Geschlechterverteilung in der PolitikIm Neuenburger Kantonsrat haben jetzt die Frauen das Sagen
Eine Forderung der Linken erfüllt sich am Ende von allein: Die Neuenburgerinnen und Neuenburger wählen erstmals mehr Frauen als Männer in ihren Kantonsrat.

58 Frauen, 42 Männer: Das ist die Geschlechterverteilung im künftigen Neuenburger Kantonsparlament. Die Neuenburgerinnen und Neuenburger sorgten am Wahlsonntag für eine nationale Premiere. Noch nie sassen in einem Schweizer Kantonsparlament mehr Frauen als Männer. Im Durchschnitt haben Schweizer Kantonsparlamente einen Frauenanteil von 30,9 Prozent.
Für die Neuenburger Männer wiederum bedeutete dies, dass mehrere Kantonsräte ihre Abwahl hinnehmen mussten. Da sei ein regelrechter Tsunami über die Neuenburger Politik hinweggefegt, hiess es am Ende des Wahlsonntags. Christine Ammann Tschopp, Kantonsrätin und Präsidentin der Neuenburger Grünen, sagte: «Ich freue mich, dass Frauen endlich diesen Platz einnehmen können. Sie haben eine ganz andere Sensibilität und sind mehr auf das gesellschaftliche Kollektiv und das Gemeinwohl ausgerichtet.»
«Es war uns allen klar, dass Frauen Frauen unterstützen müssen, um ein Maximum an Frauen in der Politik zu haben.»
Der Erfolg der Frauen hat sich abgezeichnet. Das Volk wählte bei den letzten Gemeindewahlen beständig mehr Frauen in politische Ämter. Ein Schub kam mit dem Frauenstreik vom 14. Juni 2019. Dieses Ereignis schärfte bei Frauen aller politischen Lager das Bewusstsein, für eine bessere Vertretung in der Politik auch Frauen ausserhalb des eigenen politischen Lagers zu wählen. Oder wie es Ständerätin Céline Varra (Grüne) formuliert: «Es war uns allen klar, dass Frauen Frauen unterstützen müssen, um ein Maximum an Frauen in der Politik zu haben.» Viele legten fortan Wahllisten ein, auf denen nur Frauennamen standen. Prompt folgte 2020 in der Stadt Neuenburg ein erster Durchbruch. Die Frauen erlangten im Stadtparlament die Mehrheit.
Frauen drohte Rückschlag
Die Geschlechterfrage wurde just vor den kantonalen Wahlen erneut intensiv diskutiert. Mit Monika Maire-Hefti (SP) hatte die einzige Frau im Staatsrat ihren Rücktritt eingereicht. Männliche Interessenten an Maire-Heftis Posten gab es viele. Also drohte den Frauen in ihrem Bestreben, mehr Verantwortung zu übernehmen, ein Rückschlag. Doch nun stellten sich Kandidatinnen von der politisch Linken und Rechten zur Verfügung, auch um ein reines Männergremium zu verhindern. Für Ständerätin Varra war das keine Überraschung. Sie sagt: «Die Erfolge der Frauen in der Neuenburger Politik lassen sich auch damit erklären, dass viele Frauen sichtbar sind und ihre Kompetenzen zeigen können.»
Mit SP-Frau Florence Nater hat zumindest eine Frau beste Chancen, in der Ballotage am 9. Mai in die Regierung gewählt zu werden. Auch die Freisinnige Crystel Graf könnte die Wahl schaffen. Das Unbehagen der Frauen vor einer reinen Männerregierung wirkte sich insbesondere auch auf den Ausgang der Parlamentswahlen aus.
«Mit unserer Volksinitiative für geschlechtsparitätische Wahllisten haben wir auch die Bürgerlichen unter Druck gesetzt, Frauen mehr zu fördern.»
Dass im Neuenburger Kantonsparlament künftig 58 Frauen sitzen, ist vorab ein Erfolg der Linken, aber nicht nur. Die SP lancierte 2020 eine Volksinitiative, um die politischen Parteien zu verpflichten, ihre Wahllisten für die kantonalen Wahlen ab 2029 geschlechtsparitätisch aufzustellen, dass also gleich viele Frauen wie Männer auf den Listen stehen müssen. Die Unterschriftensammlung lief bereits, da intervenierte der Kanton. Aufgrund der Corona-Pandemie mussten die Sozialdemokraten das Unterschriftensammeln unterbrechen. Eine neue Frist zur Einreichung der Initiative wurde festgesetzt. Aktuell könnte die SP wieder Unterschriften sammeln. Doch wird sie das nach dem letzten Sonntag tun?
Noch ist diesbezüglich nichts entschieden, doch SP-Kantonsrat Baptiste Hunkeler sieht, dass die Erhöhung des Frauenanteils in der Politik allenfalls auch ohne das Festsetzen einer Quote möglich ist. Für die SP scheint sich der Zweck ihrer Initiative erfüllt zu haben. «15 der 21 SP-Sitze besetzen Frauen», hält Baptiste Hunkeler fest. Mit dem Volksbegehren habe man auch die Bürgerlichen unter Druck gesetzt, Frauen mehr zu fördern.
Die FDP setzt ein Zeichen
Tatsächlich setzte die FDP vor den Wahlen ein Zeichen, indem sie sämtliche Kandidatinnen für die Kantonsratswahlen zuoberst auf ihre Wahlliste setzte. «Die FDP Neuenburg hat das Ziel, 30 Prozent Frauen auf ihren Wahllisten zu haben», sagt Damien Cottier. Mit 29 Frauen bei 100 Kandidaten habe man dieses Ziel zwar knapp verpasst, dennoch habe man die Anzahl der Kandidatinnen von 17 Prozent (2017) auf 29 Prozent (2021) steigern können, so der Freisinnige. Auch Neuenburgs FDP-Frauen haben zunehmend Erfolg. Am Sonntag gingen 13 der 32 FDP-Sitze an Frauen. Cottier sagt: «Damit liegen wir deutlich hinter dem Neuenburger Durchschnitt zurück, aber unser Wahlresultat wird wohl auch in unserer Partei in Zukunft Frauen animieren, für ein politisches Amt zu kandidieren.»
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