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«Wir waren wirklich schlechte Verlierer»

Einer der sechs Titel: Reto von Arx bei der Meisterfeier 2011 in Davos.

Die Mannschaft des HC Davos, die von 2002 bis 2015 sechs Meistertitel gewann, galt im Schweizer Eishockey als «Playoff-Monster». Aus einem mehrköpfigen, langjährigen Kern von Führungsspielern ragte vor allem einer heraus: Reto von Arx. Der heute 43-jährige Emmentaler darf als der Schweizer Playoff-Spieler seiner Generation bezeichnet werden. Davon zeugen auch zwei weitere Final-Teilnahmen, 191 Playoff-Partien und gleich drei erzielte Meistertore. 2015 trat von Arx zurück, bis vor kurzem war er als Assistenztrainer der Schweizer U-20-Nationalmannschaft tätig, zuvor betreute er auch Teams in tieferen Altersstufen sowie die A-Nationalmannschaft in gleicher Funktion.

Wegen des Coronavirus müssen die Spieler zweieinhalb Wochen warten, bis das Playoff losgeht. Was löst das in einem Team aus, wenn diese Nachricht es mitten in diesem Gefühl von Anspannung, Kribbeln und Vorfreude erreicht?

Die Spieler sind nun im Stand-by-Modus, das ist jetzt die Herausforderung. Jene, die die Zeit am besten überbrücken und sich mental auf die Situation einstellen, werden in der ersten Runde einen grossen Vorteil haben. Am besten fährst du jetzt, wenn du gut trainierst, ohne mental schon im Playoff-Modus zu sein.

Der Titel nach dem Final gegen den Lieblingsgegner Bern: Reto von Arx mit dem Pokal 2007 (Bild Arno Balzarini/Keystone)

Geisterspiele bleiben eine Option. Sie haben früher zumindest Testspiele erlebt, die praktisch ohne Zuschauer stattfanden. Wie war das?

Schwierig. Ich spielte am liebsten in vollen Stadien, gerade im Playoff. Und am liebsten in Bern. Bei Bern - Davos war das Stadion immer voll, die Halle bebte, du liefst vor der riesigen Fan-Wand aufs Feld. Darum kann ich mir Spiele ohne Fans nur schwer vorstellen. Das ist nicht das Eishockey, das die Spieler lieben.

Sie erlebten beide Extreme: In Davos waren Sie meist der Spieler mit dem meisten Support. Auswärts, gerade in Bern, wurden nur wenige derart beschimpft und ausgepfiffen. Da wünschten Sie sich nicht hin und wieder Spiele ohne Fans?

Nein, nie. Das waren die schönsten Spiele. Ich nahm das nie persönlich. Auch wenn 16'000 gegen dich sind, kann das einer Mannschaft Kraft geben. Wenn du in solchen Momenten als Team zusammenstehen und diese Energie im Stadion für dich nutzen kannst, ist es immer noch einfacher, als wenn die Halle leer wäre.

Ich spielte am liebsten in Bern. Bei Bern - Davos war das Stadion immer voll, die Halle bebte. Ich nahm die Beschimpfungen nie persönlich. Auch wenn 16'000 gegen dich sind, kann das einer Mannschaft Kraft geben.

Reto von Arx

Ein Titel ohne Playoff. Das ist für den ZSC als Qualifikationssieger immer noch möglich …

Ich glaube nicht, dass das ein Titel wäre, über den sich ein Spieler freuen würde. Die Zürcher haben ja schon klar geäussert, dass sie so nicht Meister werden wollen. Das Schöne an einem Titel ist der ganze Weg mit den drei Playoff-Serien, die alle ihre eigene Geschichte haben und das Team noch mehr zusammenschweissen. Nach einem Titel bist du stolz, dass du als Team diesen Weg gemeinsam gehen konntest.

Immer häufiger kommen auch Mentaltrainer zum Einsatz, gerade im Playoff. Sie selbst hatten nie einen. An wen wandten Sie sich bei Zweifeln?

Ich liess nur sehr selten Zweifel zu. Im Playoff geht es Schlag auf Schlag, Spiele am Dienstag, Donnerstag, Samstag. Ich versuchte, nie zu hoch zu fliegen und nie zu tief zu fallen, egal, was passiert war. Im Playoff musst du den letzten Match abhaken, egal, ob er gut oder schlecht war.

Der letzte Titel: Reto von Arx mit Dino Wieser nach dem Finalsieg 2015 gegen die ZSC Lions. (Bild: Gian Ehrenzeller/Keystone)

Sie erlebten mit Davos innert zwei Jahren zwei Extreme eines Meister-Runs. 2009 ging es über die maximale Länge von 21 Spielen mit Spielen im 2-Tages-Rhythmus während rund sieben Wochen. 2011 qualifizierten Sie sich mit zwei 4:0-Siegen für den Final und mussten zwei Mal zwischen den Serien zehn Tage pausieren. Welches war mental die grössere Herausforderung?

