Interview mit Schweizer Luxushotelier«Ich hoffe sehr, dass das Energiethema nicht aus dem Ruder läuft»
Jan Stiller, General Manager im Luxushotel Lenkerhof, steht vor einer Wintersaison mit Fragezeichen. Er freut sich, wenn seine Gäste einen freiwilligen Energiekostenbeitrag bezahlen und ist gegen Gratis-Mentalität beim Tanken von Elektroautos.
Zusammen mit seiner Partnerin Heike Schmidt führt Jan Stiller seit zwölf Jahren mit grossem Erfolg das Lenkerhof Gourmet Spa Resort. Zum Luxushotel zuhinterst im Simmental gehören auch das Bergrestaurant Bühlberg sowie zwei Appartementhäuser mit 56 Wohnungen. Stiller ist an der Lenk aufgewachsen und hat die Hotelfachschule Thun besucht.
Er und seine Partnerin gehören auch beim Thema Ökologie und Umwelt zu den innovativsten Persönlichkeiten der Schweizer Luxushotellerie. Vor vier Jahren wurde Stiller zum Vorsitzenden von Relais & Châteaux Schweiz und Liechtenstein gewählt; er vertritt die Betriebe im Verwaltungsrat der exklusiven, weltweit präsenten Vereinigung mit 580 Mitgliedern.
Der Krieg in der Ukraine, die Entwicklung in den wichtigen Auslandmärkten USA und UK, die Frankenstärke, die Inflation, der drohende Strommangel, steigende Öl- und Gaspreise: Was beschäftigt Sie derzeit am meisten?
Der furchtbare Krieg ist ein Thema für sich, da sind wir einfach machtlos. Die andern Probleme sind von Betrieb zu Betrieb verschieden. Und sie sind natürlich gross. Aber ich habe gerade den Jakobsweg hinter mir, und was ich da auf der 700 Kilometer langen Wanderung durch Spanien gesehen habe, war schon happig. In den Städten funktioniert es ja noch, aber auf dem Land werden viele Häuser einfach für immer geschlossen. Das relativiert vieles.
Dennoch: Erinnern Sie sich an eine ähnliche Situation vor dem Start in die Wintersaison?
Ich bin jetzt seit 28 Jahren in der Branche, aber so etwas habe ich tatsächlich noch nicht erlebt. Und trotzdem können wir etwas lockerer in den Winter als während Corona. Damals war die Ungewissheit noch grösser und wir mussten damit rechnen, dass alles geschlossen würde. Da standen viele vor der Existenzfrage.
Sie haben in den vergangenen Jahren Millionen ins Hotel investiert, insbesondere auch in Wellness. Welche Folgen hätte ein reduzierter oder gar gänzlicher Ausfall dieses Bereichs für den Lenkerhof?
Wir könnten notfalls einen Teil schliessen. Aber viele Gäste kommen gerade wegen Wellness. Ihr Ausbleiben bei einer totalen Schliessung wäre schwer zu verkraften.
Mit wieviel Mehrkosten für Strom, Öl und Gas rechnen Sie in diesem Winter?
Definitiv ist noch nichts, aber wir rechnen für dieses Jahr mit einer Verdoppelung der Energiekosten von einer halben auf eine ganze Million Franken. Das ist schon heftig. Am meisten schmerzt uns der Strompreis, der um das Achtfache steigen wird. Aber wir haben noch einen Vertrag und wissen wenigstens, was auf uns zukommt.
«Wenn ein Gast im Hotel friert, fährt er umgehend nach Hause.»
Führen diese Mehrkosten zu einer Erhöhung der Zimmerpreise?
Der Gast hat das Zimmer oft schon lange im Voraus zu einem vereinbarten Preis gebucht. Den können und werden wir nicht erhöhen. Aber wir kommunizieren die Probleme offen, und der Gast kann freiwillig einen Energiekostenbeitrag leisten. Wir befinden uns derzeit in einer Testphase, und es läuft gut an. Ich hoffe sehr, dass uns das Energiethema nicht aus dem Ruder läuft.
