Repressionen in WeissrusslandIhr Verbrechen: Sie ist Journalistin
Die Weissrussin Katerina Andrejewa hat geschildert, wie Polizisten gewaltsam gegen Demonstranten vorgingen. Dafür muss die 27-Jährige zwei Jahre ins Straflager.
Es ist der 99. Protesttag in Weissrussland, Mitte November. Katerina Andrejewa ist mit ihrer Kamerafrau Darja Tschulzowa in den 14. Stock eines Wohnhauses gestiegen. Von dort haben sie einen guten Blick auf den «Platz des Wandels», so nennen die Anwohner diesen Hof zwischen Wohnhäusern in Minsk. Ein Lüftungshäuschen steht dort mit regimekritischen Graffiti, weiss-rot-weisse Bänder flattern an einem Absperrgitter. Die früheren Nationalfarben sind zum Zeichen des Protests gegen Machthaber Alexander Lukaschenko geworden.
An jenem Tag wird auf dem Platz demonstriert, Andrejewa möchte berichten. Maskierte Männer hatten einige Tage zuvor die weiss-rot-weissen Bänder vom Zaun reisssen wollen. Einen jungen Mann, der sich ihnen entgegenstellte, verprügelten sie so heftig, dass er am nächsten Tag im Krankenhaus starb. Die Menschen bringen Blumen für den Toten. Die Polizei bringt Knüppel, Wasserwerfer und Rauchbomben auf den Platz. Sie löst den Protest gewaltsam auf. Kamerafrau Darja Tschulzowa filmt das aus dem 14. Stock, Reporterin Katerina Andrejewa kommentiert live.
Nach dem Protest bricht die Polizei die Wohnungstür auf, nimmt die beiden fest, stösst sie die Treppe runter, berichtete Andrejewa später in einem Brief. Der polnische Sender Belsat TV, für den sie arbeitet, zitiert daraus. Man werde sie sieben Jahre einsperren, sie dürften nur noch Polizeiuniformen nähen und nie wieder live berichten, schrien die Polizisten die Frauen an.
«Ich bin jung und mein Gewissen ist rein»
Tatsächlich müssen die Journalistinnen nun zwei Jahre ins Straflager, das Urteil erging vergangene Woche. Angeblich haben sie den Protest koordiniert und Menschen zur Teilnahme verleitet. Das sei schon deswegen absurd, weil niemand auf dem Platz ihren Live-Bericht sehen konnte. Die Behörden hatten das mobile Internet blockiert, sagte einer der Verteidiger vor Gericht. Überhaupt: Die Behörden dürften Journalisten nicht daran hindern, von Protesten zu berichten.
Eine kurze Videosequenz aus dem Gerichtssaal zeigt die Frauen im Angeklagten-Käfig. Victory-Zeichen für die Kamera, sie umarmen einander, lächeln tapfer. Vor dem Urteil schrieb Darja Tschulzowa, 23, ihrer Mutter, dass sie ihre Berufswahl nicht bereue. Katerina Andrejewa, 27, sagte vor Gericht: «Ich bin jung, ich arbeite in meinem Lieblingsberuf und – das ist das Wichtigste – mein Gewissen ist rein.» Belsat TV nannte das Urteil ein Verbrechen, es verstosse gegen weissrussisches und gegen internationales Recht. Belsat wird von der polnischen Regierung unterstützt, richtet sich aber an ein weissrussisches Publikum.
Die Polizei räumt die Blumen weg
Katerina Andrejewa ist dort seit 2017 Korrespondentin, zuvor hat sie für Zeitungen geschrieben. Studiert hat sie Spanisch und zwei Jahre in Spanien gelebt. Zurück in Minsk lernte sie 2015 ihren Mann während eines Protests gegen Lukaschenko kennen, auch er ist Journalist.
Der weissrussische Journalistenverband zählte vergangenes Jahr 480 Festnahmen, 62 Fälle von Gewalt gegen Journalisten. In keinem einzigen Fall gibt es Ermittlungen gegen die Täter.
An jenem Novembertag, als Katerina Andrejewa schon festgenommen war, räumte die Polizei abends alle Blumen für den Toten weg. Die Journalistin konnte davon nicht mehr berichten. Aber Anwohner haben Handyvideos ins Netz gestellt.
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