Netanyahu versus König AbdullahIsrael und Jordanien gefährden ihren kalten Frieden
Frieden haben sie geschlossen, aber Freunde sind sie nicht geworden: Israel und Jordanien pflegen eine Nachbarschaft mit Distanz. Nun gerät selbst ihr 1994 geschlossenes Friedensabkommen in Gefahr.
Israel und Jordanien liefern sich einen diplomatischen Schlagabtausch, der hoch in den Lüften ausgetragen wird und in den irdischen Niederungen einige Eskalationsgefahr birgt. Offenkundig geworden ist der Zwist am vorigen Donnerstag. Da wollte Israels Premierminister Benjamin Netanyahu ganz dringend nach Abu Dhabi fliegen. Historisch sollte die Visite sein, der erste offizielle Besuch eines israelischen Regierungschefs in den Vereinigten Arabischen Emiraten, nachdem beide Länder im September ihre Beziehungen normalisiert hatten.
Natürlich hoffte Netanyahu dabei auch auf einen gewinnbringenden Auftritt unmittelbar vor der Parlamentswahl am 23. März. Doch die Jordanier machten ihm einen Strich durch die Rechnung, indem sie den Flug einer eigens entsandten emiratischen Maschine, die Netanyahu ans Ziel bringen sollte, stundenlang verzögerten. Entnervt musste Netanyahu schliesslich den geplanten Kurztrip absagen.
Sabotageakt als Retourkutsche gedacht
Die Regierung in Amman macht keinen Hehl daraus, dass ihr kleiner Sabotageakt als Retourkutsche gedacht war für einen Vorfall am Tag zuvor: Da hatte Kronprinz Hussein den Tempelberg in Jerusalem besuchen wollen. Er musste jedoch schon an der Grenze umkehren, weil die Israelis ihm offenbar nicht erlauben wollten, mit einer grösseren Schar von Sicherheitsleuten einzureisen als vereinbart.
Der Tempelberg, den die Muslime Haram al-Sharif nennen, das edle Heiligtum, ist der sensibelste Ort im israelisch-jordanischen Verhältnis. Wo früher der jüdische Tempel stand, beten nun die Muslime in der Al-Aqsa-Moschee. Im Friedensvertrag von 1994 wurde dem jordanischen Königshaus die Wächterrolle über den Tempelberg zugesichert. Doch immer wieder brechen hier Kompetenzstreitigkeiten auf.
Saudis wollen auf dem Tempelberg das Sagen haben
Zum einen sind auf israelischer Seite vor allem die rechten Kräfte stetig bemüht, den Status quo auf dem Tempelberg zu ändern. Zum anderen schwelt im Hintergrund noch ein interner islamischer Konflikt zwischen Jordanien und Saudiarabien. Das dortige Königshaus ist als Hüter über die heiligen Stätten in Mekka und Medina seit langem daran interessiert, auch Mitsprache in der Al-Aqsa-Moschee zu erlangen, dem drittheiligsten Ort des Islam. In jüngerer Zeit wurde dieser Konflikt angeheizt durch Spekulationen, dass die Saudis mit entsprechenden Zusagen zum Abschluss eines Normalisierungsabkommens mit Israel gelockt werden könnten.
Schwer belastet wird das israelisch-jordanische Verhältnis überdies durch eine offensichtliche persönliche Unverträglichkeit zwischen Netanyahu und dem jordanischen König Abdullah. Ihr Streit entzündet sich immer wieder an Israels Umgang mit den Palästinensern. Mehr als die Hälfte der jordanischen Bevölkerung ist palästinensischen Ursprungs. Zum 25. Jahrestag des Friedensvertrags, der ohne jegliche Feierlichkeiten begangen worden war, hatte Abdullah die Beziehungen auf einem «Allzeittief» verortet.
Dass es noch tiefer gehen kann, zeigt nun jedoch die neueste Auseinandersetzung. Israelischen Medienberichten zufolge soll Netanyahu in seiner Wut über die erzwungene Absage seines Abu-Dhabi-Besuchs ohne Konsultation mit anderen Regierungsvertretern angeordnet haben, im Gegenzug sofort den gesamten israelischen Luftraum für jordanische Maschinen zu sperren. Verhindert werden konnte dies demnach nur, indem die nachgeordneten Stellen auf Zeit spielten, bis sich Netanyahu eines Besseren besann.
Europäische Friedensinitiative überschattet
Verteidigungsminister Benny Gantz warf ihm nun vor, durch den Streit mit Jordanien «Israels nationale Sicherheit zu gefährden». Die Fronten haben sich in jedem Fall verhärtet. Überschattet sind auch die neuesten Friedensbemühungen in Nahost. Erst vorige Woche hatten sich die Aussenminister von Deutschland, Frankreich, Ägypten und Jordanien in Paris getroffen. Das Ziel dieses sogenannten Kleeblatts: Sie wollen mit ihren guten Kontakten Israelis und Palästinenser wieder an den Verhandlungstisch bringen.
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