Aussage im Zivilprozess«Ich bin hier, weil Donald Trump mich vergewaltigt hat»
Die US-Autorin E. Jean Carroll sagt vor Gericht in New York aus. Es geht um Vorwürfe aus den Neunzigerjahren. Noch ist nicht klar, ob Trump selbst zu dem Prozess erscheinen wird.
Die Journalistin und Autorin E. Jean Carroll hat am Mittwoch vor einem Gericht in Manhattan ausgesagt, dass der ehemalige Präsident Donald Trump sie Mitte der Neunzigerjahre vergewaltigt habe. Trump war nicht im Gerichtssaal. «Ich bin hier, weil Donald Trump mich vergewaltigt hat», sagte sie, «und als ich darüber schrieb, sagte er, das sei nie passiert. Er hat gelogen und meinen Ruf zerstört. Ich bin hier, um zu versuchen, mein Leben zurückzubekommen.»
Carroll und ihre Anwälte wollen eine Verurteilung Trumps wegen Körperverletzung und Verleumdung erreichen. Sollte die Jury Trump für schuldig befinden, will Carroll eine finanzielle Entschädigung. Trump bestreitet die Vorwürfe. In der Vergangenheit hatte er angemerkt, die Anschuldigungen könnten schon deshalb nicht stimmen, weil Carroll «nicht sein Typ» sei. In den vergangenen Tagen sprach er in den sozialen Medien von einer «betrügerischen und unwahren Geschichte» und von einer «erfundenen Abzocke».
Richter Lewis Kaplan wandte sich wegen dieser Nachrichten an Trumps Anwalt Joe Tacopina. Es scheine, dass Trump nicht nur zu seinen Fans spreche, sagte der Richter, sondern dass er versuche, auch zur Jury zu sprechen. Trump bewege sich mit seinen Kommentaren, die ein laufendes Verfahren begleiten, in einem Bereich, der weitere juristische Konsequenzen für ihn haben könne.
Tacopina versprach, seinen Klienten zu kontaktieren. Er sagte: «Ich werde mit ihm reden und ihn anweisen, er möge von weiteren Postings zu diesem Fall absehen.» Da er seinen Klienten kennt, ahnt er womöglich, dass dieser die Anweisung ignorieren könnte. Jedenfalls sagte er: «Ich werde mein Bestes tun, Euer Ehren.» Der Richter sagte: «Ich hoffe, Sie haben mehr Erfolg.»
«Ich war begeistert, Donald Trump fragte mich nach meinem Rat.»
Carroll sagte aus, sie könne sich nicht an das genaue Datum der Vergewaltigung erinnern, wohl aber im Wesentlichen an den Hergang. Ihrer Erinnerung nach begann alles heiter, spielerisch. Ihre Geschichte geht so: Sie kam aus dem Kaufhaus Bergdorf Goodman auf der 5th Avenue, einer New Yorker Institution. Auf der Strasse habe Trump sie angesprochen, der sie erkannte, weil sie damals im Fernsehen auftrat. Er brauche Hilfe, um ein Geschenk für eine Freundin auszusuchen, habe er gesagt. «Ich war begeistert», sagte Carroll, «hier war Donald Trump und fragte mich nach meinem Rat.»
Die beiden stromerten nach Carrolls Aussage durch das riesige Geschäft und machten Witze über jenes und dieses. Trump habe einen Pelzhut gestreichelt wie ein kleines Haustier. Schliesslich habe sie die Idee für das Geschenk gehabt: Dessous.
Alles heiter, alles gut – bis in die Garderobe
Die beiden fuhren also in den sechsten Stock, in die Lingerie-Abteilung. Trump habe dort auf einen mit Spitze verzierten Body gezeigt: «Zieh den an!», habe er gesagt. Worauf sie erwidert habe, er solle ihn doch selbst anziehen. Alles heiter, alles gut, sagt sie. Die Szene habe sie an einen Sketch erinnert, und sie habe in ihrer Zeit als Autorin der Show «Saturday Night Live» tatsächlich einmal etwas Ähnliches geschrieben.
Trump habe sie zu einem Ankleideraum geführt, und sie hätten diesen Raum zu zweit betreten. Trump habe sie nicht gezwungen. Sofort habe er dann allerdings die Tür geschlossen und sie gegen die Wand gedrückt. Er habe ihre Strumpfhose heruntergezogen und einige Finger in ihre Vagina gesteckt. «Es war extrem schmerzhaft», sagte Carroll. Anschliessend sei er mit seinem Penis in sie eingedrungen.
Warum sie nicht um Hilfe rief? «Ich wollte keine Szene machen», sagte Carroll im Gericht, «ich weiss, das klingt seltsam. Ich wollte ihn nicht verärgern.» Sie habe sich befreien können und das Geschäft verlassen. Zwei Freundinnen habe sie nach eigenen Angaben damals von dem Vorfall erzählt. Eine habe gesagt, sie müsse zur Polizei gehen. Die andere habe gesagt, sie solle schweigen. Denn Trump habe Geld und Anwälte, die über sie hinwegwalzen würden. Sie habe geschwiegen.
In der Folge sei es ihr nicht mehr möglich gewesen, eine romantische Beziehung einzugehen. «Ich habe es nicht mehr über mich gebracht, einem Mann zu zeigen, dass ich ihn mag», sagte sie. Daher habe sie seither auf eine der glorreichsten Erfahrungen verzichten müssen, die man als Mensch machen könne.
Mitglieder der Jury auf Distanz gehalten
Die neunköpfige Jury besteht aus sechs Männern und drei Frauen. Sie wird am Ende des Verfahrens entscheiden müssen, ob sie Carrolls Vorwürfe für glaubwürdig hält. Wegen der Brisanz des Verfahrens hat Richter Kaplan angeordnet, dass nicht einmal die Jurorinnen und Juroren die Namen der anderen Mitglieder der Jury erfahren.
Ob Trump im Laufe des Verfahrens im Gerichtssaal erscheinen wird, um sich zu verteidigen, ist offen. Sein Anwalt Joe Tacopina sagte, er wisse es selber nicht. Richter Kaplan sagte, bis Ende der Woche wolle er diesbezüglich spätestens Bescheid wissen. Denn das Erscheinen eines ehemaligen Präsidenten vor Gericht erfordert, wie man immer ahnte und seit Trumps jüngstem New Yorker Gerichtsauftritt vor gut drei Wochen weiss, einiges an Planung.
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