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Interview mit James Blunt
«Ich weiss nicht, was Gefühle sind»

Der Popstar ist als Schmusesänger und Romantiker bekannt – er selbst nennt sich «emotional verkümmert».
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Herr Blunt, Ihr Hit «You're Beautiful» wird von vielen als «nervigstes Lied aller Zeiten» bezeichnet. Sie machen in den sozialen Medien selbst gerne Witze darüber. War das eine bewusste Entscheidung, den Hatern mit Sarkasmus entgegenzutreten?

Ich habe Drama stets mit Sarkasmus erstickt. Ich denke, mit jedem grossen Erfolg kommen auch die Nein-Sager. Während die ganze Welt etwas feiert, versuchen die Leute, die cool sein wollen, negative Dinge darüber zu sagen. Damit muss man in der Musikbranche einfach leben. Es ist aber wirklich witzig, dass Journalisten mich fragen, ob mich ein Song, der sich millionenfach verkauft hat, langweilt. Ich sage dann jeweils, dass mich die Frage langweilt. Jeder Musiker will einen Mega-Hit – ich habe wirklich Glück, dass ich einen habe.

Ihr selbstironischer Humor auf Twitter/X ist ein ziemlicher Kontrast zu Ihren ernsten Songs. Würde es die Leute überraschen, wie Sie im echten Leben sind?

Sie würden sich wundern, dass ich gerade Frauenunterwäsche trage. Aber das ist mein Zuhause, deshalb darf ich das.

Nein, ich schreibe Songs, weil es mein Weg ist, Gefühle auszudrücken. Das ist so, weil ich das im Alltag nicht tue, es nicht kann und es einfach nicht in mir steckt. Ich bin ein Engländer aus schwierigen Verhältnissen. Ich bin mit sieben Jahren auf ein Internat gegangen. Das war das letzte Mal, dass ich meine Eltern gesehen habe. Ich bin also das, was wir in meinem Umfeld «emotional verkümmert» nennen. Ich weiss nicht, was Gefühle sind. Im täglichen Leben bin ich also eher die Twitter-Person. Aber die Musik ist ein Ventil für mich. Vielleicht wollte ich aber auch einfach nur ein Rockstar sein, aber dazu muss man in einer Band sein. Und weil niemand mit mir in einer Band sein wollte, bin ich allein mit meiner Gitarre übrig geblieben und habe wirklich traurige Lieder geschrieben. (lacht)

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Sie besitzen ein Chalet in Verbier. Was mögen Sie an der Schweiz?

So viele Dinge. Es ist wirklich ein wunderschönes Land. Von der rauen Schönheit der Berge bis hin zur zarten Schönheit der Seen. Zudem bin ich ein Soldat, ich war einige Jahre in der Armee. Ich mag es also, wenn Dinge pünktlich sind, und das tun die Schweizer auch. Es gibt eine Schweizer Effizienz und einen Gemeinschaftssinn, den ich sehr schätze.

Was schätzen Sie weniger?

Ich finde Schweizerdeutsch sehr schwer zu verstehen. (Blunt wechselt in ein brüchiges Deutsch) Ich spreche ein bisschen Deutsch. Aber ich spreche ziemlich gut Französisch, damit komme ich in Verbier gut durch.

Werden Sie in der Schweiz oft erkannt oder können Sie ein bisschen unter dem Radar fliegen?

Ich werde schon erkannt. Aber dann sagen die Menschen einfach: «Guten Morgen, James, wie gehts dir?» Sie sind freundlich und reden mit mir wie mit einem normalen Menschen – das weiss ich sehr zu schätzen. Es ist ihnen auch egal, welchen Beruf ich ausübe. Sie verstehen, dass eine Ärztin, eine Krankenschwester und ein Lehrer genauso wichtige Jobs haben wie ein Popstar. Die Schweizer sind zudem sehr gastfreundlich. In Verbier kenne ich alle Gesichter der Menschen, die hier wohnen und dem Dorf Leben einhauchen. Sie haben mich wie einen Freund aufgenommen, und ich fühle mich dort sehr wohl und bin sehr glücklich, in Verbier zu Gast sein zu dürfen.

Wie Sie bereits angesprochen haben, waren Sie Offizier in der britischen Armee, bevor Sie berühmt wurden. Sie waren sogar Teil der Nato-Truppen während des Kosovo-Krieges 1999. Wie hat das Ihre Sicht geprägt – vor allem, wenn man bedenkt, was derzeit in der Welt passiert?

