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Künstliche Intelligenz
Ingenieur mit Schweizer Wurzeln revolutioniert das Chip-Design

«Überall alles tun zu wollen, ist nicht effizient»: Aart de Geus, Gründer und Verwaltungsratspräsident des Software-Spezialisten Synopsys, hier bei einer Fachkonferenz in Taiwan 2018. 
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Die leistungsfähigsten Computerchips werden bald nicht mehr von Menschen entworfen. Mit ihren Abermilliarden von Transistoren und Schaltkreisen sind die winzigen Silizium-Scheibchen so komplex geworden, dass künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, abgekürzt AI) bei ihrem Design nachhelfen muss.

Im Wissenschaftsmagazin «Nature» berichtete Google Anfang Juni, dass seine Chip-Ingenieure mithilfe von künstlicher Intelligenz innerhalb von sechs Stunden einen Prozessor entwarfen, für dessen Entwicklung Menschen Monate gebraucht hätten. Mit dem Ziel einer optimalen Anordnung von Bauteilen auf dem Chip wurde Googles AI-System mit 10’000 bereits bekannten «Grundrissen» gefüttert. Die mentale Knochenarbeit besorgten dann lernfähige, also intelligente Rechner.

Künstliche Intelligenz schlägt Mensch

Was Google einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis brachte, daran arbeitet das Unternehmen Synopsys schon länger. Der führende Softwarelieferant der Chipindustrie nutzt ebenfalls künstliche Intelligenz für seine Designtools.

Vergangenen September habe ein einzelner Chipentwickler eine Aufgabe innert Wochen lösen können, die ohne künstliche Intelligenz ein Dutzend Ingenieure bis zu vier Monate beschäftigt hätte, berichtet Aart de Geus, Gründer, Co-CEO und Verwaltungsratspräsident von Synopsys. «Seit Anfang Jahr erhalten wir mit AI sogar noch bessere Resultate als mit Menschen», sagt der Unternehmer.

Synopsys ist eine auf Schweizer Boden gewachsene Erfolgsgeschichte. Der gebürtige Holländer De Geus wuchs in Basel auf und schloss an der EPFL Lausanne als Elektroingenieur ab. Für ein Promotionsstudium in den USA zog er nach Texas. Anschliessend ging De Geus in die Industrie und gründete 1986 im Silicon Valley sein Unternehmen Synopsys.

Prominente Kontakte: Synopsys Gründer Aart de Geus (rechts) traf Kaliforniens damaligen Gouverneur, Arnold Schwarzenegger, bei einem Treffen mit den Grössen des Silicon Valleys im Jahr 2004. 

Heute ist De Geus 67 Jahre alt und weiterhin Chef seines Unternehmens, das sich zu einem Milliardenkonzern gemausert hat: Synposys beschäftigt über 15’000 Menschen in 13 Ländern und erwirtschaftet fast 4 Milliarden Dollar. An der Börse wird das Unternehmen mit rund 41 Milliarden Dollar bewertet.

Analyst Dave Altavilla bezeichnet Firmengründer De Geus als «echtes Schwergewicht der Halbleiterindustrie». Der Synopsys-Gründer will die bahnbrechende AI-Technologie seines Unternehmens im August mit einer Keynote an der Branchentagung Hot Chips einführen. Die Design-Werkzeuge von Synopsys können in Altavillas Augen als «kritische Technologie dabei helfen, die gegenwärtige Chipknappheit zu überwinden».

Weltmarkt dürfte sich verdoppeln

Der weltweite Mangel an Prozessoren, Mikrocontrollern und anderen Chips zeitigt seit Anfang Jahr unerfreuliche Folgen: Unter anderem mussten Autohersteller ihre Produktion herunterfahren, und die Preise von Computern und Printern sind gestiegen. Dass viele Industrieunternehmen wegen der Covid-Pandemie letztes Jahr zu wenig Chips bestellten, die sie jetzt wieder dringend benötigen, ist nur eine Erklärung des Notstands.

