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Impressionen aus Helvécia

Mit 105 Jahren ist Maria da Conceição der älteste Mensch in der ehemaligen Kolonie.
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Wenig wissen die meist dunkelhäutigen Bewohner Helvécias von der Geschichte ihres Dorfes, das fast 1000 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro am Atlantik liegt. Ihr Gedächtnis reicht eine, allenfalls zwei Generationen zurück, wie der Fotograf Dom Smaz und die Journalistin Milena Machado Neves bei ihren Reportagereisen festgestellt haben. 

«Warum richtest du das Licht direkt auf mich? Weil ich der Schwärzeste bin, ist es das?» - Damacio Jesuino Merilho (in der Mitte).

1818 wurde die Kolonie Leopoldina, zu der auch das Dorf Helvécia gehört, von Siedlern aus Deutschland und der Schweiz gegründet. Die äusserst fruchtbare Landschaft erschien den Schweizer Auswanderern wie die Voralpen im Kanton Freiburg. Sie legten riesige Kaffeeplantagen an, auf denen Sklaven aus Afrika die Arbeit erledigten. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen auf 200 weisse Siedler 2000 schwarze Sklaven, die auf 40 Plantagen arbeiteten. Schnell gelangten die europäischen Siedlerfamilien zu Reichtum.

Die Bilanz dieser Plantage, die von den Neuenburgern Charles Louis Borrel, Pierre-Henri Béguin und Philippe Huguenin gemeinschaftlich bewirtschaftet wurde, erwähnt die Beschäftigung mehrerer Schwarzer Sklaven. Unter den aufgelisteten «Objekten» befinden sich «9 Schwarze, davon 6 Männer und 3 Frauen zu 250’000 Réis pro Stück» sowie eine «kleine Negerin, die auf 40’000 Réis geschätzt wird».
Carlos Henrique Cerqueira ist der Enkel von Henrique Sulz, dem ersten der Familie Sulz, der in die alte Kolonie einwanderte. Seine Mutter ist Emilia Sulz, die erste Lehrerin von Helvécia. Die Sulz sind die einzigen Schweizer Nachkommen, die noch im Dorf leben. Der Name Sulz lautete ursprünglich Schulz, wurde aber bei ihrer Ankunft in Brasilien falsch geschrieben.
Die Brüder Domingos (links) und Ednilson Krull de Souza sind Nachkommen einer der reichsten Familien der Leopoldina-Kolonie. Die ersten Mitglieder der Familie Krull (die Brüder Ernesto und Francisco), die in die Region kamen, erbten Land vom Hamburger Konsul in Bahia, Peter Peycke, einem der Gründer der Kolonie. In den 1850er Jahren besassen sie mehr als hundert Sklaven, die ihr Land bearbeiteten.

Ende des 19. Jahrhunderts verliessen die meisten Europäer die Gegend, da Brasilien 1888 die Sklaverei verbot und die Plantagenwirtschaft die Böden so stark ausgelaugt hatte, dass es sich nicht mehr lohnte, weiterzumachen. Geblieben sind die Nachkommen der ehemaligen Sklaven, die heute in ärmlichen Verhältnissen in einem Dorf leben, dessen Namen ihnen gar nichts mehr sagt.

«Meine Vorfahren waren Afrikaner. Ihr Blut fliesst in mir. Durch Capoeira verteidige ich ihre Kultur. Es ist mein Erbe.» - Reginaldo Cecilio Antonio
 (links). Der Capoeira-Meister von Helvécia legt grossen Wert darauf, die Tradition seiner Kunst an die neue Generation weiterzugeben. 
Junge Schüler der Schule «Arte Capoeira Bahia», die von Reginaldo Cecilio Antonio geleitet wird, trainieren die brasilianische Kampfkunst vor dem ehemaligen Bahnhof von Helvécia. Dieser Bahnhof wurde 1898 gebaut, hauptsächlich um Kaffee aus der Kolonie zu exportieren.

Auf der Suche nach Spuren der Kolonialgeschichte haben der schweizerisch-brasilianische Fotograf Dom Smaz und die brasilianische Journalistin Milena Machado Neves Helvécia mehrmals besucht. Dabei sind Fotos vom pulsierenden Leben der Jugend entstanden, aber auch statisch wirkende Aufnahmen mit zumeist älteren Bewohnern, in denen die Zeit eingefroren zu sein scheint. 

José Maia, ein Einwohner von Helvécia, verkaufte alle Ziegel seines Daches zu einem guten Preis an einen vorbeikommenden Ausländer, der sehr an ihnen interessiert war. Diese alten Ziegel wurden von Sklaven hergestellt.

Die Fotoreportage wird mit Interviews, historischen Forschungsbeiträgen und Essays ergänzt, die das Buch zu einer spannenden Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit der Schweiz machen.