Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Draht zwischen Israel und USA
Netanyahu entlässt Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter mitten in US-Wahl­nacht – Reaktionen heftig

Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu and Defense Minister Yoav Galant attend a press conference in the Kirya military base in Tel Aviv, Israel, Saturday, Oct. 28, 2023. (Abir Sultan/Pool Photo via AP)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Mit einem riskanten Schachzug hat sich Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu seines widerspenstigen Verteidigungsministers Joav Galant entledigt und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Politische Beobachter, die Opposition und Tausende Demonstranten reagierten mit Entsetzen. Diese Entlassung mitten in einem Mehrfrontenkrieg, den Netanyahu immer wieder als Kampf um seine Existenz beschreibt, und kurz vor einem erwarteten weiteren Grossangriff des Irans sei «rücksichtslos, spaltend und gefährlich für Israel», lautete der vernichtende Kommentar der Zeitung «Times of Israel».

Entlassung während US-Präsidentenwahl kein Zufall

Dass die Entlassung während der laufenden Präsidentenwahl in den USA kam, sei kein Zufall, schrieb der US-Bürochef der Zeitung Jacob Magid auf der Plattform X. Das zeige, dass Netanyahu einem Rüffel aus Washington aus dem Weg gehen wollte, schrieb Magid unter Berufung auf einen Vertrauten von US-Präsident Joe Biden. Der wichtigste Verbündete Israels sei von dem Schritt völlig überrumpelt worden.

Die Kritik an Netanyahu ist verheerend. Die US-Regierung lobte in einer ersten Reaktion den Entlassenen in höchsten Tönen. Der Nationale Sicherheitsrat des Weissen Hauses erklärte laut «Washington Post», Galant sei ein wichtiger Partner gewesen «in allen Angelegenheiten, die die Verteidigung Israels betreffen». Man werde aber auch «weiterhin mit dem nächsten israelischen Verteidigungsminister zusammenarbeiten», dem bisherigen israelischen Aussenminister Israel Katz. Galant galt als wichtiger Verbindungsmann zur Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris.

Es werde erwartet, dass der neue Verteidigungsminister Israel Katz das Amt – vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments – in den nächsten 48 Stunden übernehmen werde, hiess es weiter. Erst am Montag noch hatte US-Aussenminister Antony Blinken mit Galant telefoniert und betont, wie wichtig es sei, den Krieg im Gazastreifen zu beenden.

Galant warnt vor «moralischer Finsternis»

Galant sagte, er sei aus drei Gründen entlassen worden: wegen seiner Forderung nach einer gerechten Verteilung der Verteidigungslasten auch auf die Schultern ultraorthodoxer Männer, wegen der Notwendigkeit, die Geiseln aus dem Gazastreifen zurückzubringen und wegen seiner Forderung nach einer Untersuchung, wie die Hamas Israel am 7. Oktober 2023 überraschen konnte.

Netanyahu und Galant waren im Verlauf des Gaza-Kriegs auch wegen anderer Themen immer wieder aneinandergeraten. Im März 2023, also ein halbes Jahr vor Kriegsbeginn, wollte Netanyahu Galant schon einmal entlassen. Damals ging es um die umstrittene Justizreform der Regierung. Nach Protesten ruderte Netanyahu aber wieder zurück.

Ex-Regierungschef nennt Entlassung «verrrückt»

Der ehemalige israelische Ministerpräsident Naftali Bennett sagte, Israel habe eine «kranke und verrückte Führung». Er schrieb bei X: «Nicht verzweifeln, der Wandel wird kommen!» Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, bezeichnete die Entlassung als besorgniserregend. Oppositionsführer Jair Lapid sprach von einem «Akt des Wahnsinns». Er rief die Israelis zu Protesten auf. «Geht auf die Strasse», schrieb auch der Vorsitzende der oppositionellen Arbeitspartei, Jair Golan, auf der Plattform X. In Jerusalem und Tel Aviv folgten sofort Zehntausende dem Aufruf, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete.

