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Kontroverse um Heiratsstrafe
Ständerat warnt vor «Revolution» und baut Steuer­vorlage nach konservativem Gusto um

Romantisches frisch verheiratetes Paar umarmt sich auf einem städtischen Dach bei Nacht, umgeben von Lichtern.
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In Kürze:
  • Im Ständerat sorgt die Individual­besteuerung für emotionale Debatten.
  • Konservative Kräfte haben die Vorlage umgebaut.
  • Daran könnte die Individual­besteuerung scheitern.
  • Ein Entscheid wird nächste Woche erwartet.

Eine Revolution! In der Schweiz! Dort, wo es alle betrifft: beim eigenen Portemonnaie. Das Wort «Revolution» fällt im sonst so bedächtigen Ständerat nicht häufig. Ausgerechnet bei der Steuerpolitik gingen am Dienstag aber die Emotionen hoch.

Mitte-Ständerat Pirmin Bischof warnte, die Vorlage für die Individual­besteuerung sei die grösste Revision des schweizerischen Einkommensteuerrechts, die es je gab. «Eine eigentliche steuerrechtliche Revolution!» Seine Parteikollegin Marianne Binder-Keller legte noch eins drauf: «Die Revolution frisst bekanntlich ihre eigenen Kinder.» FDP-Präsident Thierry Burkart konterte: «Die Gegner von Revolutionen sagen immer, Revolutionen seien absurd.» Weil sie nicht wahrnehmen würden, dass sich die Gesellschaft verändert habe.

Für die Befürworter ist die Individualbesteuerung eine längst fällige Revolution. Weil sie dafür sorgen würde, dass verheiratete Doppelverdiener im Vergleich zu Konkubinatspaaren nicht mehr benachteiligt wären. Damit würden die Anreize erhöht, dass beide Partner (hochprozentig) arbeiten.

Für die Gegner ist sie derweil eine gefährliche Revolution. Weil sie für die Kantone hohen administrativen Aufwand bringt – und weil Einverdiener-Ehepaare im Vergleich zu Doppelverdienern benachteiligt wären.

Allianz von Liberalen und Linken für Individual­besteuerung

Diskutiert wird im Parlament ein Gegenvorschlag zur Initiative der FDP-Frauen: Beide Ehepartner müssten künftig eine separate Steuererklärung ausfüllen. Verheiratete Doppelverdiener-Paare würden steuerlich weniger belastet. Und beide Partner müssten Kinderabzüge einzeln machen. Kostenpunkt: 870 Mil­lionen Franken, via Mindereinnahmen bei den Steuern.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter argumentierte: «Mit der Individual­besteuerung würden Ehepaare gegenüber Konkubinatspaaren nicht mehr benachteiligt.» Zudem schaffe man Erwerbsanreize, insbesondere für Frauen. Und weil 40 Pro­zent der Paare ohnehin geschieden würden, sei der Mehraufwand von zwei separaten Steuererklärungen für alle «nicht das Königsargument», so die FDP-Bundesrätin.

Die FDP-Frauen würden ihre Initiative zugunsten des Gegenvorschlags zurückziehen. Im Nationalrat haben sie eine Allianz gebildet mit GLP, SP und Grünen. Und erreichten so ein knappes Ja. Falls alle liberalen und linken Kräfte Ja stimmen, würde es auch im Ständerat haarscharf für eine Mehrheit reichen. Der Entscheid fällt voraussichtlich nächsten Montag, wenn die Debatte weitergeführt wird. Allerdings gibt es bei manchen Linken Bedenken über die hohen Steuerausfälle – zumal vor allem Gutverdienende vom neuen Modell profitieren würden.

Für eine Mehrheit von SP und Grünen war bisher das Argument der Gleichstellung entscheidend: dass die Individualbesteuerung nämlich dafür sorgen würde, dass mehr Frauen in den Arbeitsmarkt kommen, hochprozentiger arbeiten und damit im Alter auch besser abgesichert sind.

Steuerausfälle als mögliches Killerargument

Nun haben aber konservative Vertreter im Ständerat – zusammen mit Freisinnigen – die Vorlage umgebaut. Sie wollen dafür sorgen, dass Einverdiener-Ehepaare nicht benachteiligt werden. Dies, indem Kinderabzüge weiterhin von einem Partner auf den anderen übertragen werden könnten. Die Konsequenz: Die Vorlage kostet noch mehr. Damit ist unsicher, ob einzelne Vertreter der SP nächste Woche ausscheren werden und die veränderte Vorlage ablehnen. Weil die Lager der Gegner und der Befürworter fast gleich gross sind, könnten die Steuerausfälle zum Killerargument für die Vorlage werden.

Mitte und SVP haben die Individualbesteuerung von Anfang an bekämpft. Sie dürften weiterhin grossmehrheitlich Nein stimmen – obwohl die Vorlage nach ihrem Gusto umgebaut worden ist. Denn die Mitte will zwar die sogenannte Heiratsstrafe abschaffen – aber mit einer eigenen Initiative «für faire Steuern». Diese will die gemeinsame Besteuerung von Paaren beibehalten, aber ein sogenanntes Ehepaar-Splitting einführen.

Falls die Vorlage im Ständerat nächste Woche durchfällt, ist die «Revolution» noch nicht ganz begraben: Die Vorlage geht dann zurück in den Nationalrat. Dieser könnte versuchen, einen neuen Kompromiss zu bauen.