Plus-Size-Model kritisiert H&M«Ich möchte mich kleiden wie meine schlanken Freundinnen»
H&M bietet Übergrössen nur noch online an. Das deutsche Plus-Size-Model Julia Kremer fragt: Wie passt das zur Diversity-Kultur des Unternehmens?
Julia Kremer steht in einer H&M-Filiale vor einem aufgehängten Zettel, die Kamera läuft. Auf dem Zettel steht: «Für eine grösstmögliche Auswahl an Styles bieten wir H&Mplus bald ausschliesslich online an. In unseren Geschäften sind viele Styles zukünftig bis Grösse XL erhältlich.» Das schwedische Textilunternehmen versucht nett mitzuteilen, dass es die Übergrössen aus den Läden in den Onlinehandel verbannt. Und wünscht den Kundinnen weiterhin: «Viel Spass beim Shoppen!»
Julia Kremer, 30 Jahre alt und seit zwölf Jahren deutsches Plus-Size-Model, findet diese Meldung daneben. Kremer setzt sich für die Body-Positivity-Bewegung ein und hat mit Kampagnen wie #respectmysize dazu aufgerufen, mehr Toleranz gegenüber allen Körperformen zu zeigen.
Kremer macht sich auf Tiktok über H&M lustig, überlegt sich, wie der Dialog an der Diversity-Sitzung geklungen haben könnte: «Liebe Kolleginnen, wie teilen wir unseren Plus-Size-Mädels da draussen mit, dass die H&Mplus-Abteilung nur noch online zu finden ist? – Ach, Zettel reicht.»
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H&M begründet seinen Schritt laut der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» damit, dass sich die Nachfrage nach dem Übergrössen-Sortiment in den vergangenen Jahren in den Online-Shop verlagert habe. Kremer findet: Nachvollziehbar, wenn man sich vor Augen führe, wie die Kleidungsstücke in den Läden angeboten und präsentiert wurden.
Der Entscheid sei aber auch widersprüchlich, weil H&M ziemlich offensiv für Diversität werbe. Das Unternehmen verkündet auf der Website: «Wir wollen den Weg zu einer inklusiven Welt weisen. Bei Inklusion und Diversität geht es darum, wer wir sind und wer wir sein wollen.» Sind Menschen, die grössere Kleidernummern tragen, davon ausgeschlossen?
Immer die Antwort: «Die Nachfrage bestimmt»
Ein Journalist hat im vergangenen Jahr im Magazin der «Süddeutschen Zeitung» darüber geschrieben, wie er mit seiner Tochter, elf Jahre alt, bei H&M einkaufen ging. Die Tochter war gewachsen und brauchte eine neue Jeans. Nach 45 Minuten habe sie gesagt: «Einfach nur verletzend.» Keine Jeans habe gepasst.
Der Vater schreibt: «Meine Tochter findet sich nicht dick. Aber, sagt sie: ‹Wenn ich bei H&M rauskomme, habe ich das Gefühl, die teilen die Leute ein in Dünne und Dicke, und weil mir da nichts passt, gehöre ich zu den Dicken.›» H&M erklärte auf Nachfrage des Vaters: Das Angebot richte sich eben nach der Nachfrage.
Auf den internationalen Laufstegen waren in den vergangenen Jahren vermehrt Menschen zu sehen, die körperlich beeinträchtigt sind, Pigmentflecken haben, Übergrössen tragen, Transgender-, Super-Size-Models sind. Der neue Modetrend scheint aber nicht bis zu den Kundinnen von grossen Modeketten vorgedrungen zu sein.
Julia Kremer sagt, vielen sei nicht bewusst, dass dicke Frauen in der Gesellschaft übersehen werden. Sie formuliert auf Instagram ganz konkret, wie ihr Kundinnenbedürfnis aussieht: Sie wünsche sich, dass man Kleidungsstücke von XS bis XXXXL an einer Kleiderstange finde. Bei H&M, aber auch in allen anderen Kleiderläden. Ohne Unterschiede, ohne Sonderbehandlung. «Ich möchte mich so kleiden wie meine schlanken Freundinnen.»
Und von H&M hätte sich Kremer gewünscht, dass es mit Plus-Size-Bloggern Kontakt aufnimmt. Sie würde mit H&M gerne auf Augenhöhe sprechen: «Ich habe angeboten, sich mal an einen Tisch zu setzen.»
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