Ironman in der KritikProfitgier, Tote und ein Traditionsbruch spalten die Triathlonszene
Am Samstag kämpfen die Athletinnen um Daniela Ryf auf Hawaii erneut um den WM-Titel. Doch bei dieser Austragung ist alles anders. Der Sport steht vor grossen Veränderungen.
Als wären die Todesmeldungen sowie die anhaltende Kritik von Profisportlerinnen und Experten nicht schon genug gewesen, meldete sich auch noch der König höchstpersönlich zu Wort. Und der Deutsche Jan Frodeno, der Grösste aller Zeiten, wählte äusserst drastische Worte: «Ich liebe das Rennen, ich liebe den Event. Aber Mann, was für eine dumme Entscheidung ist es, die beiden Rennen zu trennen? Es macht keinen Sinn für mich.»
Zum ersten Mal in der Geschichte des Langdistanztriathlons finden die WM-Rennen der Frauen und der Männer getrennt statt. Während die Herren Mitte September zum ersten Mal in Nizza ihren Sieger krönten – wobei Frodeno seine Karriere mit einem 24. Rang beendete –, starten die Frauen dieses Wochenende wie gewohnt auf Hawaii, zum ersten Mal in einem separaten Rennen nur für die Frauen. Das missfällt vielen, nicht nur Frodeno. Doch das ist nicht der einzige Punkt, der zurzeit zu viel Kritik gegenüber der Marke Ironman führt. Auch auf anderen Ebenen harzt es gewaltig.
Einerseits ist da die offenkundige Profitgier des US-amerikanischen Medienunternehmens, das die Marke Ironman 2020 für 730 Millionen US-Dollar gekauft hat. Teilnehmerfelder werden immer weiter aufgeblasen, Startgebühren sind horrend hoch. Und bisher funktionierende Konzepte und Traditionen werden aufgebrochen, um noch mehr Umsatz und Gewinn zu generieren – wie nun an der Trennung von Frauen- und Männer-WM ersichtlich ist.
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Der neue Austragungsort sowie die Entkopplung der beiden Elitefelder kommt daher, dass nach der Corona-Pandemie bei der WM-Austragung 2022 das Teilnehmerfeld auf Hawaii derart aufgeblasen war, dass eine langfristige Zukunft in dieser Art und Weise unmöglich schien. Anstatt 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer starteten auf einmal 5000. Das liess einerseits die Wohnungs- und Hotelpreise auf der Insel in die Höhe schiessen, andererseits wurde das Niveau des Rennens herabgestuft und verwässert.
Und natürlich hatten die Bewohner von Kailua-Kona und den angrenzenden Ortschaften gar keine Freude, dass ihr Zuhause nun von noch mehr ambitionierten Sportlern mit teuren Fahrrädern und hautengen Schwimmanzügen überschwemmt wurde. Darum nun die Trennung.
«Dass ein grosses Stück Geschichte verloren geht, finde ich extrem schade.»
Nächstes Jahr geben die Frauen in Nizza ihr WM-Debüt, während die Männer nach Hawaii zurückkehren – am Traditionsbruch wird also vorerst festgehalten. Nicht nur Frodeno findet das fragwürdig, sondern auch die beste Schweizer Langdistanztriathletin, Daniela Ryf. Die fünffache Weltmeisterin sagt: «Dass ein grosses Stück Geschichte verloren geht, finde ich extrem schade. Ich finde es nicht intelligent, den Mythos zu zerstören.» Das Schweizer Fernsehen titelte in einem Beitrag daher jüngst: «Der Ironman am Scheideweg – ein Traditionsbruch aus Profitgründen».
Die Schreckensmeldungen häufen sich
Doch nicht nur Profitgier und ein Auflösen der Traditionen werden den Organisatoren vorgeworfen, sondern auch fehlende Sicherheitsvorkehrungen an Rennen. In den letzten Monaten gab es mehrere Schreckensmeldungen während Events, die von Ironman organisiert wurden.
So starben in Irland bei einem Rennen zwei Teilnehmer auf der Schwimmstrecke: Starkes Unwetter hatte zu hohem Wellengang geführt. Auch bei einem Wettkampf in Finnland konnte eine Teilnehmerin nur noch tot aus dem Wasser geborgen werden. Und beim Ironman Hamburg kam ein Kameramann auf einem Begleittöff ums Leben, nachdem dieser mit einem Athleten an einer engen Stelle auf der Radstrecke kollidiert war.
«Die Motorräder waren viel zu nah dran. Es war eine Farce. Mit dem Gegenverkehr war es so unfassbar eng. Da dürfen keine Motorräder sein», sagte Jan Frodeno danach, der in diesem Rennen Vierter wurde. Frodenos Landsfrau Laura Philipp forderte auf den sozialen Medien: «Wir brauchen Änderungen – und zwar sofort!»
Nicht ganz so drastische Worte wählt Jan van Berkel. Der 37-Jährige war lange der beste Schweizer Langdistanztriathlet und trat kürzlich nach seinem Sieg in Thun zurück. Er hat in seiner Karriere etliche Wettkämpfe der Marke Ironman bestritten und startete selber fünfmal an der WM auf Hawaii. Er sagt zu möglichen Sicherheitsproblemen: «Die Meldungen in den letzten Monaten sind natürlich tragisch. Aber Langdistanztriathlon wird immer populärer, er ist zu einem Massenevent geworden. Und da kann es zu Unfällen kommen, das ist leider einfach so.»
