Johnny Depp im Zeugenstand«Ich nahm Drogen, um die Geister meiner Jugend zu betäuben»
Erstmals hat Schauspieler Johnny Depp im Prozess gegen seine Ex-Frau Amber Heard vor Gericht ausgesagt. Sein Auftritt in der Übersicht.
Es ist der wohl schlimmste Rosenkrieg im an Rosenkriegen nicht armen Hollywood: der Verleumdungsprozess zwischen Johnny Depp und seiner Ex-Frau Amber Heard. Es geht um ihre gescheiterte Ehe, Vorwürfe wegen häuslicher Gewalt, Alkohol- und Drogenmissbrauch, sexuelle Affären und einen abgetrennten Finger. Das weltweite Interesse ist gross, dies auch, weil der Gerichtsstreit in Fairfax Virginia wie eine Reality-Show live auf Websites wie Youtube, Sky News oder Court TV zu verfolgen ist.
Der Dienstag, der fünfte Prozesstag, war der bisher wohl wichtigste Tag in der Saga: Nachdem in den vergangenen Tagen hauptsächlich Anwälte und Zeugen aus Depps und Heards Umfeld gehört wurden, sagte nun der «Fluch der Karibik»-Star erstmals vor den sechs Jury-Mitgliedern im Zeugenstand aus. Hunderte Zuschauer schalteten sich auf verschiedensten Channels zum Spektakel. Im Live-Chat wurden im Sekundentakt Hunderte Kommentare reingespült, immer wieder waren die Worte «Justice for Johnny Depp» zu lesen. Depps Aussagen könnten dabei im Prozess eine Schlüsselrolle spielen. Schliesslich ist der Gerichtsfall wohl seine letzte Chance, sich zu rehabilitieren und seine Karriere zu retten. Der Prozesstag in der Übersicht:
Depps Auftritt
Nachdem Depp in den vergangenen Tagen zunehmend zerzaust und erschöpft ausgesehen hatte, betrat der Schauspieler den Gerichtssaal kurz vor 10 Uhr (lokale Zeit) mit beschwingtem Schritt und sichtlich motiviert. Er wirkte gepflegt und machte einen fast freudigen Eindruck. Der Star trug einen schwarzen Anzug, ein schwarzes Hemd mit gemusterter Krawatte, die Haare waren zum Rossschwanz zusammengebunden. Im Gesicht trug er im typischen Depp-Style eine Brille mit getönten Gläsern. Der 58-Jährige sprach von Anfang an sehr bedächtig, manchmal sogar stotternd, als fiele es ihm schwer, die Dinge zu benennen, von denen er erzählte. Manchmal wurde er weitschweifig und verlor sich in Details, dann wieder brachte er gewisse Dinge sehr genau auf den Punkt. Insgesamt wirkte er überzeugend.
Heards Auftritt
Die 35-jährige Heard trug derweil eine cremefarbene, gestreifte Pussybow-Bluse, ihre Haare in einem Rossschwanz und fast kein Make-up. Mit beinahe unbeweglichem Gesicht und eher abgelöscht wirkend verfolgte sie Depps Aussagen. Die Blicke der beiden Ex-Eheleute trafen sich nie.
Warum Depp den Prozess wollte
Seine Ex-Frau habe ihn «ziemlich abscheulicher und verstörender krimineller Handlungen beschuldigt, die auf keiner Art auf der Wahrheit beruhen», sagte Depp im Zeugenstand. In ihrer Beziehung sei niemals etwas Derartiges passiert, wie Heard behaupte. «Es gab in der Beziehung zwar Streit und ähnliche Dinge, aber ich selbst bin nie so weit gegangen, Frau Heard in irgendeiner Weise zu schlagen, noch habe ich je in meinem Leben eine Frau geschlagen.» Die Anschuldigungen hätten ihren Weg durch die Medien und die sozialen Medien gefunden und seien zur «Tatsache» geworden. Seine Kinder, damals beide Teenager, seien in der Schule damit konfrontiert worden. Als die Sache immer grösser wurde, habe er es als seine Verantwortung gesehen, seinen Namen und seine Kinder von dieser Sache reinzuwaschen.
«Ich bin besessen von der Wahrheit.»
«Es ist sehr seltsam, wenn man sozusagen Cinderella ist und dann in null Punkt sechs Sekunden Quasimodo wird. Das habe ich nicht verdient ... und auch nicht meine Kinder und all die Menschen, die all die Jahre an mich geglaubt haben.» Er habe sechs Jahre warten müssen, bis er sich dazu äussern konnte, und das sei eine schwierige Zeit gewesen. «Ich bin stolz auf meine Ehrlichkeit und Wahrheit. Die Wahrheit ist das Einzige, was mich interessiert, mit Lügen kommt man nicht weiter. Ich bin besessen von der Wahrheit. Heute ist der erste Tag, die erste Möglichkeit, an dem ich offen über diesen Fall sprechen kann.»
Was Depp über seine Kindheit erzählte
Depp erzählt, dass er in seiner Kindheit physischem und psychischem Missbrauch ausgesetzt war. Seine Mutter Betty Sue sei «sehr unberechenbar» gewesen und habe nicht nur ihm gegenüber, sondern auch gegenüber seinen drei Geschwistern und seinem Vater «die Fähigkeit gehabt, sehr grausam zu sein».
