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Hohe Corona-Zahlen in Indien
Impfkrise beim grössten Hersteller von Vakzinen

Die weltgrösste Impfkampagne stockt: Im Impfzentrum in Mumbai sind Impfstoffe nicht an Lager.
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Es sind keine guten Tage für Narendra Modi. Auf einer Dienstreise nach Bangladesch in der vergangenen Woche wurde heftig gegen den indischen Premier protestiert, weil der Hindunationalismus seiner Bharatiya-Janata-Partei (BJP) im mehrheitlich muslimischen Nachbarland genau beobachtet wird. Die Unterstützung der Militärjunta in Burma durch Indien wurde international kritisiert.

Und dann gingen die Covid-19-Zahlen nach oben wie seit Monaten nicht mehr. Sie waren zwischenzeitlich um 90 Prozent im Vergleich zum September 2020 auf unter 10’000 Neuansteckungen pro Tag gesunken. Doch wie schon im vergangenen Spätsommer füllen sich nun die Spitalbetten. Einkaufszentren, ausgemusterte Züge und öffentliche Gebäude werden als Behandlungszentren umgenutzt, wie CNN berichtet.

Mit 103’558 neuen Fällen allein am Montag verzeichnete Indien den höchsten Tagesansteckungswert seit Beginn der Pandemie. Am gleichen Tag starben 478 Inder am Virus, was die Gesamtzahl der Toten auf 165’101 erhöhte.

Beim Verhältnis von Ansteckungs- zu Todeszahlen gibt es einen grossen Unterschied zwischen Indien, Brasilien und den USA, den anderen beiden Spitzenreitern in der Hitliste des Grauens. Nach Ansicht der meisten Gesundheitsexperten liegt das vor allem daran, dass Indien eine besonders junge Bevölkerung hat.

Die mit viel Getöse angekündigte Impfkampagne hat bisher nicht gegriffen. Stattdessen wurde Kumbh Mela gefeiert, das grösste religiöse Fest, bei dem Zehntausende ohne Maske im Ganges badeten. (Lesen Sie zum Thema den Artikel «Der heilige Fluss droht zur Virenschleuder zu werden»)

Zweite Welle fegt auch durch Bollywood

Im besonders betroffenen, wirtschaftlich bedeutenden Bundesstaat Maharashtra mit etwa 110 Millionen Einwohnern, in dem auch die Finanzmetropole Mumbai und mit Bollywood der grösste Teil der Filmindustrie liegen, soll es ab kommendem Wochenende einen harten Lockdown geben, um die Zahlen in den Griff zu bekommen.

«Wir werden Restriktionen erlassen, aber auch darauf achtgeben, die Wirtschaftsabläufe sowie die Arbeiter und Angestellten nicht zu behindern», gab die Regionalregierung in einer Medienmitteilung bekannt. Indien war im vergangenen Jahr wirtschaftlich schwer getroffen worden von der Pandemie, mit einem Rückgang der Wachstumszahlen um knapp 24 Prozent allein im zweiten Quartal 2020.

Noch einmal will man die sich leicht erholende Wirtschaft nicht hart abwürgen. Der öffentliche Nahverkehr wird in Maharashtra weiterlaufen, wenn auch nur auf 50 Prozent der normalen Kapazität. Filmdreharbeiten dürfen fortgesetzt werden. Dabei gab sogar Akshay Kumar, einer von Indiens grössten aktuellen Filmstars, diese Woche per Twitter bekannt, dass er sich mit einer Covid-19-Erkrankung ins Spital begeben habe, «als Vorsichtsmassnahme unter medizinischer Aufsicht». Die zweite Welle fegt auch durch Indiens Filmindustrie.

Oommen Kurian, Kopf der Gesundheitsinitiative der indischen Observer Research Foundation in Delhi vermutet, dass der Winter, die Impfkampagne und die generelle Erschöpfung in der Bevölkerung die Umsicht hätten zurückgehen lassen. Für die nachlassende Vorsicht gibt es einen weiteren Grund. «Bei den ganzen Diskussionen um Vakzine und Indiens führende Rolle in der Produktion haben viele Leute den Eindruck, das Virus würde das Gefecht ohnehin verlieren», sagte Kurian zu CNN, «unglücklicherweise ist das nicht der Fall.»

Neu wird auch Sputnik V in Indien produziert

Während die BJP-Regierung Impfpolitik betreibt und sich für jede Lieferung von Vakzinen in Nachbarländer feiern lässt, gerät die einheimische Impfkampagne ins Stocken. Bis August sollten 600 Millionen Inder geimpft sein. Bisher wurden aber erst 76 Millionen erste Dosen verabreicht, weniger als ein Prozent der gesamten Bevölkerung ist voll geimpft, wie die Johns-Hopkins-Universität in dieser Woche bekannt gab.

Es hat dem Zutrauen der indischen Bevölkerung nicht geholfen, dass der Impfstoff, der vom Serum Institute of India produziert wird, dem grössten Vakzin-Hersteller weltweit, ausgerechnet der von AstraZeneca ist, der auch in Europa in die Kritik geraten ist. Allerdings produziert das Serum Institute eben nicht nur für Indien, sondern für die 92 ärmsten Länder der Welt.

Bis August sollten 600 Millionen Inder geimpft sein: Warteschlange im Impfzentrum in Prayagraj.

Die Impfdosen werden von Gavi bezahlt, einer Allianz wohlhabender Länder und unter anderem der Bill Gates Foundation. Seit einer Woche wird nun auch der russische Impfstoff Sputnik V in Indien hergestellt. Das Wichtigste für die indische Regierung unter Narendra Modi scheint es derzeit zu sein, die Vormachtstellung Chinas mit Impfpolitik zurückzudrängen. Die Regierung in Peking versorgt einige der direkten Nachbarn Indiens mit Impfstoff, unter anderem den Erzrivalen Pakistan.

Aus Delhi gab es dafür Lieferungen nach Bangladesch, das sich vor ziemlich genau 50 Jahren die Unabhängigkeit von Pakistan in einem Krieg erkämpft hatte. Indien hatte Bangladesch, das damalige Ostpakistan, militärisch unterstützt. Als Narendra Modi in der vergangenen Woche zum Jahrestag anreiste, kam es trotzdem zu heftigen Protesten gegen den indischen Premier. Dabei wurden vier Demonstranten getötet. Dass Indien nun Vakzine liefert, war den Protestierenden offensichtlich egal.