Triple-Sieger Manuel Akanji«Ich hoffe, es gibt noch einen besseren Akanji»
Nach den grossen Feierlichkeiten mit Manchester City hat die Stimme gelitten – der Nationalspieler berichtet von seinem aufregenden Jahr und ungewohnten Krämpfen.

Der Blick ist frisch, als sich Manuel Akanji zur kleinen Runde setzt. Am späten Abend vorher ist er erst in Locarno angekommen, wo sich die Nationalmannschaft auf das EM-Qualifikationsspiel am Freitag in Andorra vorbereitet.
Aber die Stimme verrät, dass er intensive Stunden hinter sich hat. Es kratzt im Hals, wie das gern der Fall ist, wenn man ausführlich gefeiert hat. Immerhin, sagt er und lacht, es sei schon besser als noch am Tag vorher.
Verübeln kann ihm das keiner, dass er gefeiert hat und heiser ist. Innerhalb von drei Wochen hat er mit Manchester City das Triple gewonnen, am 20. Mai die Premier League, am 3. Juni den FA-Cup und schliesslich am vergangenen Samstag als überragende Zugabe die Champions League.
Ist das der beste Akanji überhaupt?, wird er gefragt. «Ich hoffe, es gibt noch einen besseren Akanji.» Triple-Sieger, wie liest sich das? «Unglaublich!», sagt er. Jedes Kind, das mit dem Fussballspielen anfange, träume doch davon, die Champions League zu gewinnen. Auch bei ihm war das so, damals auf dem Dorfplatz von Wiesendangen. Raul war zu der Zeit sein Vorbild, der grosse Stürmer von Real Madrid.
11 war er, als er von Wiesendangen nach Winterthur wechselte und noch auf dem Flügel spielte. Als die Kollegen weiter wuchsen, blieb er körperlich stehen. Aus dem Flügel wurde ein Aussen- und dann ein Innenverteidiger. Mit 16, 17 bekam er seinen Wachstumsschub und konnte den Rückstand wettmachen. «Ich will mich als Verteidiger nicht beklagen», sagt er heute. Das Grinsen liegt ihm wieder breit auf dem Gesicht, weil er es irgendwie nicht wegzubringen scheint.
«Überrascht bin ich nicht»
Ewald Lienen, in seiner Bundesligakarriere als Spieler und Trainer als eigenwilliger Denker bekannt geworden, 69 inzwischen, hat in diesen Tagen in seinem Podcast lange über Akanji gesprochen. Ihn hatte er schon 2015 gesehen, als er mit St. Pauli im Trainingslager im türkischen Belek gegen Winterthur testete.
«Da lief er als 18-, 19-Jähriger rum. Da konntest du schon sehen, was das für ein Junge wird», erzählt er. «Er ist charakterlich einwandfrei. Und in Deutschland? Wurde er lächerlich gemacht, die Journalisten mokierten sich über ihn. Dann geht er zu Manchester City. Wieso wählt Pep Guardiola ihn aus? Weil man einen Spieler eben nicht nur danach auswählt, ob er schnell und technisch gut ist und Zweikämpfe gewinnt, sondern vielleicht auch nach seinem Charakter, was für einen Einfluss er auf die Mannschaft hat.»
In Dortmund waren die Chefs nach viereinhalb Jahren nicht nur gut auf ihn zu sprechen. Ihnen stiess auf, dass er seinen Vertrag nicht vorzeitig verlängern wollte. Akanji bekam, quasi auf den letzten Drücker, die Chance zur Beförderung. Und jetzt sitzt dieser Junge vom Land am Tisch in Locarno und kann auf eine Saison zurückschauen, in der er mit einer Selbstverständlichkeit zum fixen Bestandteil der besten Clubmannschaft der Welt wurde, die verblüffen muss.
Darum die Frage: Ist auch er überrascht von sich? «Überrascht bin ich nicht», sagt er. Und das wiederum soll keinen erstaunen, Akanji ist so, gesegnet mit einem Selbstvertrauen, das er selbst schon als «gesund» bezeichnet hat. Er ging im Herbst mit der Überzeugung nach Manchester, dass er sich da durchsetzen kann, «ich wusste, ich habe die Qualität dafür», sagt er.
