Problem mit Toiletten doch nicht gelöstIm Hauptbahnhof Zürich stinkt es wieder
Im Bahnhof Löwenstrasse riecht es unangenehm – wie im letzten Sommer. Die SBB bekommen die Probleme mit den WC nicht in den Griff. Es liegt an der Luftzufuhr – und an der Seife.
Er zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Bahnhofs Löwenstrasse: der üble Geruch. Auf den Gleisen 31 bis 34 im Zürcher Hauptbahnhof stinkt es wieder. Seit es dort unten auch noch heiss und stickig ist, fällt es Reisenden wieder ganz besonders auf. Die Beschwerden häufen sich.
Richtig schlimm war es letzten Sommer: Da waberte ein Geruch nach faulen Eiern bis in die Bahnhofshalle empor. Die SBB entschuldigen sich seither auf Plakaten für den Gestank. Ursache ist der Problemzug der SBB – der FV-Dosto. Erst sorgte der Schüttelzug bei den Passagieren für Übelkeit. Dann sorgten die üblen Gase aus den WC für Ekel.
Das Problem ist ihre Funktionsweise. Damit die Tanks nicht ständig geleert werden müssen, sind sie mit sogenannten Bioreaktoren ausgestattet. Dank diesen Minikläranlagen können feste und flüssige Bestandteile getrennt werden. Das Flüssige wird mithilfe von Bakterien gereinigt und während der Fahrt abgelassen. Das Feste wird ebenfalls von den Bakterien zersetzt, damit das Volumen auf das «physikalisch mögliche Minimum» schrumpft, wie der Hersteller eines solchen Zug-WC schreibt. Statt alle paar Tage muss der WC-Tank so nur noch alle paar Monate geleert werden. Ein riesiger Vorteil.
Seit letztem Sommer wissen die SBB, dass diese Bioreaktoren in den 420 Dosto-WC nicht richtig funktionieren. Wieso genau vor allem die Dosto-WC ein Problem sind, war lange nicht klar. Zumal bei den S-Bahn-Zügen vergleichbare Systeme verwendet werden. Damals argumentierten die SBB, die Bakterien müssten sich erst wieder an die viele Arbeit gewöhnen, die die steigenden Passagierzahlen mit sich bringen. Wieso das auf die Dosto-Bakterien in besonderem Masse zutraf, blieb schwammig. Ein Argument lautete, die Bakterien in den S-Bahnen hätten mehr Zeit, sich zwischen den Einsätzen zu erholen, weil diese Waggons öfter Pause machen würden. Auf jeden Fall kündigten die SBB an, die Bakterien aufzufrischen – was aber etwas dauere aufgrund der Wartungszyklen der Züge.
Es hat tatsächlich etwas gedauert – und fängt jetzt schon wieder an. Mittlerweile haben die SBB nämlich bemerkt, dass das Ersetzen der Bakterien nicht den gewünschten Effekt brachte. Es stinkt wieder. Die neuen Bakterien sind schon wieder ausgepowert: «Vereinzelte WC-Systeme der FV-Dosto funktionieren bedauerlicherweise noch nicht wunschgemäss», erklärt SBB-Sprecher Reto Schärli.
Immerhin glauben die SBB, den Grund gefunden zu haben – und es liegt nicht daran, dass die Belastung zu gross ist. Just die Pausen zwischen den Einsätzen scheinen das Problem zu sein. Wenn die Dosto-Züge im Stromsparmodus abgestellt werden, schaltet auch die Lüftung in den WC aus – und den Bakterien wird die Luft abgeschnürt. «Die Sauerstoffzufuhr in den Bioreaktoren ist dann ungenügend», sagt Schärli. Ausserdem ist die Seife zu scharf, die zum Händewaschen verwendet wird. Dieses Abwasser landet ebenfalls im Klärtank des WC. «Die aktuell eingesetzte Seife hemmt die Bioaktivität», so Schärli.
Neue Bakterien, mehr Sauerstoff, andere Seife
Darum werden nun nicht nur die Bakterien nochmals aufgefüllt, sondern auch die Seife ersetzt und die Sauerstoffzufuhr verbessert – was sich allerdings negativ auf die Energiebilanz auswirken wird. Wie gross der zusätzliche Strombedarf ist, ist offen. Ob sich das Problem damit erledigt hat, darf bezweifelt werden. Zumal Schärli von «weiteren langfristigen Massnahmen» spricht, die geplant seien, um die Gerüche zu neutralisieren. «Analyse und Umsetzung werden eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.» Die SBB könnten deshalb zum Zeithorizont noch keine Angaben machen.
Vorerst stinkt es also weiter. Den SBB sei bewusst, dass dies für die Reisenden unangenehm sei. «Wir bitten dafür um Entschuldigung», so Schärli.
Der Tiefbahnhof Löwenstrasse trägt zur Verschärfung des Problems bei. Er befindet sich am Ende des 4,8 Kilometer langen Weinbergtunnels. «Die Luft bleibt in diesem unterirdischen Bahnhof länger stehen als etwa im Bahnhof Bern», sagt Schärli. Der sei zwar auch überdeckt, aber ebenerdig und viel breiter. «Und im vergleichbaren Tiefbahnhof Museumstrasse in Zürich HB verkehren keine FV-Dosto.»
Bauarbeiter streikten wegen Fäkalienregen
Der Bahnhof Löwenstrasse hatte schon bei seinem Bau ein Fäkalienproblem. Als der neue Tunnel unter dem alten Gleisfeld gegraben wurde, hatten einige Züge noch Plumpsklos. Die Notdurft der Passagiere oben tropfte auf die Bauarbeiter unten. Zwar installierten die SBB eine Abdeckung, um die Ausscheidungen aufzufangen – diese war allerdings nicht dicht. Im Oktober 2011 traten die Bauarbeiter in den Streik: Sie weigerten sich, unter diesen «entwürdigenden Bedingungen zu arbeiten», und machten die Pendler mit Flugblättern auf ihre missliche Lage aufmerksam. Im «Tages-Anzeiger» berichtete ein Maurer von seinen Arbeitsbedingungen.
Drei Tage lang stand der Betrieb auf der Baustelle still. Die SBB willigten ein, auf den Gleisen direkt über der Baustelle – Gleis 11, 12, 13 und 14 – eine Rinne zu installieren, um die Fäkalien aufzufangen. Kurze Züge mussten vor der Baustelle halten, bei den langen mussten die vordersten Toiletten abgeschlossen und die Perrons mit Toitois ausgerüstet werden.
Es blieb nicht der einzige Zwischenfall: Bereits 2016, zwei Jahre nach der Eröffnung des neuen Bahnhofs Löwenstrasse, titelte das «Tagblatt»: «Bahnhof Löwenstrasse: Den Pendlern stinkts». Die Ursache orteten die SBB damals im Lüftungssystem der Zug-WC.
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