Jahr von Rang 127 auf 40 und glänzte im Halbfinal mit einem Sieg über Sloane Stephens. Müsste beim Stand von 1:1 das Doppel entscheiden, könnten die Teams kurzfristig zusammengestellt werden.
Teichmann eröffnet gegen Kasatkina
Von diesem Moment hat das Team von Heinz Günthardt schon lange geträumt – einmal den Fed-Cup zu gewinnen, der inzwischen Billie-Jean-King-Cup heisst und den Zusatz «World Cup of Tennis» (Tennis-WM) trägt. Der Captain vergleicht dieses Ziel mit einer Reise auf den Mount Everest. Nun ist der Gipfel nur noch zwei Siege entfernt. Im ersten Einzel kommt es zum Duell zwischen den 24-jährigen Jil Teichmann (WTA 39) und Daria Kasatkina (28), die sich bisher noch nie gegenübergestanden sind.
Fehler gefunden?Jetzt melden.