Der Dank an Guardiola
Guardiola, aktuell bester Trainer der Welt, fähig dazu, den Fussball zu prägen und verändern, dieser Guardiola hat das Talent, die Spieler besser zu machen. Akanji erzählt davon, wie es ist, mit ihm zu arbeiten, mit einem Mann, der seine Spieler dazu bringt, nicht nachzulassen, der sie mit seinen Veränderungen und Gedanken jeden Tag herausfordert, er erzählt, wie es ist, von diesem detailversessenen Coach das Vertrauen zu erhalten.
«Ich muss dem Trainer danken, dass ich direkt die Chance bekam», sagt Akanji. Nach seinem Wechsel zu City hatte er einmal für sich trainiert und einmal mit der Mannschaft, als er gleich in der Champions League in Sevilla sein Debüt gab. Und es ist gekommen, wie es nicht besser kommen konnte: Er hat seinen Platz nie mehr abgegeben.
Er verteidigte zentral, dann rechts, auf einmal ganz links, er machte, was ihm aufgetragen wurde, und er machte das so gut, dass Guardiola ihn einfach nicht mehr aus der Mannschaft nahm. Er machte 48 von 55 möglichen Partien.

Der Gewinn der Premier League war der erste Lohn, ein grosser Titel, auch wenn es für Guardiola schon der fünfte in sechs Saisons ist. Zeit zum Feiern blieb nicht wirklich, weil weitere Ziele anstanden. Da war einmal der Final des FA-Cups gegen den Stadtrivalen, die United. Zeit zum Feiern blieb auch nach dem Gewinn des Doubles nicht wirklich, weil eben noch eine Aufgabe wartete: das Endspiel in der Champions League gegen Inter Mailand, eine Woche später.
Am Tag des Spiels in Istanbul spürte Akanji den Druck des Ereignisses, er war nervös und stellte sich schon am Morgen Fragen: «Was ist, wenn es uns nicht läuft? Was ist, wenn wir ins Elfmeterschiessen müssen?» Als er im Stadion ankam, war die Nervosität weg, zumindest bei ihm. Aber die Mannschaft spielte nicht gut. Im Hinterkopf musste sie belastet gewesen sein von dem, was Akanji im Nachgang sagt: «Hätten wir verloren, wäre die Stimmung nicht mehr so gut gewesen.» Dann hätte es geheissen: schon wieder versagt im grössten Moment, schon wieder keine Champions League für Guardiola mit City.
Auf einmal diese Nervosität
Im Detail erinnert sich Akanji, wie in der 68. Minute das alte Stürmerblut in ihm pulsierte und er wesentlich zum 1:0 durch Rodri beitrug. Sieben Minuten später wollte er in einem Zweikampf mit Lautaro Martinez hochspringen, und in diesem Moment hatte er, was er noch nie hatte: einen Krampf, und erst noch in beiden Waden. Guardiola wollte ihn auswechseln. Kyle Walker stand als Ersatz bereit. Akanji liess sich behandeln, weil er nicht aufgeben wollte. Es kam gut. Er blieb auf dem Platz.
Und als das Spiel zu Ende war, ein Spiel, in dem es nur ums Gewinnen ging und um keinen Schönheitspreis, begannen die Feierlichkeiten. Und sie waren ausführlich: auf dem Platz in Istanbul, im Hotel in Istanbul, am Sonntag nach der Rückkehr nach Manchester, am Montag mit der Parade in der Stadt.
Während der Parade im offenen Bus begann es zu regnen. Es störte keinen. Irgendwann wurde Akanji in Pullover und Leibchen kälter. Er zog sie aus und stand mit nacktem Oberkörper da, als er zusammen mit Erling Haaland und der Champions-League-Trophäe posierte. Wenigstens trug er noch die Sonnenbrille.
In der Nacht auf Montag hatte er nicht geschlafen, die Nacht darauf war er so um halb drei Uhr im Bett. Und dann war schon Dienstag, Zeit für die Reise nach Locarno. Mit der Motivation will er keine Probleme haben, nur weil der Gegner am Freitag Andorra heisst und die Nummer 153 der Welt ist. «Es geht darum, ein Ziel zu erreichen», sagt er, und das Ziel ist die Qualifikation für die EM 2024.
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