«Es gab sicherlich körperliche Misshandlungen in Form von Aschenbechern, die nach dir geworfen wurden, oder du wurdest mit einem Stöckelschuh oder einem Telefon geschlagen», sagt Depp und muss trotz der Ernsthaftigkeit des Themas ein paar Mal schmunzeln. «In unserem Haus waren wir also nie irgendeiner Art von Sicherheit ausgesetzt. Das Einzige, was man wirklich tun konnte, war, sich aus der Schusslinie zu halten. Ich fing an, sie zu beobachten – ich konnte erkennen, wann sie in eine Situation geriet, in der sie sich aufregte und es bald jemanden erwischen würde. In der Regel war ich das.»
«Der psychologische und emotionale Missbrauch, das war es, was uns zerrissen hat, glaube ich.»
Er sei permanent misshandelt worden, so Depp: «Die körperlichen Misshandlungen waren konstant ... wenn sie [die Mutter] vorbeiging, duckte man sich [er tut so, als würde er geschlagen werden, und muss wieder etwas lachen], weil man nicht wusste, was passieren wird.» Auch verbal seien sie schikaniert worden, indem die Mutter bei jedem ihrer Kinder auf ihren Schwächen herumritt. «Die Beschimpfungen und abfälligen Kommentare waren das Schlimmste. An die körperlichen Schmerzen hat man sich gewöhnt. Aber der psychologische und emotionale Missbrauch, das war es, was uns zerrissen hat, glaube ich.»
Was Depp zu Alkohol und Drogenmissbrauch sagte
Über Depps angeblichen Drogenmissbrauch wurde von Heards Anwälten schon viel gesagt, nun äussert er sich zum ersten Mal selber dazu. Seine Mutter habe ihn bereits im Alter von etwa fünf Jahren gebeten, ihr ihre «Nerventabletten» zu bringen, und er habe gesehen, wie sie sich dadurch besser und ruhiger fühlte. Mit etwa elf Jahren habe er diese Tabletten auch probiert, «um der chaotischen Natur dessen, was wir durchlebten, zu entkommen». Anders als seine Freunde habe er Drogen aber nie mit «Party» in Verbindung gebracht, sondern sie als Selbstmedikation genommen, um «die Geister meiner Jugend zu betäuben». «Im Wesentlichen war es Selbstmedikation.»
Auf die Frage, ob er süchtig gewesen sein, gibt Depp an, er sei vom Schmerzmittel Oxycodone abhängig gewesen. Während der Zeit, als er an den «Fluch der Karibik»-Filmen arbeitete, habe er nach einer Verletzung am Set dieses opioidhaltige Schmerzmittel bekommen und habe eine Sucht entwickelt. Allerdings habe er viele Jahre auch gar nichts konsumiert. Er sei drei bis fünf Jahre von «Roxy» abhängig gewesen, bevor er damit aufhörte. Dies sei vor seiner Beziehung mit Heard gewesen. Danach habe er nie wieder Substanzen genommen, auch nachdem er sich im März 2015 bei seinem berühmt-berüchtigten Aufenthalt in Australien stark den Finger verletzt hatte.
Während er in Australien lebte, habe er zudem etwa 18 Monate lang keinen Alkohol getrunken. Heards Schilderung seines Drogenmissbrauchs sei vollkommen übertrieben und «schlichtweg falsch», so Depp. «Sie hatte ein leichtes Spiel, denn wenn man jemandem jahrelang vertraut und ihm viele Geheimnisse aus seinem Leben erzählt hat, können diese Informationen gegen einen verwendet werden.»
Wie seine Beziehung zu Heard war
Am Anfang, so Depp, schien ihre Beziehung «zu gut, um wahr zu sein». Heard sei aufmerksam, liebevoll, klug, freundlich, witzig und verständnisvoll gewesen. Einzig ein Erlebnis habe bei ihm gewisse Warnsignale aufblinken lassen. «Wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, setzte sich zu mir auf die Couch, gab mir ein Glas Wein und zog mir die Stiefel aus und stellte sie beiseite. Das wurde zu einer regelmässigen Sache, die sie tat, eine Art Routine. Eines Abends kam ich nach Hause, sie war mit dem Telefonieren beschäftigt, und ich zog die Stiefel selber aus. Plötzlich kam Frau Heard auf mich zu und sagte: ‹Was hast du gerade getan? Nein, das mache ich!› Sie war sichtlich aufgebracht.»
«Innerhalb von einem oder eineinhalb Jahren wurde sie zu einer anderen Person.»
Er habe sich gedacht, es sei seltsam, dass Heard so empfindlich auf so etwas reagierte. Wenn man so etwas erst einmal bemerke, fielen einem auch andere Kleinigkeiten auf, so Depp. Und es sei immer schlimmer geworden mit Beschimpfungen und Beleidigungen. «Innerhalb von einem oder eineinhalb Jahren wurde sie zu einer anderen Person», so Depp.
Wie die Befragung endete
Nach seiner Aussage wirkte Depp sichtlich erleichtert, als er den Zeugenstand verliess. Er scherzte noch mit einem seiner Anwälte rum, während Heard zügig den Gerichtssaal verliess. Nach fast acht Minuten verliess auch Depp den Saal durch eine andere Tür. Am Mittwoch um 10 Uhr Ortszeit (16 Uhr in der Schweiz) wird Depps Zeugenaussage fortgesetzt, danach soll er laut Berichten von Heards Anwälten ins Kreuzverhör genommen werden. Auch Heard wird demnächst aussagen – wann, ist jedoch noch unklar.
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