Trainerduo Von ArxDie einstigen Stars landeten in der Drittklassigkeit – und der Job erfüllt sie
Jan und Reto von Arx wurden in Davos zu Eishockey-Legenden. Nun wollen sie als gleichberechtigte Coaches beim EHC Chur hohe Ziele erreichen – wie immer gemeinsam.
Die Von-Arx-Brüder gibt es auch mit 47 (Reto) und 45 nach wie vor nur im Duo. Das war schon 1995 so, als sie als Teenager aus dem beschaulichen Emmental ins nicht minder ruhige Landwassertal nach Davos wechselten. Ein Club in einer Grossstadt kam für ihre Eltern nicht infrage – sie befürchteten Halligalli, wie es Reto einst umschrieb.
26 Jahre und zwei grosse Karrieren mit sechs Meistertiteln in Davos später war vieles gleich. Die erste Anfrage des EHC Chur im Sommer ging zwar an Jan von Arx. Und ein wenig Halligalli hatte der Club ebenfalls hinter sich, allerdings der negativen Art. Noch während der Phase der Testspiele beendeten der EHC und Tomas Tamfal ihre Zusammenarbeit, nachdem Trainer und Mannschaft nicht mehr miteinander klargekommen waren. Chur war also in einem sehr ungewöhnlichen Moment auf der Suche nach einem neuen Headcoach.
Jan von Arx war interessiert, allerdings nur zusammen mit Reto. Es wurde sogar ein Trio, da Tamfals Assistent Björn Gerhard an Bord blieb. Die Brüder wurden nicht müde, zu betonen, dass es sich um ein gleichberechtigtes Trainerteam handle. Und um bei den Spielen die Tücken des offiziellen Matchblatts zu umgehen, wo jeweils nur einer als Headcoach notiert werden kann, rotierten dort halt die drei Namen.
Gerhard ist immer noch im Club, aber mittlerweile nicht mehr im Trainerteam, doch das Spielchen ist geblieben: Mal ist Jan von Arx als Headcoach genannt, mal Reto. «Wir teilen uns die Aufgaben beim Coaching auf, auch wenn es Überschneidungen gibt», sagt Jan. Er als früherer Verteidiger ist eher auf die defensiven Aspekte und das Spiel ohne Scheibe fokussiert, Reto als ehemaliger Mittelstürmer auf die offensiven Bereiche inklusive Powerplay.
Die Fragen nach dem Chef und den höheren Ambitionen
Aber wer ist nun der Chef? Es ist eine der häufigsten Fragen geblieben, die den beiden in Interviews gestellt werden. Eine der ersten Antworten, von denen es seither ähnliche Varianten gibt, kam 2021 von Jan von Arx und lautete so: «Es ist interessant, dass die Leute unbedingt einen Chef sehen wollen. Wir sind alle drei Chefs, und gleichzeitig ist keiner Chef.»
Eine andere Frage, bei der man bei den beiden auf Granit beisst: Hatten sie keine höheren Ambitionen als die drittklassige MyHockey League? Schliesslich geisterten ihre Namen bereits 2019 in Davos herum. Damals suchte der HCD den definitiven Nachfolger Arno Del Curtos und fand ihn in Christian Wohlwend. Eine Lösung mit von Arx und von Arx war wohl mehr Romantik und Wunschdenken bei den HCD-Fans gewesen, die ihre langjährigen Idole gerne in neuer Funktion im Club gesehen hätten.
Für die beiden war das kein ernsthaftes Thema. Es sei zwar eine hypothetische Frage, und hypothetische Fragen beantworte er wirklich nur ungern, sagt Reto von Arx. Aber wahrscheinlich wäre er 2019, vier Jahre nach dem (natürlich gemeinsamen) Rücktritt noch nicht bereit gewesen für so einen Job. Im Idealfall führe auch die Arbeit in Chur irgendwann zur Betreuung eines Profiteams, sagte Jan von Arx bereits im ersten Jahr.
Jenes war nicht unerwartet schwierig, Chur verpasste das Playoff. Seither wurde die Mannschaft umgebaut, es sind nur noch sechs Spieler von damals im Kader. «Wir hatten von Anfang an das Ziel, uns Jahr für Jahr zu verbessern», sagt Reto von Arx, «wir holten Spieler, die zu unserem Weg und unserem System passen.» Es finden sich viele Junge in der Mannschaft, der Grossteil ist 24 oder jünger. Es sind aber auch Spieler darunter, die schon ein wenig in der höchsten Liga schnuppern durften, sowie mit Simon Lüthi ein Routinier mit der Erfahrung von 498 Spielen in der National League. Das immense Netzwerk der beiden Brüder war bei diversen Transfers hilfreich.
Die Kehrseite, und das war eine von vielen neuen Erfahrungen für das Trainerduo, waren die vielen Trennungen von Spielern. «Das war nicht angenehm», gesteht Reto von Arx. «Wenn du eine Saison zusammen verbringst und es nicht mehr weitergeht, ist das keine schöne Sache.» Denn von Anfang an betonten beide stets, wie sie unabhängig der Resultate das Herzblut der Spieler begeistere – Spieler, die im Gegensatz zu den beiden früher Amateure sind, einer geregelten Arbeit nachgehen und trotzdem mit Freude fünf Abende in der Woche für Trainings und Spiele opfern.
Die zunächst zu grossen Erwartungshaltungen zu drosseln, die Spieler auf diesem Level nicht zu überfordern, war auch etwas, das beide lernen mussten. «Wir können nicht von ihnen erwarten, immer besser zu werden, ohne selber lernfähig zu sein», sagt Jan von Arx. Und damit sei auch die Frage nach den höheren Ambitionen beantwortet: «Die Arbeit hier gefällt uns, sie erfüllt uns.» Dass dies nicht bloss Worte sind, zeigt ihre kürzliche Vertragsverlängerung um zwei weitere Jahre.
Der Rückzieher im letzten Moment
Letzte Saison wurde Chur Zweiter, scheiterte aber bereits im Viertelfinal. Die Mannschaft hatte das Playoff unter speziellen Umständen in Angriff genommen. Erst kurz vorher hatte sich der EHC entschieden, den Aufstieg nicht anzustreben, was für die Spieler einem unerwarteten Tiefschlag gleichkam. «Entsprechend war die Luft draussen», sagt Reto von Arx. Der Entscheid ergab wohl dennoch Sinn, finanziell und von den ganzen Strukturen innerhalb des Clubs her wäre die Promotion zu einem zu riskanten Unterfangen geworden.
Der Club gibt zwar kein offizielles Budget bekannt. Der Mehraufwand für eine Saison in der zweithöchsten Liga, wo das Kader mit zwei Ausländern verstärkt werden darf und im Spielbetrieb diverse Auflagen erfüllt werden müssen, kann aber mit rund einer Million Franken beziffert werden. Beim EHC ist man zuversichtlich, den Kraftakt diesmal dank mittlerweile veränderten Clubstrukturen und vermehrten Sponsoringeinnahmen stemmen zu können.
Das Aufstiegsgesuch ist eingereicht, auch wenn man um all die Probleme der zweithöchsten Swiss League weiss. Einer Liga, die seit Corona und den Aufstiegen Ajoies und Klotens von der National League noch mehr abgehängt wurde und deren Zukunft in vieler Hinsicht unklar ist. Was in Chur aber klar ist: Der EHC will bei gelungener Promotion kein Partnerteam eines NL-Clubs werden, sondern eigenständig bleiben.
Und die Chancen für den Aufstieg stehen gut. Chur ist drei Runden vor Schluss der Qualifikation Leader. Und weil sich nur die Bündner für den Aufstieg beworben haben, reicht dafür, eine Playoff-Runde zu gewinnen, der Titel ist keine Voraussetzung. «So schauen wir das aber sicher nicht an», sagt Jan von Arx. Die Ambitionen der beiden sind höher. Das Team hat in 29 Spielen 27-mal gepunktet, der Gegentorschnitt liegt deutlich unter zwei. Chur scheint bereit. Für den Aufstieg. Und für mehr.
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