Schwere Unfälle und schockierte FahrerHorrorstürze in Adelboden – ist das Chuenisbärgli zu gefährlich?
20 Athleten schieden am Freitag aus, 18 am Samstag. Einige verletzten sich schwer. Ist der anspruchsvollste Riesenslalomhang im Weltcup zu gefährlich?

Man nennt es «Chuenisbärgli». Aber die Einheimischen sprechen immer häufiger vom «Chuenis». Es ist besser so. Denn die Verniedlichung passt so gar nicht zu diesem Hang in Adelboden. Er sei der anspruchsvollste im Weltcup für die Riesenslalomfahrer, heisst es, gespickt mit lauter Wellen, mit heiklen Geländeübergängen. Und dann ist da noch der Zielhang, diese steile Wand. Einen «Saucheib», nannte ihn Marco Odermatt. Er muss es wissen.
Semyel Bissig meinte, in Adelboden könne man nicht einfach nur runterfahren. «Hier muss man aktiv sein und angreifen – sonst greift dich das Chuenisbärgli an.» Bei Bissig hat es zugebissen, am Freitag war er gestürzt, in der Nacht auf Samstag wachte er mit Schmerzen auf. Er zog sich eine Verletzung am rechten Knie zu.
20 weitere Fahrer hatten das Rennen nicht beendet, deren 18 waren es im zweiten Riesenslalom. Einige zahlten einen hohen Preis, etwa die drei Norweger Timon Haugan, Atle Lie McGrath und Lucas Braathen. Letzterer könnte wegen seines kaputten Knies gar über ein halbes Jahr lang ausfallen. Er kam nach der Zieldurchfahrt zu Fall, schlug hart mit dem Kopf auf. Teamkollege Aleksander Kilde meinte: «Als ich die Bilder dieses Unfalls sah, war ich richtig geschockt.»
Ford liegt in Bern im Spital
Noch heftiger erwischte es Tommy Ford. Das Ziel hatte der Amerikaner am Samstag bereits vor Augen gehabt, ehe er die Kontrolle über seine Ski verlor, sich überschlug und wuchtig auf dem harten Untergrund landete. Ford blieb regungslos liegen, rasch schwenkte die TV-Kamera weg, was nie ein gutes Zeichen ist. Bald kam die Meldung, wonach das Rennen um 20 Minuten unterbrochen würde.
Eine Zeit lang soll Ford bewusstlos gewesen sein; als er mit dem Helikopter nach Bern gebracht wurde, habe er jedoch Personen erkannt und mit den Ärzten interagiert. Neurologische Abklärungen sind im Gang, noch ist nichts Genaueres über seinen Gesundheitszustand bekannt.

Und so kommen an diesem Wochenende Erinnerungen hoch ans Jahr 2005 und den Wahnsinnssturz von Daron Rahlves. Bei knapp 80 km/h erwischte dieser damals einen Schlag, meterhoch flog er durch die Luft. Nach Salto mit Schraube landete er in der Abschrankung, die Zuschauer dahinter trauten ihren Augen nicht. Erst recht, als Rahlves wieder aufstand und nur über geringe Schmerzen klagte.
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Stellt sich die Frage: Weshalb ist die Strecke in Adelboden derart tückisch? Kilde, in den beiden Riesenslaloms Vierter und Fünfter, erwähnte die unterschiedlichen Lichtverhältnisse. «Ein paar Sekunden lang ist es hell, dann wird es dunkel. So geht es immer weiter. Das macht es schwierig.» Zudem sei das Niveau an der Spitze derart hoch und die Konkurrenz so gross geworden, dass sich keiner mehr einen Sicherheitslauf leisten könne.
Die Österreicher Roland Leitinger und Manuel Feller sprachen derweil vom äusserst aggressiven Schnee im Berner Oberland. «Die Unterlage ist extrem, und unsere Materialabstimmung ist es sowieso. Jeder will die Kurve ja so eng wie möglich fahren», sagte Leitinger. Nur: Gehe die Kontrolle verloren, sei man sofort Passagier und nicht mehr Pilot auf den Ski.
Zu viel Risiko?
Der Schweizer Riesenslalomtrainer Helmut Krug sprach vom «Mythos Adelboden» und dessen Wirkung. «Hier will es jeder noch besser machen. Konditionell sind die Fahrer mittlerweile auf einem derart hohen Niveau, dass sie bereit sind, extrem viel zu riskieren.» Womöglich zu viel?
Feller jedenfalls verneinte dies nicht. Zumal auch im Riesenslalom das Tempo heutzutage hoch sei. Total erschrocken sei er, als er Fords Sturz gesehen habe. «Dieser Hang ist der Wahnsinn, er verzeiht keinen Fehler. Den Rhythmus findet man eigentlich nie.» Tom Stauffer, Chefcoach der Schweizer Männer, meint: «Jedes Tor ist anders gesteckt, fast jede Kurve hat einen anderen Charakter. Die Fahrer befinden sich praktisch nie in der Komfortzone.»
Über den Zustand der Piste allerdings verlor kein Fahrer ein böses Wort. Bestens präpariert sei sie gewesen. Sie war so eisig, dass selbst für engagierte Hobbyskifahrer mehr als eine Rutschpartie ins Ziel nicht dringelegen wäre.
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