«Beim Ironman Switzerland war der Sicherheitsstandard immer sehr hoch. Aber natürlich kann man das nicht von allen Rennen im Ausland sagen.»
Van Berkel verweist auf den Ironman Switzerland, der früher in Zürich stattfand und nun in Thun über die Bühne geht, und lobt dabei die Veranstalter. «Da war der Sicherheitsstandard immer sehr hoch, sei es beim Schwimmen oder auf der Radstrecke. Aber natürlich kann man das nicht von allen Rennen im Ausland sagen.»
Profitgier, womöglich zu lasche Sicherheitsmassnahmen – aber die Vorwürfe der Athleten gehen noch weiter. In den letzten Jahren stagnierten die von Ironman ausbezahlten Preisgelder für die Profis, oder sie wurden bei gewissen Rennen sogar gekürzt, obwohl der Sport boomt. Ausserdem wird kritisiert, dass Fernsehübertragungen und Berichterstattungen in einem immer professionelleren Sport nach wie vor auf Amateurniveau betrieben werden.
«Solange Ironman ein Rennen organisiert und dieses innert Minuten ausverkauft ist, haben sie einen guten Job gemacht. Das ist einfach so.»
Van Berkel versteht die Vorwürfe seiner ehemaligen Kollegen, wenn es um zu geringe Berichterstattung geht. Und dass bei einer Weltmeisterschaft auf Hawaii, dem wichtigsten Rennen des Jahres, lediglich die besten fünf Platzierten nach Abzug der Reisekosten und Spesen mit einem Gewinn nach Hause gehen, sieht er natürlich auch kritisch. Doch er argumentiert: «Der grösste Star für Ironman ist nicht der Profisportler, der das Rennen gewinnt, sondern das Rennen selbst. Vielleicht haben wir Profis es verpasst, unseren Wert in den letzten Jahren zu zeigen. Solange aber Ironman ein Rennen organisiert und dieses innert Minuten ausverkauft ist, haben sie einen guten Job gemacht. Das ist einfach so.»
Ironman möchte sich nicht äussern
Doch welche Ziele verfolgt Ironman eigentlich? Gibt es eine Sicherheitsproblematik bei Rennen? Und werden Preisgelder auch in Zukunft niedrig bleiben – oder sogar weiter gekürzt werden? Einen Fragebogen zur Zukunft der Marke liessen die Verantwortlichen unbeantwortet. Auch im Rahmen des jüngst veröffentlichten Beitrags des Schweizer Fernsehens zu den aktuellen Problemen hat sich Ironman nicht geäussert.
Doch just am Donnerstag, nur wenige Tage vor dem WM-Frauenrennen auf Hawaii, reagierte Ironman auf die anhaltende Kritik und gab bekannt, dass ab 2024 eine neue Rennserie für die Profis durchgeführt werde. Diese umfasst 18 Events und ist mit 1,7 Millionen Dollar dotiert. Die Preisgelder der einzelnen Rennen bleiben zwar unverändert, doch am Ende der Saison werden anhand einer Rangliste die Athletinnen und Athleten nach ihrem Platz in der Gesamtwertung belohnt – wobei nur die je fünf besten Resultate eines Profis in die Rangliste einfliessen.
Die Sieger der Serie erhalten je 200’000 Dollar, für Rang 2 gibt es 130’000 und für den 3. Platz 85’000 Dollar. Zum Vergleich: Die Gewinnerin am Samstag auf Hawaii erhält 125’000 Dollar. Die Profis auf den Rängen 11 bis 50 in der neuen Serie werden mit je 5000 Dollar belohnt. «Wir wollten einen Weg finden, um das aussergewöhnliche Talent unserer Top-Profitriathleten zu würdigen und gleichzeitig aufstrebenden Profis die Möglichkeit zu geben, sich zu entwickeln und sich einen Namen zu machen», sagt Ironman-CEO Andrew Messick.
Dennoch, dass für Ironman zuletzt die Breitensportlerinnen immer mehr in den Fokus gerückt sind, hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren neue Rennen von anderen Veranstaltern entstanden sind. Die Challenge-Serie organisiert etliche kürzere Events sowie das zweitwichtigste Langdistanzrennen überhaupt nach der WM, die Challenge Roth in Deutschland. Neu kam auch die Professional Triathlon Organisation hinzu, die Gewerkschaft der Profiathleten, die selber eine Reihe von Wettkämpfen mit hohen Preisgeldern und starker Vermarktung austrägt.
Van Berkel findet diese Entwicklung positiv, auch wenn an den neuen Events nicht alles perfekt sei. Dennoch sagt er, dass für ihn die Ironman-WM auf Hawaii das Höchste bleiben wird, was ein Langdistanztriathlet erreichen kann. Dass diese nun durch den Teilumzug nach Nizza abgewertet wird, findet er schade.
Er sagt: «Ich bin als kleiner Junge in der Nacht aufgestanden und habe den Athleten stundenlang dabei zugesehen, wie sie bei brutalen Bedingungen durch die Lavafelder gefahren und gerannt sind. Ich wünsche es dem Sport, dass Nizza langfristig den gleichen Mythos entfachen kann. Aber natürlich ist es nicht das Gleiche.»
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