Kalium statt NatriumIst «Blutdrucksalz» gesünder als normales Salz?
Sie sollen den Blutdruck weniger in die Höhe treiben und das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall senken: Halten sogenannte Blutdrucksalze wirklich, was sie versprechen? Ein Experte ordnet ein.
Dass Salz den Blutdruck ungünstig beeinflusst, ist schon lange bekannt: Natriumchlorid, woraus Salz grösstenteils besteht, bindet Wasser und erhöht dadurch das Flüssigkeitsvolumen im Körper – der Druck auf die Blutgefässe steigt, das Herz muss mehr pumpen. Für Menschen mit einer Herz-Kreislauf-Schwäche eine zusätzliche und unnötige Belastung.
Dennoch essen Herr und Frau Schweizer immer noch zu viel Salz: Täglich gut neun Gramm, wie eine Studie ergeben hat. Das ist fast doppelt so viel wie die fünf Gramm, die die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfehlen. Viele Gerichte schmecken halt einfach besser mit einer Prise Salz.
Die Idee der Blutdrucksalze: Kalium statt Natrium
Da trifft es sich gut, dass es jetzt zunehmend auch in der Schweiz sogenannte Blutdrucksalze zu kaufen gibt. Ausgerechnet Salz soll den Blutdruck normalisieren? Was erst einmal paradox klingt, scheint durchaus Sinn zu machen: Diese Spezialsalze enthalten bis zu 50 Prozent weniger Natrium, sind dafür aber mit Kalium angereichert. Dieser Nährstoff, der auch in Obst, Gemüse und Nüssen vorkommt, spielt wie das Natrium eine wichtige Rolle bei der Regulation des Blutdrucks – nur andersrum: Kalium senkt ihn.
Der Ursprung solcher Spezialsalze ist im Ausland zu suchen. In China und Peru haben sich vor einigen Jahren Forschende gesagt: «Wenn die Menschen nicht an ihren Essgewohnheiten drehen wollen, dann müssen wir am Salz selbst etwas ändern.» Sie reduzierten das Natrium um 25 Prozent und gaben im Gegenzug dem Salz blutdrucksenkendes Kalium hinzu.
Weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle
Besonders die chinesische Forschungsgruppe sorgte damit für Aufsehen: Während fünf Jahren untersuchte sie rund 21’000 Menschen; alle waren mindestens 60 Jahre alt und wiesen einen erhöhten Blutdruck auf – oder aber sie waren jünger und hatten bereits einen Schlaganfall erlitten. Die eine Hälfte der Probanden konsumierte normales Kochsalz wie zuvor, die andere Hälfte eines, in dem ein Viertel des Natriums mit Kalium ersetzt worden war.
Ergebnis der grossangelegten Studie, die letztes Jahr im «New England Journal of Medicine» publiziert wurde: Das natriumarme und kaliumreiche Spezialsalz reduzierte das Sterberisiko um 12 Prozent, das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls sank demnach um 13 Prozent.
Trotz dieser deutlichen Aussage: Einfach auf die Schweiz übertragen lasse sich die chinesische Untersuchung nicht, sagt Franz Messerli, emeritierter Professor für Kardiologie am Inselspital in Bern. Die positiven Daten aus China führe er vor allem darauf zurück, dass die dortige Bevölkerung tendenziell unterversorgt sei mit Kalium. In der Schweiz sei dies aber nicht der Fall. «Deshalb haben Blutdrucksalze bei uns vermutlich gar keine Wirkung. Im schlimmsten Fall könnten sie sogar schaden – dann nämlich, wenn jemand plötzlich zu viel Kalium abbekommt.»
Umstrittene Salzempfehlungen
Bleibt das reduzierte Natrium: Und da ist sich die Wissenschaft nicht so einig wie beim Kalium. Tatsächlich reagieren nicht alle Menschen bzw. deren Blutdruck gleich sensitiv auf Salz. Einige Fachleute – zu ihnen zählt auch Messerli – wünschten sich deshalb etwas tolerantere Empfehlungen zum Salzkonsum. Denn Salz sei lebensnotwendig, spiele zum Beispiel eine zentrale Rolle beim Wasserhaushalt und beim Zusammenspiel von Nerven und Muskeln.
Teure Blutdrucksalze hingegen seien nicht notwendig, findet der Experte. «Mit dem eingesparten Geld kaufe ich lieber Aprikosen oder Kirschen und Zwetschgen – die enthalten nämlich auch reichlich Kalium und schmecken erst noch besser.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.