Friedensnobelpreisträgerin Mohammadi misshandeltDie Gefangene der Mullahs, die immer frei war
Narges Mohammadi – die iranische Friedensnobelpreisträgerin – hat mehr Zeit ihres Lebens in der Zelle verbracht als zu Hause. Im Gefängnis wurde sie nun bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt. Weil sie mal wieder protestierte.
Man kann sie ja nicht fragen, leider. Narges Mohammadi ist gerade eingesperrt. Was sie schon 32 von ihren 52 Lebensjahren war. Mohammadi, die Iranerin, die Friedensnobelpreisträgerin, sitzt als Gefangene in einer Zelle im Teheraner Evin-Gefängnis. Sie leidet dort an akuten Rücken- und Knieschmerzen und an einem Bandscheibenvorfall, was, so sagt ihre Familie, die Wärter nicht davon abhielt, kürzlich auf sie einzuschlagen.
Sie soll dabei das Bewusstsein verloren haben. Und man verweigert ihr jetzt, glaubt man der Familie, wogegen nichts spricht, die medizinische Behandlung. Diese Woche hat eine Gruppe von UNO-Berichterstattern ihre Freilassung gefordert. Oder wenigstens, dass Ärzte vollen Zugang zu ihr bekommen. Andernfalls sei, was Mohammadi widerfahre, «unmenschlich» und letztlich nichts anderes als Folter.
Offenbar wollen die iranischen Behörden, dass sich Mohammadi hilflos fühlt. Ihnen ausgeliefert. Ihnen ausgeliefert ist sie. Nur hilflos wirkt Narges Mohammadi selbst in der Zelle nicht. Vielleicht ist es das, was sie ausmacht. Sie ist grösser als die, die sie gefangen halten.
Geht man durch ihr Leben, durch ihre Biografie, möchte man sie fragen, ob sie jemals Zweifel hatte. Oder war ihr immer klar, dass sie das Land nicht verlassen würde, so wie ihr Mann und die Kinder es taten, dass sie bleiben und sich verhaften lassen würde, wieder und wieder? Dass sie ihr Leben in iranischen Zellen verbringen würde und dieses Leben sogar riskieren – für eine grössere Sache, die Freiheit ihres Landes? Man kann sie nicht fragen. Aber gut, man kann sich die Antwort denken.
Schon zu Studienzeiten wurde Mohammadi verhaftet
13-mal wurde Narges Mohammadi bisher verhaftet, im Studium fing es an, da schrieb sie schon für Unizeitungen. Mohammadi wurde Ingenieurin, vor allem aber wurde sie Aktivistin. Sie kämpfte. Für Frauenrechte. Gegen die Todesstrafe. Gegen das Regime der Islamischen Republik. Ihr Mann, auch er ein Gegner des Regimes, verbrachte gleich den ersten Hochzeitstag im Gefängnis. Die Kinder zogen ihr Mann und sie abwechselnd gross, je nachdem, wer gerade frei war. Also nicht im Gefängnis.
War Mohammadi draussen, machte sie weiter wie vorher. Sie nutzte die Freiheit dafür, sie gleich wieder aufs Spiel zu setzen. Bald fand sie zum Defenders of Human Rights Center von Shirin Ebadi, auch eine Friedensnobelpreisträgerin. (Lesen Sie hier unser Interview mit Shirin Ebadi.) Mohammadi wurde zu einer der bekanntesten Stimmen im Land. Eine Stimme, die das Regime nicht zum Schweigen brachte, egal, wie oft es die Frau, der die Stimme gehörte, verhaften liess.
Ihre Angstfreiheit scheint zu provozieren
Eine Frau, die kaum je etwas anderes kannte als die Islamische Republik. Sie war sieben, als der Schah fiel. Und die trotzdem daran glaubt, dass dieses System nicht für immer sein muss. Mohammadi hätte Möglichkeiten gehabt, sie hätte einen Weg ins Ausland suchen können. Sie hätte bleiben und sich arrangieren können, wie, notgedrungen, viele im Iran. Was tat sie? Stellte sich der Macht mit ihrem Namen und ihrem Gesicht gegenüber. Immer wieder, jahrelang, ihr Leben lang. Vielleicht suchte sie das Risiko nicht, aber ihre Angstfreiheit hatte immer etwas beinahe Provokantes. Ansteckend war sie auf jeden Fall.
So wurde sie zu einem Symbol – gerade während der Proteste im Herbst 2022. So wurde sie Friedensnobelpreisträgerin. Aus Sicht des iranischen Regimes wurde sie so auch zu einem menschlichen Faustpfand. Nicht ausgeschlossen, dass die Führung etwas vom Westen dafür will, dass Narges Mohammadi eine bessere Behandlung erfährt oder freikommt.
In ihrem Zellenblock protestierten sie neulich gegen die Hinrichtungen im Land. Unter anderem gegen die von Reza Rasaei, der während der Proteste vor zwei Jahren verhaftet wurde. Nun liess das Regime ihn hängen. Es war an dem Tag, als sie im Gefängnis dagegen aufstanden, als die Wärter zuschlugen. Sie schlugen Narges Mohammadi offenbar gegen den Brustkorb. Sie versuchten es also mit Gewalt, sie versuchten, sie einzuschüchtern. Als hätte das bei ihr jemals geklappt.
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