Israel-Palästina-KonfliktSchweiz plant grosse Nahost-Konferenz – kommts zum Bürgenstock 2.0?
Die UNO hat die Schweiz mit der Organisation einer Nahostkonferenz betraut. Wer ist eingeladen, und was wird verhandelt? Die wichtigsten Antworten im Überblick.

Anfang Sommer dieses Jahres drehte sich wochenlang alles um die Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock. Staats- und Regierungschefs aus aller Welt reisten an, internationale TV-Stationen sendeten Bilder von weidenden Kühen und schneebedeckten Bergen, Nidwalden platzte fast vor Stolz. Nun, drei Monate später, ist wieder von einem grossen Gipfel die Rede. Dieses Mal sollen sich die Gespräche nicht um die Ukraine, sondern um den Nahen Osten drehen.
Die UNO-Vertretung Palästinas hat am Mittwoch an der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York eine Resolution zur Abstimmung vorgelegt. In dieser Resolution wird ein Gutachten des Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) aufgegriffen, welches die Präsenz Israels in den palästinensischen Gebieten als unrechtmässig taxiert. Israel lehnt das Gutachten als politisch motiviert ab.

Die von Palästina vorgelegte Resolution fordert einen Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten innerhalb der nächsten zwölf Monate. Sie wurde am Mittwoch mit 124 zu 14 Stimmen angenommen. Die Schweiz gehörte zu den 43 Staaten, die sich ihrer Stimme enthielten. Mit der Annahme wurde gleichzeitig eine Konferenz beschlossen, wo über die Umsetzung der Resolution diskutiert werden soll. Den Auftrag, diese Konferenz durchzuführen, hat die Schweiz erhalten.
Warum die Schweiz?

Die Schweiz ist Depositarstaat der Genfer Konventionen. In dieser Funktion kommt ihr eine Art Sekretär- und Vermittlerrolle im humanitären Völkerrecht zu. Klar ist bereits, dass es zu keinem Wiedersehen auf dem Bürgenstock kommt – die Konferenz soll in Genf stattfinden. Der genaue Termin steht noch nicht fest. In der UNO-Resolution ist jedoch festgehalten, dass das Treffen «innerhalb der nächsten sechs Monate» stattfinden soll.
Was wird an der Konferenz verhandelt?
Laut dem Aussendepartement sollen konkrete Massnahmen zum Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung im Zentrum des Treffens stehen. Die Schweiz ist als Gastgeberin allerdings in einer heiklen Doppelrolle. Die UNO-Resolution fordert Israel dazu auf, sich innerhalb von zwölf Monaten aus den besetzten palästinensischen Gebieten zurückzuziehen. Laut dem EDA geht diese Forderung aber eindeutig über das Rechtsgutachten des IGH – welches die Schweiz in seinem Wortlaut unterstützt – hinaus. Die Frist sei angesichts der laufenden Kampfhandlungen in Gaza und der eskalierenden Lage im Westjordanland zu kurzfristig ausgelegt, heisst es in einer Stellungnahme des EDA.
Kommen wieder Staatschefs in die Schweiz?
Höchstwahrscheinlich nicht. Das EDA rechnet derzeit mit einer Konferenz auf Diplomatenebene. Der Anlass wird also von der politischen und medialen Bedeutung nicht ganz mit der Bürgenstock-Konferenz mithalten können.
Ist dies die erste Konferenz dieser Art?

Nein. Bereits 1999, 2001 und 2014 organisierte die Schweiz im Rahmen ihrer Rolle als Depositarstaat vergleichbare Konferenzen. Bei all diesen Treffen ging es um den Nahostkonflikt.
Wer ist alles eingeladen?
Eingeladen werden alle 196 Staaten, welche die Genfer Konventionen ratifiziert haben, darunter auch Israel und Palästina. Bei der letzten Konferenz im Jahr 2014 hatten letztlich Vertreter von 126 Ländern teilgenommen. Fraglich scheint insbesondere die Teilnahme jener 14 Staaten, welche die Resolution am Mittwoch abgelehnt haben. Neben Israel gehörten auch die USA, Argentinien, Ungarn und Tschechien dazu. Beim letzten Treffen 2014 boykottierten Israel und die USA die Konferenz.
Wie reagiert Israel?
Die israelische Botschaft in Bern schreibt in einer Stellungnahme, dass die UNO-Resolution darauf abziele, ein demokratisches Land zu bestrafen, welches sich für die Verteidigung seiner Bürger einsetze. Israel danke der Schweiz dafür, dass sie sich der Stimme enthalten habe. Man erwarte nun, dass die Schweiz bei den geforderten «feindseligen Massnahmen gegen ein befreundetes Land» nicht kooperieren werde. Zur geplanten Konferenz äussert sich die Botschaft in ihrer Stellungnahme nicht.
Kommen auch Vertreter der Hamas in die Schweiz?
Nein. Palästinensische Vertreter werden zwar zur Konferenz eingeladen, weil sie in der UNO die Rolle eines «Beobachterstaats» haben. Eingeladen werden aber nur die Vertreter der offiziellen Autonomiebehörde. Gegen die Hamas läuft in der Schweiz im Zuge der Terroranschläge vom 7. Oktober ein Verbotsverfahren. Der Bundesrat will die Organisation als terroristische Vereinigung einstufen.
Was erhofft man sich in der Schweiz von der Konferenz?
Wenn die Schweiz als Depositarstaat der Genfer Konventionen von der UNO gebeten werde, eine Konferenz zum Nahostkonflikt durchzuführen, heisse er das grundsätzlich gut, sagt Nationalrat Hans-Peter Portmann. «Es mag sein, dass diese Konferenz keinen direkten Erfolg bringen wird», so der FDP-Aussenpolitiker. «Aber es erhöht auf alle Parteien den Druck, zu einer Lösung zu finden.» Für eine dauerhafte Lösung im Nahostkonflikt müssten laut Portmann aber neben Israel und den Palästinensern auch die USA, der Iran und die Hizbollah an den Verhandlungstisch.
Auch die Solothurner Ständerätin Franziska Roth sagt, dass die Schweiz als Depositarstaat der Genfer Konventionen in der Pflicht sei, sich für die Einhaltung des Völkerrechts und insbesondere für den Schutz der Zivilbevölkerung einzusetzen. «Die Lage im Nahen Osten ist für die Menschen katastrophal», so die SP-Aussenpolitikerin. «Die Organisation eines Gipfeltreffens ist das Mindeste, was unser Land tun kann und muss.»
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