Zuspruch aus dem ultrarechten Lager

Lob bekam Netanyahu hingegen vom rechtsgerichteten Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, der schon wiederholt die Entlassung des Verteidigungsministers gefordert hatte. Mit Galant sei es «unmöglich, einen vollständigen Sieg zu erringen», sagte er. Mit dem neuen Verteidigungsminister Israel Katz, der vor allem durch extrem konfrontative Posts in sozialen Medien aufgefallen ist, dürften Gvir und andere ultrarechte Regierungspartner Netanyahus besser zurechtkommen. Galant hatte immer wieder auf einen Deal zur Freilassung der Geiseln im Gazastreifen gedrängt. Kritiker warfen Netanyahu vor, eine solche Vereinbarung vermieden zu haben, um den Zusammenhalt seiner Koalition mit den ultrarechten Partnern nicht zu gefährden.

epa10493563 Minister of Defence of Israel, Yoav Galant, visits the scene of a shooting attack in the West Bank town of Hawera after a shooting attack the day before in which two Israelis were killed, near the West Bank city of Nablus, 27 February 2023. The Israeli Defense Forces said on 26 February that an attacker opened fire toward an Israeli vehicle, and Israeli officials said that two Israelis were killed in the shooting. In response to the shooting attack and on the same day, One Palestinian was killed and dozens were wounded when Israeli settlers attacked villages near Nablus, and burned dozens of Palestinian houses and cars.  EPA/ATEF SAFADI

Galant galt seit langem als unbequem, hat Netanyahu in politischen und militärischen Fragen immer wieder Kontra gegeben. Er unterstützte auch vehement die Bemühungen, mehr ultraorthodoxe Männer für den Wehrdienst zu verpflichten. Noch am Tag seiner Entlassung forderte er, Tausende Ultraorthodoxe einzuziehen. Hätte Netanyahu dem nachgegeben, hätte er seine Koalition mit streng religiösen Parteien gefährdet, die strikt gegen den Wehrdienst sind. Galant wurde da mehr und mehr zu einem Störfaktor für Netanyahu. Katz hingegen wird eher als treuer Weggefährte Netanyahus angesehen, der sich Entscheidungen des Regierungschefs nicht widersetzen wird.

Netanyahu begründete die Entlassung mit einem zerrütteten Vertrauensverhältnis. «Obwohl in den ersten Monaten des Krieges Vertrauen herrschte und die Arbeit sehr fruchtbar war, ist dieses Vertrauen zwischen mir und dem Verteidigungsminister in den vergangenen Monaten leider zerbrochen», schrieb er. Galant habe Entscheidungen getroffen und Erklärungen abgegeben, die den Entscheidungen des Kabinetts widersprochen hätten, fügte der Ministerpräsident hinzu.

Demonstranten in Tel Aviv: «Bibi ins Gefängnis»

In der Mittelmeermetropole Tel Aviv und anderswo gingen spontan Tausende Menschen auf die Strasse, um gegen die Entlassung und gegen Netanyahu zu demonstrieren. In Tel Aviv blockierten sie die wichtige Stadtautobahn Ajalon mit brennenden Autoreifen und skandierten «Bibi ist ein Verräter», «Bibi ins Gefängnis» und «kriminelle Regierung», wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete.

epaselect epa11704209 Anti-government protesters take to the streets after Israeli prime minister fired Defense Minister Yoav Gallant in Tel Aviv, Israel, 05 November 2024. Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu ended Defense Minister Yoav Gallant's term on 05 November 2024, in what the prime minister called a 'crisis of trust,' replacing Gallant with Yisrael Katz, Israel's outgoing foreign minister. EPA/VASSIL DONEV

Demonstranten in Tel Aviv berichteten nun von ihrer Sorge, dass Netanyahu weitere wichtige Leute aus dem Sicherheitsapparat wie etwa Generalstabschef Herzi Halevi oder den Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ronen Bar, feuern könnte. Netanyahus Büro dementierte jedoch entsprechende Spekulationen der Medien. Andere Teilnehmer vermuteten, dass Netanyahu mit der Entlassung Galants von dem Skandal um geleakte Geheiminformationen ablenken wolle, die von Mitarbeitern im Umfeld seines Büros an die Presse durchgestochen worden waren.

epa11704207 Anti-government protesters take to the streets after Israeli prime minister fired Defense Minister Yoav Gallant in Tel Aviv, Israel, 05 November 2024. Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu ended Defense Minister Yoav Gallant's term on 05 November 2024, in what the prime minister called a 'crisis of trust,' replacing Gallant with Yisrael Katz, Israel's outgoing foreign minister. EPA/VASSIL DONEV

Der TV-Sender Channel 12 berichtete am Abend von einer Razzia der Polizei in Netanyahus Büro. Es sei nicht klar, ob diese Durchsuchung mit dem Skandal um Geheimnisverrat oder mit einem weiteren Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Büro des Regierungschefs zusammenhänge.

DPA/oli