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TV-Kritik «Tatort»
Ja, sind wir hier bei Harry Potter?

Sehen so Mörder aus? Am Ende glaubt Frank Thiel (Axel Prahl) selbst, dass er einen Ex-Polizisten umgebracht hat.
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Frank Thiel, der brave und stets korrekte Polizist, soll ein Mörder sein? Das glaubt niemand, auch das Fernsehpublikum nicht. Und doch zieht sich die Schlinge der Ermittlungen immer mehr um ihn zu.

Drehbuchautor Thorsten Wettcke hat sich tatsächlich etwas Besonderes einfallen lassen für das Duo Thiel und Boerne, das ein doppeltes Jubiläum feiert: Vor 20 Jahren haben die beiden am «Tatort» zu ermitteln begonnen und sich mit kraftvoller Figurenzeichnung und Blödeleien zum erfolgreichsten Duo der Reihe entwickelt. Es ist ihr 40. Fall, er trägt den Titel «Des Teufels langer Atem».

Polizist transportiert Drogen in Suppendose

Langer Atem? Frank Thiel (Axel Prahl) geht es von der ersten Sekunde an schlecht. Er ist plötzlich im Besitz eines Plüsch-Koalas, von dem er keine Ahnung hat, wo er herkommt. Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) präsentiert ihm eine Dose Erbsensuppe, in der Thiel ganz offensichtlich Drogen transportiert hat. Später finden die beiden unter Hypnose heraus, dass das Wildschwein ein Krafttier für den angeschlagenen Beamten ist.

Das erinnert ein wenig an Harry Potter, ist aber noch lange nicht alles: Bei Thiels stets präsentem «Vadderchen» wird ein Gehirntumor konstatiert. Die Ärztin, die den Vater behandelt, ist gleichzeitig die Tochter eines kriminellen Polizisten aus Hamburg, den Thiel einst ins Gefängnis gebracht hatte. Und dieser Polizist liegt nun tot im Wald, wobei die Münsteraner Kommissare ganz zufällig auch da vorbeikommen.

Der selbstherrliche Boerne (Jan Josef Liefers) bringt Schokolade in die Pathologie. Aber wirklich beschwichtigen kann er seine Assistentin (Christine Urspruch, links) und seine Ex-Schülerin (Judith Goldberg) nicht.

Zu viel? Am Anfang sieht es danach aus. Doch Boerne selbst hält ein Napoleon-Zitat bereit, das er vollmundig rausposaunt: «Der Zufall ist der einzige legitime Herrscher des Universums.» Und Regisseurin Francis Meletzky gelingt es tatsächlich, die Fäden zu entwirren und in eine Geschichte zu verweben, die einen packt. Ausserdem hat sie mit Kamerafrau Bella Halben eine Bildsprache entwickelt, die Halluzination stimmig auf den Bildschirm bringt.

Eine gewisse Substanz hat nachgeholfen

Ja, am Ende ist alles Rausch und Rauch, das hätte man schon bei den Titeln zu Beginn merken können, die davonfliegen wie Wolken. Die Lösung liegt in einer Substanz namens Scopolamin, die die Erinnerung raubt und willfährig macht. Ob das so stimmt, kann mit einer Internetrecherche nicht vollständig überprüft werden. Aber es spielt letztlich keine Rolle.

Wichtig ist, dass der in letzter Zeit oft verstaubt daherkommende «Tatort» aus Münster tatsächlich neue Impulse bekommen hat, ohne seine Wurzeln zu verleugnen. Nicht nur Thiel und Boerne – halt die Klappe mit deinen Sprüchen! – sind darin prägnant. Auch die andern bekommen ihre Zeit: die Staatsanwältin mit der Zigarette und der tiefen Stimme, die kleinwüchsige Gerichtsmedizinerin, der gemütliche Assistent. Es gibt sogar neue Figuren. Teamarbeit eben.

Am Ende sind Thiel und Boerne aber allein. Sie duzen sich gar, und das nach zwanzig Jahren! Wetten, die beiden werden das zu Beginn der nächsten Folge wieder vergessen haben?