In beiden Fällen war wichtig, dass wir uns nicht von aussen beirren liessen. Dass wir uns abkapseln konnten und wussten, was wir tun müssen. 2009 sagten die Leute schon im Halbfinal, wir seien müde – wir fanden dennoch Wege zum Sieg. 2011 hiess es, wie schwierig es sei, die 10 Tage zwischen den Serien zu überbrücken. Wir hatten aber die Erfahrung und mehrere Spieler, die schon sehr viele Playoff-Partien bestritten hatten. Wir wussten, wie mit dieser Situation umzugehen ist, wann wir den Motor runterfahren konnten und wann wir bereit sein mussten.

Der Meistertitel 2009 ist auch eng mit einem Lied verbunden. Während sieben Wochen dröhnte «Human» der US-Band The Killers fast ununterbrochen aus der Davoser Garderobe. Welche Bedeutung hat ein Playoff-Lied für ein Team?

Jeder von damals hat bis heute ein Lächeln im Gesicht, sobald er dieses Lied hört. Es löst ein gutes Gefühl aus und hat eine gute Verbindung. Es begleitete uns auf dem ganzen Weg, führte uns am Ende zum Meistertitel. Es hatte einen Boost-Effekt: Sobald das Lied erklang, waren wir sofort wieder in Playoff-Stimmung. Das sind diese kleinen Dinge, die es im Playoff braucht, damit gleich alle wissen: Jetzt müssen wir wieder zusammenstehen.

Wählt man das Lied demokratisch aus oder entscheidet der DJ? Der heutige Lausanner Robin Grossmann war damals für die Musik zuständig.

Wir hatten nicht in jedem Playoff ein Lied. Wir waren kein abergläubisches Team. Wir hörten aber dieses Lied einmal vor und nach einem Sieg, dann war es «gebucht».

Tristan Scherwey oder Simon Moser sind typische Playoff-Spieler, die ich bewundere. Ich finde es schade, sind sie diesmal nicht dabei.

Reto von Arx

Für Playoff-Erfolge braucht es diverse Faktoren. Davos war in der Phase mit den sechs Titeln bekannt als Team mit dem Kern von Führungsspielern sowie als Ansammlung schlechter Verlierer, das ein Image als böse und unbeliebt hatte und pflegte.

Diese Frage habe ich mir nach dem Rücktritt öfter gestellt als damals. Wir waren wirklich schlechte Verlierer. Das hilft. Ich habe viele solche Spieler erlebt. Sie haben Vorteile, weil sie alles investieren, um zu gewinnen. Ich mag solche Spieler. Gewinnen ist eben auch eine Gewohnheit. Genauso wie das Verlieren. Gerade ein Best of 7 wird auch im Kopf entschieden. Da hast du bei Niederlagen als schlechter Verlierer noch ein Zeichen gesetzt am Ende des Spiels. Das war nichts Schönes und regte viele Leute auf. Aber unsere Gegner wussten dann: Wir werden im nächsten Match bereit sein. Das sind kleine Zeichen, die in einer Serie, in der du bis zu siebenmal gegen den selben Gegner spielst, grosses Gewicht haben können.

Gewinnt im Playoff also oft der Böse? Das war zum Beispiel schon 1998 mit Zug so und traf nachher auch auf Berner Champion-Teams zu …

Auch Bern hat diese Spieler. Tristan Scherwey oder Simon Moser sind für mich typische Playoff-Spieler, die ich bewundere. Ich finde es darum schade, sind sie diesmal nicht dabei. Sie verkörpern für mich Playoff-Hockey. Sie haben diesen «Grit», diesen Biss, den es braucht, um dem Gegner den Schneid abzukaufen.

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Der Tamedia-Hockey-Podcast «Eisbrecher»

Dieses Interview entstand im Rahmen des 11. Teils des Tamedia-Podcast «Eisbrecher». Der ganze Podcast mit Reto von Arx kann hier gehört werden:

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Das Tamedia-Eishockeyteam blickt im «Eisbrecher» regelmässig in längeren Gesprächen mit Persönlichkeiten aus diesem Sport hinter die Kulissen. Dabei lösen wir uns von der Aktualität, besprechen mit den Gesprächspartnern die Themen, die sie wirklich beschäftigen. Der Podcast ist auch auf Spotify sowie auf Apple Podcast zu hören.

Und hier können alle bereits publizierten Folgen gehört werden: