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Immobiliendeals platzen
Preise für Häuser, Wohnungen und Büros kommen ins Rutschen

Ein altes Haus inmitten eines neuen Wohngebiets, fotografiert am 24. September 2021 in Buochs Ennetbuergen. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Was noch vor einem Jahr undenkbar war, ist jetzt Realität: Verkäufe von Anlage- und Renditeimmobilien platzen. Das erzählt Anja Meyer. Die Inhaberin und Chefin von Smeyers Immobilien kennt sich bestens in diesem Segment aus, unter anderem berät ihr Unternehmen Hauseigentümerinnen und Investoren beim Kauf und Verkauf dieser Immobilien.

Diese werden auch von Pensionskassen oder Versicherungen gehalten. Denn während der Negativzinsphase war Betongold ein beliebter Anlagehafen, der eine sichere Rendite versprach. Aber genau in diesem Segment werden sich Verkäufer und Käuferinnen beim Preis nun nicht mehr einig.

Der Grund ist die Trendwende am Immobilienmarkt: Manches Objekt ist in der Bilanz der Pensionskasse oder anderer Investoren nun mit einem zu hohen Wert ausgewiesen. Denn in der Zwischenzeit hat sich das Zinsumfeld verändert und andere Anlagemöglichkeiten, wie Obligationen, sind wieder attraktiver. Das schmälert den Wert der Immobilien.

Und weil Pensionskassen das Risiko eines Abschreibers nicht eingehen wollen, kommen die Verkäufe nicht zustande. «Die letzten zehn Jahre haben wir es praktisch nicht erlebt, dass Transaktionen nicht zustande kommen», sagt Meyer. Sie sieht eine Veränderung im Markt, auch wenn sie keine grossen Preiskorrekturen erwartet.

Alle Lagen und Immobiliensegmente kommen unter Druck

Weniger optimistisch fällt die jährliche Umfrage des Unternehmensberaters KPMG unter 350 Immobilieninvestoren und -bewertern aus. Sie repräsentieren ein Anlage- und Bewertungsvolumen von rund 350 Milliarden Franken. Der sogenannte «Swiss Real Estate Sentiment Index» gilt als Vorlaufindikator für Entwicklungen auf dem Schweizer Immobilienanlagemarkt über die kommenden zwölf Monate und liegt der SonntagsZeitung exklusiv vor.

Erstmals seit Beginn der Erhebung 2012 sind die Preiserwartungen für alle Immobiliensegmente negativ: Eine von drei befragten Fachpersonen erwartet sogar für Wohnimmobilien einen Preisrückgang. Bei Büro-, Verkaufs-, Gewerbe- und Spezialimmobilien sehen zwischen 66 und 87 Prozent sinkende Preise. In welcher Grössenordnung der Rückgang eintreten wird, wurde nicht gefragt. Doch bestätigt die Umfrage die Erfahrung anderer Immobilienexperten.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in Bezug auf die Lage: Fast alle Befragten erwarten eine negative Preisentwicklung in peripheren Lagen. Erstaunlich ist, dass 28 Prozent Preisreduktionen neu auch in zentralen Lagen sehen.

Diese Annahme hängt mit dem Kaufzeitpunkt der Immobilien zusammen: «Je jünger das Portfolio, desto grösser ist das Risiko, den gewünschten Preis nicht mehr realisieren zu können», sagt Beat Seger, Partner und Immobilienexperte bei KPMG Schweiz. Grund seien die gestiegenen Zinsen und Bewertungen der Immobilien, die zum Teil noch nicht an das aktuelle Marktumfeld angepasst wurden.

Foto Manuel Geisser 10.10.2020 : Mietwohnungen Neubau Spielplatz *** Photo Manuel Geisser 10 10 2020 Rental apartments new building playground PUBLICATIONxNOTxINxSUI

Auch bei den bisher stark nachgefragten Einfamilienhäusern erwarten Experten Preiskorrekturen. Erste Anzeichen, dass sich das Interesse abkühlt, mehren sich: Zurzeit erhält Donato Scognamiglio Mails von besorgten Menschen, denen es nicht gelingt, ihre Wohnung oder ihr Haus zu verkaufen, und ihn um Rat bitten. Oft sei der Fall klar: «Ich rate Ihnen, Geduld zu haben oder den Preis zu reduzieren, um mehr Interessenten zu finden», sagt der langjährige CEO und heutige Präsident der Immobilienfirma Iazi.

Zahlen der Immobilienberatung Wüest Partner zu Suchabos und Inseraten für Einfamilienhäuser und Wohnungen zeigen eine sinkende Nachfrage bei wachsendem Angebot.

In den vergangenen zehn Jahren ging der Trend stark in die andere Richtung: Die Nachfrage überstieg in vielen Regionen das Angebot, was die Preise trieb: Laut Bundesamt für Statistik stiegen die Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen seit Anfang 2020 bis heute im Schnitt zwischen 14 und 21 Prozent. Noch immer sind Einfamilienhäuser rar und teuer, aber der Preisboom ist erst mal vorbei.

«Wir spüren am Markt eine deutlich geringere Nachfrage nach Wohneigentum», sagt Fredy Hasenmaile, Chefökonom der Raiffeisen Schweiz. Einzelne Makler würden von Nachfragerückgängen zwischen 20 und 30 Prozent sprechen. Hasenmaile erwartet im nächsten Jahr eine moderate Preiskorrektur im tiefen einstelligen Bereich in mehr oder weniger allen Regionen.