Werden Dienstleistungen wie Tankstellen für Elektroautos weiterhin kostenlos sein?
Vor zehn Jahren war es ein guter Marketinggag, heute ist mir das zunehmend ein Dorn im Auge. Ich sehe nicht ein, wieso wir jemandem das Elektroauto auftanken sollen. Schon gar nicht, wenn der Strompreis derart in die Höhe schnellt.
Würden Gäste Einschränkungen wie eine tiefere Zimmertemperatur akzeptieren?
In Hotels ist es fast immer zu warm. Ein bis zwei Grad Celsius weniger läge vermutlich drin, ohne dass es wirklich spürbar wäre. Mehr aber geht nicht. Wenn ein Gast im Hotel friert, fährt er umgehend nach Hause.
Welche Folgen für die Hotellerie hätten massive Einschränkungen bei Bahnen, Liften und Schneekanonen?
Es wäre wie bei Corona: Für kleinere Betriebe würde es das Ende bedeuten. Grosse Hotels mit vielen Angeboten würden Einschränkungen für eine gewisse Zeit irgendwie überleben. Ein Totalausfall wäre aber auch für sie der Super-GAU.
Die Wertschöpfung des Wintertourismus liegt in der Schweiz bei sechs Milliarden Franken. Es geht um Tausende von Arbeitsplätzen und Existenzen. Müsste der Staat dem Tourismus im schlimsten Fall helfen?
Das hängt von der Härte und Länge der Massnahmen ab. Ein bisschen leiden kann jeder. Aber es wäre wahrlich nicht lustig, wenn nach Corona wieder ein solches Szenario einträte. Da müsste der Staat wohl einspringen.
In der Öffentlichkeit ist insbesondere die Herstellung von Kunstschnee unter Beschuss geraten, obwohl die Schneekanonen bloss 0,1 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs in der Schweiz ausmachen.
Ich bin kein Fachmann, aber die Schneekanonen laufen ja meist nachts, wenn der Stromverbrauch ohnehin reduziert ist. Und es brächte wohl mehr, den Standbymodus am Fernseher regelmässig auszuschalten.
Auch der Betrieb der Bergbahnen wird kritisiert.
Auf Bergbahnen und Beschneiung entfallen gerade mal 0,34 Prozent des gesamten Stromverbrauchs im Land. Ich finde es unverhältnismässig, dass deswegen eine ganze Branche an den Pranger gestellt wird.
Der Lenkerhof zählt zu den am besten ausgelasteten Luxushotels im Land. Was sind Ihre wichtigsten Trümpfe?
Es ist eigentlich ganz einfach: Wir bieten Essen, Trinken und Wellness auf höchstem Niveau in einem unkomplizierten Haus mit viel Charme und Ambiente, wo gesehen und gesehen werden eine untergeordnete Rolle spielen.
Der grosse Lenkerhof-Investor Jürg Opprecht ist im vergangenen Jahr verstorben. Ist die Zukunft des Hotels langfristig gesichert?
Derzeit arbeitet der Verwaltungsrat an der Zukunftsstrategie des Hotels. Vizepräsidentin ist die Witwe von Jürg Opprecht. Das besagt wohl alles.
Wie gut unterstützt der Branchenverband HotellerieSuisse derzeit die Mitglieder?
Der Verband macht, wie überhaupt in den vergangenen Jahren, einen hervorragenden Job. Auch die enorm wichtige Lobbyarbeit ist vom Feinsten. Man bleibt auch im Ton immer anständig und erreicht so enorn viel.
Sie gelten als Optimist. Auch im Hinblick auf diesen Winter?
Wenn nicht alles schief läuft und uns die Schweizer Gäste treu bleiben, wird die Hotellerie auch diese Situation meistern.
Fehler gefunden?Jetzt melden.