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Corona-Krise im Iran
Hunderte Tote jeden Tag

Verwandte nehmen Abschied von einem Corona-Opfer am Friedhof Behesht-e Zahra in Teheran. 
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Die Arbeiter schichten graue Betonziegel übereinander zu einem Schachbrett aus Rechtecken, mehr als zwei Meter hoch. Es sind neue Gräber auf Irans grösstem Friedhof Behesht-e Zarah am Rand der Hauptstadt Teheran. Überragt von den goldenen Minaretten des Mausoleums von Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Khomeini liegen hier die Märtyrer des acht Jahre währenden Krieges mit Saddam Hussein. Doch jetzt kommen jeden Tag mehr Tote hier an als während der schlimmsten Schlachten gegen Saddam Hussein.

Said Khal, Direktor des Friedhofs, sagte jüngst im Staatsfernsehen, dass jeden Tag bis zu 350 Verstorbene zu bestatten seien. Mehr als 150 von ihnen seien an einer Covid-Infektion gestorben. Es seien «die härtesten und traurigsten Tage» in der 50-jährigen Geschichte des Friedhofs. In aller Eile wird eine neue Leichenhalle errichtet.

Arbeiter bauen zügig neue Grabstellen auf dem Friedhof Behesht-e Zahra in einem Aussenbezirk von Teheran. Die Anzahl der Corona-Toten nimmt rasant zu.

Der Iran befindet sich mitten in der vierten Corona-Welle, und es ist mit Abstand die schlimmste. Gesundheitsminister Said Namaki warnte bereits vor Wochen vor einer «Welle des Todes». Zum persischen Neujahrsfest Nouruz Ende März hatten viele Iraner trotz Warnungen von Präsident Hassan Rohani Verwandte besucht – seither steigen die Infektionszahlen.

Offiziell verzeichnet das Land mit seinen 85 Millionen Einwohnern etwa 25’000 Neuinfektionen pro Tag. Die Zahl der Toten stieg in dieser Woche auf täglich fast 500. Auf den Covid-Stationen liegen 40’000 Patienten, die Regierung fürchtet, es könnten bald 60’000 sein. Die Dunkelziffer bei Infektionen und Todesfällen ist hoch.

Nicht einmal im Golfkrieg war der Grosse Basar geschlossen

Hatte die Regierung die erste Welle vertuscht, reagiert sie jetzt mit einem neuerlichen Teil-Lockdown. Der Grosse Basar von Teheran, das pulsierende Herz der Hauptstadt, hat die dritte Woche in Folge geschlossen – auch das gab es nicht einmal im Golfkrieg der Achtzigerjahre. Moscheen und Restaurants sind auch im laufenden Fastenmonat Ramadan dicht, die Nutzung privater Autos und Reisen zwischen Provinzen sind beschränkt. Abends treffen sich die Menschen deswegen privat in ihren Häusern zum Fastenbrechen, was wiederum Ansteckungen begünstigt.

Teherans U-Bahn ist trotz der rapide steigenden Infektionszahlen voll. Viele Menschen können es sich nicht leisten, nicht zur Arbeit zu gehen; sie können sich oft nur mit mehreren Jobs über Wasser halten. «Entweder sterben wir an Corona, oder wir verhungern», erzählt eine Frau am Telefon. Verschärft wird die Situation durch die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahren: Folge von jahrzehntelanger Korruption, Inkompetenz und Missmanagement des Regimes, aber auch der Sanktionen der USA. Über deren Aufhebung verhandelt die Regierung gerade in Wien mit den anderen Parteien des Atomabkommens von 2015.

Für den Iran ist es schwierig, an Beatmungsgeräte zu kommen. Patienten im Shohadaye-Tajrish-Spital in Teheran.

Die Sanktionen aber hindern den Iran auch daran, die Pandemie wirkungsvoll zu bekämpfen. Obwohl es Ausnahmen für humanitäre Güter gibt, findet die Regierung kaum Banken, die bereit sind, Transaktionen für den Kauf von Beatmungsgeräten, Medikamenten, Schutzausrüstung oder Impfstoff abzuwickeln. Gerade einmal 700’000 Impfdosen hat der Iran erhalten, mit denen vor allem das Personal im Gesundheitswesen immunisiert wird. Allerdings hatte der Oberste Führer, Ajatollah Ali Khamenei, Vakzine aus den USA und Grossbritannien abgelehnt. Das Land entwickelt nun eigene Präparate, die aber frühestens im September verfügbar sind.

«Die Sanktionen schaden nicht nur der iranischen Wirtschaft, sondern auch dem Recht der Iraner auf Gesundheit, indem sie den Zugang zu lebensrettenden Medikamenten einschränken», sagte Mahmoud Farzandeh, Botschafter des Iran in Berlin. Leider hielten sich die europäischen Länder «an die ungerechten amerikanischen Regeln und verweigern die Zusammenarbeit mit dem Iran sogar auf dem Gebiet der Medizin».

Beeinträchtigter Zugang zu Medikamenten

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte schon im Oktober 2019, dass die US-Sanktionen grundlegende Menschenrechte vieler Iraner beeinträchtigten, etwa den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten. Die frühere US-Regierung unter Präsident Donald Trump richtete zwar mit der Schweiz einen humanitären Zahlungskanal ein, der allerdings keine greifbare Verbesserung brachte.

Etwas materielle und finanzielle Hilfe kam von Frankreich, Grossbritannien und Deutschland gleich zu Beginn der Pandemie. Die Länder flogen Ausrüstung für Labortests, Schutzanzüge und Handschuhe ein und die Weltgesundheitsorganisation stellte fünf Millionen Euro Hilfsgelder bereit. Jetzt finden weitere Gespräche zum Beispiel zwischen der Botschaft in Teheran und dem iranischen Gesundheitsministerium statt über mögliche Unterstützung bei der Pandemiebekämpfung.