IAA Mobility in MünchenZwitter mit Fragezeichen
Auch die zweite Ausgabe der IAA Mobility in München wirft für die Autobranche mehr Fragen auf, als sie beantwortet.
Automessen gelten selbst bei Branchenvertretern nicht unbedingt als Ort für Abenteuer und Action. Umso grösser das Erstaunen, als die Eröffnung der IAA Mobility in München Anfang dieser Woche von Blaulicht, Sirenen und umherrennenden Sicherheitskräften begleitet wurde. Der Grund: Aktivisten hatten aus Protest Teile von Autos in einem Wasserbecken vor dem Messegelände versenkt. Es sollte der Anfang einer Reihe von Aktionen sein, welche die Münchner Polizei in diesen Tagen spürbar in Nervosität versetzt.
Tatsächlich hatten diverse Organisationen – darunter Greenpeace, Sand im Getriebe oder No Future for IAA – Protestaktionen angekündigt. Auch die Gruppe der Letzten Generation, die bereits seit Ende August mit verschiedenen Blockaden versucht, München zu einer Aktivistenhochburg zu machen, mischt bei den Aktionen mit. Damit setzt sich eine unschöne Tradition beim Messeneuling fort. Bereits bei der Premiere vor zwei Jahren hatten Aktivisten unter anderem Autobahnen blockiert und Häuser besetzt.
Volksfest unter der Herbstsonne
Doch es gibt auch angenehme Kontinuität bei der Zweitauflage der neuen IAA. Wie schon 2021 verwandelt die Septembersonne die Münchner City auch dieses Jahr in eine Erlebnisfläche mit Volksfestcharakter. Vom Marienplatz über den Odeonsplatz bis hin zum Königsplatz erstreckt sich die Ausstellung des «Open Space» über die ganze Innenstadt. Auf dem Königsplatz wird ein Festival mit umfangreichem Angebot aus Kunst, Kultur und Live-Entertainment geboten. Der Marienplatz wiederum präsentiert mit dem Citizen Lab einen Ort, an dem sich Interessierte aktiv am Dialog über die künftige Mobilität und die Lebensraumentwicklung in der Stadt und auf dem Land austauschen können.
Die Interaktion mit dem Publikum wird denn auch konsequent grossgeschrieben. Rund um den Odeonsplatz etwa können Besucherinnen und Besucher mittels Probefahrten neue Mobilitätsangebote – vom Auto bis zum E-Scooter – direkt vor Ort testen. Und die Wege der Parkanlage im Englischen Garten verwandeln sich während der IAA in Highspeed-Trails für E-Bikes und Scooter. Dazu gibt es entlang des Hofgartens eine Bike-Meile mit Anbietern wie CaGo-Bikes oder Specialized, diversen Gastroständen sowie einem Angebot für Senioren, vor Ort ein spontanes E-Bike-Training zu absolvieren.
Das Auto am Rande
Solange das Wetter stimmt, funktioniert das Prinzip der IAA Mobility als Volksfest. Am Wittelsbacherplatz, wo Porsche ein überdimensionales 911er-Modell aufgestellt hat, wird fleissig für Selfies gepost. Daneben stehen viele für einen Blick auf den Activesphere Concept Car von Audi an. Von einer kritischen Haltung gegenüber der deutschen Autoindustrie ist hier wenig zu spüren. Doch die gute Laune bei vielen Besucherinnen und Besuchern kann über die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass die IAA ein Identitätsproblem hat. Denn auch bei der zweiten Ausgabe der neuen Automesse geht es kaum noch um Autos und Motoren. Das wäre nicht weiter schlimm; schliesslich richtet sich der «Open Space»-Teil der Messe bewusst an die breite Masse, nicht an Autofans und Branchenvertreter.
Das Problem ist: Auch auf dem Messegelände, wo sich Medien, Industrie und später auch das autoaffine Publikum treffen sollen, wird das Kernprodukt an den Rand gedrängt. So wird selbst bei der Pressekonferenz des VW-Konzerns mehrheitlich über neue Zellen und Produktionsstätten für Batterien, neuartige Apps für die mobile Welt von morgen oder Innovationen im Umgang mit CO2 gesprochen. Der ID. GTI (siehe unten), ein Auto, das bei den Anwesenden für Emotionen sorgt, wird dagegen fast beiläufig erwähnt.
Wie auf einer IT-Messe
Der Rundgang durch das Messegelände bestätigt den Eindruck. Aufregende Autos sind rar gesät, das Ausbleiben namhafter Hersteller macht sich bemerkbar. Peugeot, Citroën und Fiat fehlen ebenso wie Hyundai, Kia und Toyota. Auch exklusive Marken wie Ferrari, Jaguar und Volvo bleiben der Messe fern. Neben den deutschen Platzhirschen plus Opel und Ford sind vor allem Zulieferer, Mobilitätsdienstleister und IT-Unternehmen vor Ort.
Tatsächlich ist die IAA nicht nur vom Namen her nicht mehr weit weg von ihrer Technikkollegin IFA in Berlin. In den Hallen präsentieren sich Batteriehersteller neben Cloud-Services, Forschungsinstitute neben Wirtschaftsförderern, Consultants neben Banken und Start-up-Firmen. In der Branche gilt die IAA Mobility deshalb unter vorgehaltener Hand als grosses Fragezeichen. Man weiss nicht recht, was man mit diesem Zwitter einer Messe anfangen soll; an wen sie sich richtet – und wie man sie letztlich dafür nutzen soll, Produkte an den Mann und die Frau zu bringen.
Klar ist nur eines: Fernbleiben ist keine Option. Zu stark ist die Präsenz der Konkurrenz, allen voran der Chinesen. BYD, MG Motor oder Xpeng nutzen die IAA als Sprungbrett für ihren Angriff auf den alten Kontinent. Trotz aller offenen Fragen werden es sich die deutschen Hersteller deshalb auch künftig nicht nehmen lassen, an der IAA Mobility Stärke zu markieren. Denn ein überdimensionaler Nio oder Xpeng mitten in der Münchner City, das wäre für die europäische Autoindustrie dann doch ein ziemlich fatales Signal.
Fehler gefunden?Jetzt melden.