Sepp Blatter im Kreuzverhör«Ich war geschockt. Und dieser Schock ist heute noch da»
Vor Gericht hatte der Ex-Fussballboss seinen grossen Auftritt. Sichtlich gezeichnet, aber auch humorvoll griff der 86-Jährige die Fifa an.
Seinen Humor hat der Angeklagte auch mit 86 Jahren nicht verloren. Mit seinem verschmitzten Lächeln wirkt Sepp Blatter selbst im Gerichtssaal manchmal noch wie der Oberwalliser Lausbub, der er mutmasslich einmal gewesen ist. Wenn er seinen Fall schildert und sein Schicksal beklagt, streut der langjährige Herr über den Weltfussball ab und zu noch einen Spruch ein.
Beim Publikum und den Verfahrensparteien vor dem Bundesstrafgericht sorgt er auch dann noch für Heiterkeit, als er sich über seine Vorverurteilung beschwert. «Eine Universität hat mir einen Ehrendoktor honoris causa weggenommen», kokettiert Blatter. «Aber unbescheiden, wie ich bin: Das ist mir egal. Ich habe noch sechs andere.»
Dann wird er ernst: Seine Familie habe sehr gelitten unter den Ermittlungen gegen ihn ab dem Jahr 2015 und der öffentlichen Brandmarkung. «Ich war geschockt», erinnert sich Blatter. «Und dieser Schock ist heute noch da.» Seine Stimme wird brüchig, als er auf die lange Untersuchungsdauer zu sprechen kommt: «Sieben Jahre sind sieben Jahre Strafe.» Seine Enkelin sei in der Schule gemobbt worden. Auch bei ihm seien Freunde plötzlich keine Freunde mehr gewesen.
«Mein Gewissen ist rein.»
Nachdem seine Befragung am Vortag noch wegen gesundheitlicher Probleme hat verschoben werden müssen, wirkt der ehemalige Fifa-Präsident am Donnerstagmorgen aber sehr wach. Blatter ist angriffig und in seinen Aussagen sehr deutlich. «Ich wüsste nicht, was ich verbrochen hätte», schickt er voraus. «Mein Gewissen ist rein.» Das Einzige, was er auf dem Kerbholz habe, sei ein Autounfall mit einem Monat Führerscheinentzug.
«Es ist für mich total unverständlich, dass wir heute überhaupt hier in diesem Gerichtssaal sind», sagt Blatter. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm und Michel Platini vor, die Fifa um mehr als zwei Millionen Franken betrogen zu haben. Platini war Blatters Berater und später selber Präsident des europäischen Verbandes Uefa.
«Peseten, Rubel, Mark – wie du willst.»
Die beiden Beschuldigten versuchen nun einen Morgen lang zu erklären, warum die Zahlung dieses Betrags an den einst besten Fussballer Europas rechtens war. Als Blatter Ende der 90er-Jahre Fifa-Präsident wurde, machte er Platini zu seinem Berater. Vor Gericht schildert Platini, wie diese Beratertätigkeit entlöhnt werden sollte. Platini sagte, er wolle eine Million. Blatter: «Welche Währung?» Platini: «Peseten, Rubel, Mark – wie du willst.» Blatter: «Okay. Eine Million Franken.» Und das pro Jahr.
Andere bekamen deutlich mehr
Mit einem Handschlag, so sagen nun beide aus, sei ihre Abmachung besiegelt gewesen. Wegen Finanzproblemen und des Lohngefüges der Fifa seien Platini für vier Jahre Arbeit um die Jahrtausendwende herum aber lediglich 1,2 Millionen Franken überwiesen worden.
Dann, fast ein Jahrzehnt später, forderte er, inzwischen Präsident der Uefa, von der Fifa zwei Millionen obendrauf. Vor Gericht begründet Platini die späte Nachforderung damit, dass zu jenem Zeitpunkt ausscheidende Fifa-Mitglieder mit noch viel höheren Millionenbeträgen abgefunden wurden.
Die Beschuldigten verweisen darauf, dass die Zwei-Millionen-Zahlung von den Finanzgremien des Weltverbands geprüft und abgenommen wurde. Dass die Fifa nun als Privatklägerin gegen sie vorgehe, sei ein Skandal.
«Unglaublich» ist für Platini, dass diese Zahlung genau dann zum Thema wurde, als er selber 2015 für das Fifa-Präsidium kandidierte. Die Bundesanwaltschaft eröffnete damals ihr Strafverfahren wegen der zwei Millionen und veröffentlichte eine Medienmitteilung dazu – worauf Blatter und Platini sportrechtlich abgesetzt und auf Jahre hinaus gesperrt wurden. Insbesondere Platini hat gemutmasst, dass der heutige Weltfussball-Präsident Gianni Infantino der Bundesanwaltschaft einen Tipp gegeben hat, um ihn als Fifa-Präsidenten zu verhindern.
Danach schaut es nun gemäss einer mit Spannung erwarteten Aussage des früheren Chefermittlers der Bundesanwaltschaft und heutigen Richters nicht aus. Am Donnerstag über Mittag hat Oliver Thormann als Zeuge erklärt, weshalb es zu diesem Strafverfahren gekommen ist: Anlässlich einer der Razzien der Schweizer Strafverfolgung in Zürcher Luxushotels und bei der Fifa habe ihn der damalige Finanzchef des Verbands, Markus Kattner, auf die Zwei-Millionen-Zahlung aufmerksam gemacht. Damals hatte die Bundesanwaltschaft die Fifa gezwungen, alle solchen Dokumente herauszugeben.
Die Zeugeneinvernahmen werden am Freitag fortgesetzt.
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