Die andere liegt darin begründet, dass die Halbleiterindustrie vor einem epochalen Boom steht – ganz unabhängig von Corona. Laut Branchenbeobachtern wurden im April weltweit fast 100 Milliarden Chips ausgeliefert, wesentlich mehr als die 73 Milliarden im Januar vor der Pandemie. Schätzungen zufolge dürfte sich der Weltmarkt für Halbleiter von gegenwärtig rund 500 Milliarden Dollar im Jahr bis 2030 auf 1200 Milliarden mehr als verdoppeln.

De Geus erklärt die dramatisch steigende Nachfrage damit, dass Unternehmen in den meisten Industriebranchen ihre Produkte mit sogenannten «smarts» ausrüsten – also mit intelligenten Prozessoren und Sensoren. «Alle verlangen mehr Computerleistung», sagt der Software-Pionier. Er ortet wachsenden Bedarf nicht nur bei Smartphones und PCs. Auch der Vormarsch des «Internets der Dinge» – also selbstfahrende Fahrzeuge und die vernetzte Industrieproduktion – feuert die Chipnachfrage an. Der Trend erfasst sogar die Landwirtschaft; künftig würden Bauern ihre Felder ferngesteuert inspizieren lassen.

Chips werden leistungsfähiger

Der Synopsys-Gründer ist fasziniert davon, wie lange die Zahl von Transistoren auf Mikrochips exponentiell gesteigert werden konnte. In den 1980ern konnten Menschen erstmals persönliche Computer kaufen. In den 1990ern begann das Internet die PCs miteinander zu verbinden; danach wurden sie in Form von Smartphones mobil. Zuletzt kam die Cloud hinzu und damit verbunden all die zunehmend intelligenten Geräte an der Peripherie der Netze.

«Die nächsten Jahrzehnte», sagt De Geus voraus, «werden ein Zeitalter von ‹smart everything› sein.» Die AI-Software seines Unternehmens werde es zusätzlichen Unternehmen ermöglichen, massgeschneiderte Chips zu entwickeln. So könnte die neue Technologie das Design von Halbleitern demokratisieren.

«Wir müssen globaler werden, denn die grossen Fragen – Covid, Klimawandel – sind überwältigend gigantische Probleme.»

Aart de Geus, Gründer und Präsident von Synopsys

Nach 35 Jahren an der Spitze der technologischen Entwicklung hat der Synopsys-Chef seinen Enthusiasmus nicht verloren – aber auch nicht die Paranoia, die es für den Erfolg im Silicon Valley braucht. «Es gibt keinen Tag, an dem ich mir nicht um etwas sorge», sagt er.

Unter anderem bekümmert De Geus, dass im Rennen zwischen den führenden Ländern USA, Taiwan, Südkorea und China um die Vorherrschaft im Chipmarkt sich zunehmend Nationalismus breitmacht. «Wir müssen globaler werden, denn die grossen Fragen – Covid, Klimawandel – sind überwältigend gigantische Probleme», sagt er. Er hält eine global verwobene Wertschöpfungskette für positiv für den Weltfrieden, aber auch hinsichtlich Produktivität: «Überall alles tun zu wollen, ist nicht effizient.»

Lob auf Schweizer Ausbildung

Die Schweiz sei im internationalen Wettbewerb gut positioniert, vor allem bei der Ausbildung, sagt De Geus. «Unlängst haben wir ein paar Abgänger der EPFL angestellt. Je enger sich die Schweiz mit der ‹state of the art› verknüpft, desto besser.» Persönlich sei er sehr froh um die Breite der Ausbildung, die ihm die Schweiz ermöglicht habe.

Die Verbindung von Fachkenntnis und einem Blick aufs Ganze könnte das Erfolgsrezept von Aart de Geus und seinem Unternehmen sein, glaubt der Analyst Karl Freund von Cambrian AI Research. «Mit seinem sehr viel gesamtheitlicheren Zugang zu Automatisierung und Optimierung hat Aart das Niveau der Industrie stärker angehoben, als ich es irgendwo sonst gesehen habe», urteilt der Experte. Intelligenz – die künstliche und jene ihres Co-CEO – verspreche eine positive Zukunft: «Synopsys ist gut gerüstet, das explosive Wachstum bei den Chip-Designs zu nutzen.»