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Vor Israels Grossoffensive
Menschen in Rafah in Angst – humanitäre Lage «bereits jetzt katastrophal»

A girl peeks out from a hole in a canvas at a camp sheltering Palestinian refugees in Rafah in the southern Gaza Strip on February 13, 2024 amid ongoing battles between Israel and the Palestinian militant group Hamas. (Photo by MOHAMMED ABED / AFP)
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Wenn Danila Zizi über die humanitäre Situation in Rafah im südlichen Gazastreifen spricht, ist eine Mischung aus Wut und Verzweiflung spürbar. «Hunderttausende schlafen auf der Strasse, in improvisierten Unterkünften, verlassenen oder zerstörten Gebäuden», sagt die Gaza-Verantwortliche der NGO Handicap International. Die Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, Wasser und Lebensmitteln. 

Weil weder die Kanalisation noch die Müllabfuhr funktionierten, würden sich die hygienischen Verhältnisse laufend verschlechtern. «Es besteht die Gefahr, dass Seuchen ausbrechen», sagt Zizi. Besonders sorgt sich die Italienerin um die Situation von körperlich behinderten Menschen, die nicht eigenständig bei den wenigen Sammelstellen für Wasser, Lebensmittel und den Toiletten anstehen können (lesen Sie hier Berichte von Journalisten, die in Rafah leben).

Nach UNO-Angaben halten sich in der Stadt inzwischen 1,3 Millionen Menschen auf. Die meisten von ihnen flohen vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin, zum Teil auf Anordnung des israelischen Militärs. Viele Politiker haben zuletzt gesagt, in Rafah drohe eine humanitäre Katastrophe. Zizi entgegnet: «Die humanitäre Lage ist bereits jetzt katastrophal.» 

Seitdem Israels Premier Benjamin Netanyahu den Befehl erteilt hat, eine Bodenoffensive auf Rafah vorzubereiten, geht in Rafah die Angst um, dass die ohnehin kaum funktionierende Versorgung in der Stadt komplett zusammenbrechen könnte.

Ein Problem sei, dass sich die Lieferung von Hilfsgütern stark verzögern würde, sagt Zizi. Handicap International schicke Konvois von Kairo aus zunächst in die israelische Ortschaft Nitzana. Von dort aus müssten sich die Lastwagen in eine Warteschlange einreihen und auf die Genehmigung der israelischen Regierung warten. «Unser letzter Hilfskonvoi hatte drei Wochen, bis er in Rafah war. Das dauert viel zu lange.» 

«Die psychische Verfassung unserer Mitarbeiter ist schlimm»: Danila Zizi von Handicap International.

Der internationale Druck auf die israelische Regierung steigt. Australien, Kanada und Neuseeland forderten eine sofortige – beidseitige – humanitäre Feuerpause. Auch die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock sprach in Israel in dem Fall von einer «humanitären Katastrophe mit Ansage». UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths befürchtet «ein Gemetzel von Menschen in Gaza».

Israels Premier Benjamin Netanyahu kündigte an, der Zivilbevölkerung einen sicheren Weg aus Rafah zu ermöglichen. Doch wie genau das geschehen soll, ist unklar. In den komplett zerstörten Norden können kaum 1,3 Millionen Menschen zurück. Danila Zizi wollte sich zu einer möglichen Evakuierung mangels Informationen von israelischer Seite nicht äussern. 

Hilfsarbeiter am Rande des Zusammenbruchs

Jeden Tag ist sie in Kontakt mit ihren lokalen Mitarbeitern in Rafah. «Keiner von ihnen hat seit Oktober eine richtige warme Mahlzeit gegessen», sagt sie. Die meisten hätten Familienmitglieder verloren, ihre Häuser seien zerstört worden. «Die psychische Verfassung unserer Mitarbeiter ist schlimm. Sie stehen am Rande des Zusammenbruchs.» 

Für Danila Zizi gibt es nur eine Möglichkeit, um das Schlimmste abzuwenden. «Wir brauchen einen Waffenstillstand», sagt sie. Ein solcher ist bislang aber nicht absehbar. Zuletzt hat Netanyahu Friedensgespräche unter internationaler Vermittlung in Kairo abgebrochen. Er sprach von «wahnhaften Forderungen» der Hamas.

Den Preis für die gescheiterten politischen Verhandlungen wird voraussichtlich die palästinensische Zivilbevölkerung zahlen. Danila Zizi, die auch lange im Krisenstaat Libanon und im vom Bürgerkrieg verheerten Syrien arbeitete, sagt: «In meiner gesamten Laufbahn habe ich noch nie eine so schlimme Situation erlebt.»