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Bündner Torhüterin beim FCZ
Im Engadin sagen sie ihr, sie rede wie ein «Züzi»

Die Batterien von Seraina Friedli waren leer – jetzt füllt sie sie langsam wieder.
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Ihr Dialekt ist ein kleines Mysterium. Im Bündnerland wird sie «Züzi» genannt – Zürcherin. In Bern sagen sie, sie sei Aargauerin. Und im Aargau glauben sie, sie komme aus Luzern. Sie, das ist Seraina Friedli. Im Engadin aufgewachsene Tochter eines Berner Ehepaars, heute Torhüterin beim FC Zürich und im Schweizer Nationalteam.

Auf dem Schulhausplatz in La Punt fand Seraina Friedli zu ihrer Leidenschaft. Wenn während der Sommerferien italienische Touristen ins Engadin strömten, spielten sie in ihrem Heimatdorf jeden Abend Schweiz gegen Italien. Nun steht die 30-Jährige am Samstag im Playoff-Halbfinal-Rückspiel gegen GC im Tor (16 Uhr, Heerenschürli).

Fussball ist nicht gerade Kernsportart im Engadin. Aber Friedli sagt, sie habe schon früh Freude gehabt, den Bällen nachzuhechten, deshalb sei sie ins Tor gestanden. Und deshalb schloss sie sich mit zwölf Jahren dem damals einzigen Engadiner Fussballclub mit einem Mädchenteam an: dem FC Lusitanos de Samedan. Dort wurde bald klar: Mit ihrem Talent ist sie eigentlich viel zu gut für das Niveau der meisten Mitspielerinnen. Ihr Wechsel zum FC Thusis-Cazis war deshalb logisch.

Überfordert beim FCZ

In Thusis hechtete sie ein Jahr in der 2. Liga und ein Jahr in der 1. Liga. Ihre Fähigkeiten blieben nicht unentdeckt. Mit 19 lud sie der FC St. Gallen zu einem Probetraining ein, die Ostschweizerinnen hätten sie danach gerne zu sich geholt. Doch Friedli wechselte zum FCZ, wo sie ebenfalls vorgespielt hatte. Nach bestandener Matur war Zürich ideal, um Sport und Ausbildung zu kombinieren.

Bis zu ihrem Wechsel zum FCZ hatte Friedli nie ein Goalietraining absolviert. Entsprechend hart und überfordernd war ihre Anfangszeit in Zürich. Sie erzählt im Rückblick: «Der FCZ sah damals etwas in mir. Nicht mein damaliges Können, aber mein Potenzial.»

Ausgelaugt und emotionslos im Alltag

Friedli entwickelte sich zur Stamm- und später gar zur Nationaltorhüterin. 2018 wechselte sie aus Studiengründen nach Bern zu YB. Nach einem Profijahr in Italien und einer Saison bei den Frauen des FC Aarau kehrte sie 2022 zurück zum FC Zürich.

Vor sieben Jahren wurde Friedli erstmals für das Nationalteam aufgeboten. Seither ist sie die Nummer 2 hinter der 37-jährigen Gaëlle Thalmann. Seit Januar hat die Schweiz mit Inka Grings eine neue Trainerin, und mit der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland im Sommer steht ein nächster Höhepunkt an.

Grings betont, dass sie nach Leistung aufstellt und jede Spielerin ihre Chance bekommt. Für Friedli bot sich damit eine realistische Gelegenheit, Thalmann zu verdrängen. Das Testspiel im April gegen China hätte für sie die Chance sein sollen, sich aufzudrängen, da wäre Friedli im Tor gestanden. Doch es kam anders. Friedli reiste noch vor dem Spiel ab. Nach ihrer Auszeit schrieb sie dazu auf Instagram, es sei eine Herausforderung gewesen, sich einzugestehen, dass ein Schritt zurück der einzige Weg sei, den Menschen im System nicht zu verlieren.

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Ihre Batterien waren nach zwei strengen Jahren leer gesaugt. Neben ihrem vollgepackten Arbeitsleben und dem fortlaufenden Ligabetrieb war sie mit dem Nationalteam an der Europameisterschaft und spielte mit dem FCZ in der Champions League. Zeit für Ferien blieb keine, die Erholung kam viel zu kurz. Friedli fühlte sich ausgelaugt und emotionslos. Sie benötigte eine Pause, um wieder frisch genug zu sein für alle Aufgaben. «Ich habe mein Programm in den Wochen vor meiner Auszeit nur noch abgespult. Ich hatte keine Freude mehr an allem, was ich sonst gerne mache.»

Zu wenig Zeit für Erholung

Friedli war überfordert vom eigenen Pensum. Dass es so weit kam, hat mit den Strukturen im Schweizer Spitzenfussball der Frauen zu tun. Vom Sport leben kann praktisch niemand. Friedli hat ein Bachelorstudium in Sport mit Psychologie im Nebenfach abgeschlossen. Im Rahmen ihres Masterstudiums absolvierte sie zuletzt ein Praktikum als Athletiktrainerin bei der FCZ-Academy, hauptsächlich verdient sie ihr Geld aber tagsüber als Personal Trainerin. Und abends und am Wochenende steht sie als Spitzenfussballerin auf dem Rasen. Für Erholung wie bei den besten Männern bleibt wenig Zeit. Friedli sagt: «Hätte ich mir die zwei Wochen Pause nicht genommen, hätte sie mir mein Körper vielleicht in Form einer körperlichen Verletzung geliefert.»

Friedli wünscht sich nicht gleiche Bedingungen wie bei den Männern. Sie findet es auch ein Qualitätsmerkmal, nebenbei noch arbeiten zu können und damit die Karriere neben dem Sport nicht zu vernachlässigen. «Aber 40 bis 50 Prozent arbeiten und den Rest für grössere Morgentrainings und Erholung zu haben, wäre ideal für mehr Professionalität und die Konkurrenzfähigkeit im internationalen Vergleich.»

«Inka Grings ging so mit der Situation um, wie man es sich von einer Vorgesetzten nur wünschen kann.»

Seraina Friedli über die Reaktion der Nationaltrainerin

Auch Nationalteam-Captain Lia Wälti stiess jüngst an ihre Grenzen und nahm sich eine Auszeit. Friedli spricht von einem Zufall, dass sie beide sich fast gleichzeitig für eine Pause entschieden. Ihre sportliche Situation ist nicht vergleichbar, Wälti ist Profi in London bei Arsenal. Trotzdem hofft Friedli, dass sie mit ihrem Entscheid auch ein Vorbild sein kann für Spielerinnen oder Spieler mit ähnlichen Problemen. Es sei in Ordnung, sich mal eine Auszeit zu nehmen und dann leistungsfähiger zurückzukommen. Friedli erzählt auch, dass Nationaltrainerin Inka Grings «überragend» und mit grossem Verständnis auf ihren Entschluss reagiert habe. «Inka ging so mit der Situation um, wie man es sich von einer Vorgesetzten nur wünschen kann.»

Die Pause hat Friedli gutgetan. Zwei Tage vor dem Derby-Rückspiel sagt sie angriffig: «Das Ziel ist der Meistertitel.» Es wäre ihr sechster mit dem FCZ und auch ihr letzter. Danach wechselt Seraina Friedli nach Belgien zum RSC Anderlecht.