Dass die Zinswende beim Wohneigentum angekommen ist, zeigt eine Auswertung von Wüest Partner in den Regionen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal sanken die Preise für Einfamilienhäuser im zweiten Quartal 2023 mit über 2 Prozent am stärksten unter anderem im Jura, in Lugano, Mendrisio, Bellinzona, der Innerschweiz, dem Sarneraatal, Saanen und dem Oberen Simmental oder dem Glarner Hinter-, Mittel- und Unterland.

Viele dieser Regionen seien ländlich geprägt, die Einkommen teilweise tiefer als in den Zentren und die guten Anbindungen an diese fehlten, sagt Robert Weinert, Leiter Research bei Wüest Partner. Doch auch in weniger ländlichen Regionen sind die Preise um bis zu 2 Prozent gesunken. Zum Beispiel in den Regionen Winterthur und Basel. Oder in beliebten Agglomerationen wie Ausserschwyz, Einsiedeln, Schwyz oder Luzern.

Doch der Markt sei nach wie vor stabil, sagt Weinert. Die Knappheit des Angebots in anderen Regionen wie beispielsweise Zürich führe zu weiter steigenden Preisen.

In den Regionen, in denen Höchstpreise hingegen nicht mehr erreicht werden, hätten Käuferinnen und Käufer bessere Chancen, beim Preis zu verhandeln. Denn statt wie früher zehn Interessenten seien es heute oft nur noch ein oder zwei Personen, die um ein Einfamilienhaus böten. Doch: «Die meisten Verkäufer müssen nicht verkaufen, und Preisverhandlungen können sich in die Länge ziehen», sagt Weinert. Hier sei Geduld gefragt.

«Wer wirklich verkaufen will, wird mit dem Preis vielleicht um 5 Prozent und mehr heruntergehen», schätzt Donato Scognamiglio. Er beobachtet im Moment eine Vielzahl von Objekten, die auf dem Markt keine Käufer finden, weil ihre Besitzerinnen noch in der «alten Welt» lebten, in der Höchstpreise für Einfamilienhäuser verlangt werden konnten.

«Wir sehen vermehrt Inserate, die zurückgezogen werden. Nicht weil ein Verkauf stattgefunden hat, sondern weil sich kein Käufer finden liess.»

Fredy Hasenmaile, Chefökonom Raiffeisen Schweiz

Dass zunehmend weniger Interessenten für ein Haus bieten, führt aber nicht dazu, dass mehr Käuferinnen und Käufer ihre Chance ergreifen, sondern im Gegenteil zu Unsicherheit: «Es kommt vor, dass ein Interessent vom Kauf absieht, wenn er merkt, dass er der Einzige ist, der für das Objekt bietet», sagt Fredy Hasenmaile.

Auch hätten die Käufer Angst, die Immobilien könnten noch weiter an Wert verlieren. «Wir sehen vermehrt Inserate, die zurückgezogen werden. Nicht weil ein Verkauf stattgefunden hat, sondern weil sich kein Käufer finden liess», sagt der Raiffeisen-Ökonom.

Leerstand wird weiter sinken

Die aktuelle Entwicklung im Segment der Renditeliegenschaften beeinflusst auch die Bautätigkeit der institutionellen Anleger: Sie bauen weniger oder warten bei Projekten ab. Denn neben den Zinsen sind auch die Baukosten gestiegen.

Dazu muss in die Sanierung älterer Objekte investiert werden, um sie auf Nachhaltigkeit zu trimmen, sagt Beat Seger von KPMG. Nicht alle hätten aber das Kapital dazu. Sie seien gedrängt, andere Liegenschaften zu verkaufen. «Dieses Geld fliesst dann nicht in Neubauten, sondern in die Sanierung des Bestands», sagt Seger. Er geht davon aus, dass in den kommenden zwölf Monaten nicht mehr Wohnraum entstehen wird.

Dass in diesem Segment weniger gebaut wird oder Projekte nur langsam fertiggestellt und verkauft werden, führt Raiffeisen-Ökonom Hasenmaile auch auf Projektentwickler zurück, die von steigenden Zinsen und Baupreisen überrascht wurden und nun Schwierigkeiten haben, einen Käufer zu finden, der bereit ist, die hohen Preise zu zahlen.

Grundsätzlich gelte: Ist Wohnraum knapp, wird mehr gebaut. «Doch wir sehen seit 2019, dass Wohnraum knapper und dennoch nicht mehr gebaut wird», sagt Hasenmaile. Schuld daran seien nicht nur die steigenden Zinsen und Baukosten, sondern auch die Hürden beim Bau, wie Einsprachen und fehlendes Bauland.

«Man baut, wenn man daran verdienen kann», sagt Donato Scognamiglio. Und das werde aktuell zusehends schwieriger. Erst wenn die Bodenpreise und Baukosten deutlich sinken und die Mieten durch eine weitere Anpassung des hypothekarischen Referenzzinssatzes weiter steigen, wird wieder mehr gebaut, so Scognamiglio.

«Der Leerstand», sagt der Experte, «wird weiter abnehmen, weil wir nicht genug bauen, solange das Bauen nicht attraktiver wird.»