Verschärftes SexualstrafrechtIn Spanien gilt «Nur Ja heisst Ja»
Vergewaltigung wird in Spanien neu als «Sex ohne eindeutige Zustimmung» definiert. Das Land gilt schon länger als Vorreiter im Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen.
Sex ohne ausdrückliche Zustimmung wird von spanischen Gerichten künftig grundsätzlich als Vergewaltigung eingestuft. Das Parlament in Madrid verabschiedete am Donnerstag eine als «Nur-Ja-heisst-Ja»-Gesetz bezeichnete Neuregelung mit 205 Stimmen. 141 Abgeordnete lehnten die Reform ab, die Vergewaltigung als «Sex ohne eindeutige Zustimmung» definiert. Keine Frau werde künftig mehr «beweisen müssen, dass Gewalt oder Einschüchterung im Spiel waren», damit ein sexueller Angriff als solcher eingestuft werde, sagte Gleichstellungsministerin Irene Montero.
Die erste Lesung des «Nur-Ja-heisst-Ja»-Gesetzes hatte im Mai stattgefunden. «Zustimmung wird nur anerkannt, wenn eine Person diese aus freien Stücken durch Handlungen demonstriert hat, die im Kontext der Umstände des Falls klar den Willen der Person ausdrücken», heisst es darin. «Endlich erkennt unser Land rechtlich an, dass Zustimmung im Zentrum all unserer Beziehungen stehen muss», hob Gleichstellungsministerin Montero hervor.
Die Reform verschärft auch die Regeln für Belästigung auf der Strasse, erweitert den Sexualunterricht in Schulen und stärkt den Schutz sowie die Entschädigung der Opfer sexueller Gewalt. Marisa Soleto, Leiterin der Stiftung Mujeres (Frauen), sagte der Nachrichtenagentur AFP, sie hoffe, das Gesetz werde «eine Verhaltensänderung in Spanien und darüber hinaus bewirken».
Massenproteste nach Gruppenvergewaltigung
In den vergangenen Jahren hatten Fälle von Gruppenvergewaltigungen in Spanien für grosses Entsetzen und Massenproteste gesorgt. So vergewaltigten 2016 während des San-Fermín-Festivals in Pamplona fünf Männer eine 18-Jährige, zwei der Männer filmten das Verbrechen. Die Täter waren zunächst wegen «sexuellen Missbrauchs» und nicht wegen «Vergewaltigung» und damit zu niedrigeren Strafen verurteilt worden.
Das Gericht hatte es als zustimmendes Verhalten gewertet, dass die junge Frau in den Filmaufnahmen still und passiv wirkte und sich nicht aktiv zu wehren schien. Das Urteil löste landesweite Proteste aus. 2019 kippte Spaniens Oberster Gerichtshof das Urteil und verurteilte alle fünf Männer wegen Vergewaltigung. Ihre Haftstrafen wurden jeweils von neun auf 15 Jahre erhöht.
Der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sanchez hat sich die Frauenrechte auf die Fahnen geschrieben. Bei seinem Amtsantritt 2018 kündigte er an, eine Verschärfung des Sexualstrafrechts auf den Weg zu bringen. Spanien gilt als Vorreiter im Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen. Bereits 2004 hatte das Land das erste Gesetz in Europa verabschiedet, das sich speziell gegen häusliche Gewalt richtet.
In der Schweiz gilt «Nein heisst Nein»
Laut einer Untersuchung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International haben nur zwölf von 31 europäischen Ländern ihre Definition einer Vergewaltigung dahingehend geändert, dass es sich um Sex ohne eindeutige Zustimmung handelt. Dazu zählen Belgien, Dänemark und Kroatien. Schweden war mit einer entsprechenden Gesetzesreform im Jahr 2018 Vorreiter.
Auch in der Schweiz wurde in den letzten Jahren über eine Revision des Sexualstrafrechts debattiert. Der Ständerat entschied sich im Juni für die sogenannte Widerspruchslösung, also «Nein heisst Nein». Dies bedeutet, dass für eine Vergewaltigung nicht mehr, wie bisher, eine Nötigung vorliegen, dass also keine körperliche oder psychische Gewalt ausgeübt werden muss. Stattdessen reicht ein «Nein» des Opfers. Menschenrechts- und Frauenorganisationen wie Amnesty International geht dieses Gesetz jedoch zu wenig weit. Sie fordern die Zustimmungslösung, also «Nur Ja heisst Ja».
AFP/lif
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