Ich habe viele wunderbare, mitfühlende und freundliche Menschen aller Herkünfte, Religionen und Nationalitäten kennen gelernt. Es liegt in der Natur des Menschen, Empathie für andere zu empfinden. Aber problematisch wird es, wenn wir anfangen, uns zu Stämmen, Banden oder politischen Kräften zusammenzuschliessen. Dann verlieren wir die Fähigkeit, die Meinung oder den Blickwinkel eines anderen zu verstehen. Unsere Banden machen uns misstrauisch und ängstlich gegenüber anderen. Das spaltet uns. Im schlimmsten Fall fangen wir an, uns gegenseitig zu bekämpfen. Das ist einfach verrückt.

Besonders in Krisenzeiten kann Musik wichtig und heilsam sein. Was sind Ihre Erfahrungen und Gedanken dazu?

Ich schreibe Lieder über schöne, aber auch über schwere Zeiten. Für mein neues Album «Who We Used to Be» habe ich etwa einen Song geschrieben, um den Tod von Carrie Fisher zu verarbeiten, bei der ich viele Jahre gelebt habe. Sie starb 2016 – es hat mich also Jahre gekostet, «Dark Thought» zu schreiben.

Ein weiterer trauriger Song ist «The Girl That Never Was». Er handelt davon, dass man eine Familie gründen will und von den damit einhergehenden Erfolgen und Misserfolgen. Ich hatte in vielerlei Hinsicht Glück, aber ich hatte auch mit Schlachten zu kämpfen, die ich verloren habe. Musik ist meine Art, das zu verarbeiten.

Musik ist generell etwas vom wenigen auf der Welt, das Menschen zusammenbringt. Wenn Politiker versuchen, uns zu spalten, ist Musik das Einzige, was Fremde in einem Raum zusammenbringt.

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Wie sind Sie auf den Albumnamen gekommen?

Ich habe es «Who We Used To Be» genannt, weil ich vor langer Zeit ein junger Mann mit Träumen und der Hoffnung war, ein Musiker zu werden, aber viele Fragen hatte: Wer ich sein würde, wen ich kennen lernen, was ich tun, wohin ich gehen würde – die üblichen Fragen des Lebens. Jetzt bin ich in einer Phase, in der die meisten dieser Fragen beantwortet sind. Ich bin schon eine ganze Weile Musiker, ich habe die Person getroffen, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen will, und ich weiss, wohin ich gehen werde.

Aber damit ändert sich auch meine Stellung in der Welt. Meine Eltern werden älter, ich muss anfangen, mich um sie zu kümmern, anstatt dass sie sich um mich kümmern. Ich schreibe also keine Lieder über mich, sondern über die Menschen, um die ich mich jetzt kümmern muss, meine Frau, meine Kinder. Jetzt habe ich neue Fragen und neue Inspirationen. Es ist wirklich ein Erwachsenen-Album.

Hat sich Ihre Musik also verändert?

Ja, ich spreche über grössere Dinge, als ich es vielleicht noch tat, als ich ein Teenager war. Anstatt einfach der Typ zu sein, der in der U-Bahn an einem Mädchen vorbeigeht und sie in einem Lied «beautiful» nennt, habe ich einen Song geschrieben, der eine weitaus tiefere Aussage hat. Darin heisst es: «All the love I ever needed I got it from you.»

Sie haben kürzlich offenbart, dass Kanye West einst mit Ihnen zusammenarbeiten wollte. Es ist aber nie dazu gekommen. Was ist passiert?

Er rief an und fragte, ob wir zusammen einen Song schreiben wollen. Er ist so ein erfolgreicher Songwriter, und zu der Zeit hat mich das so umgehauen, dass ich es nicht wirklich verarbeiten konnte. Ich hätte ihn zurückrufen sollen – aber ich konnte einfach nicht verstehen, warum er mit mir arbeiten will, also habe ich es nicht getan. Heute bereue ich das.

Nächstes Jahr gehen Sie auf eine Tournee, die Sie unter anderem auch nach Zürich führen wird. Freuen Sie sich darauf?

Sehr, ich wurde dazu geboren, auf Tournee zu gehen. Ich lebe dann mit 15 anderen Männern in einem Tourbus, und wir fahren um die Welt. Die Konzerte sind für die Leute immer eine Überraschung, weil nicht nur ich mit einer Gitarre dastehe und miserable Songs singe – ich habe eine Band, und die sind die Rockstars, die ich immer sein wollte.

«Who We Used To Be» erscheint am 27. Oktober bei Atlantic Records.