Kommentar zu SBB und HomeofficeHomeoffice ist die Lösung, nicht das Problem
Die SBB wollen ihre Fahrgäste zurück. Gegen Homeoffice zu argumentieren, ist aber fehl am Platz. Denn überfüllte Züge können auch nach Corona nicht im Interesse der Bahn sein.
Die S-Bahn am frühen Morgen wirkt so, als hätte es das Coronavirus nie gegeben. Dicht an dicht warten die Pendler zu den Stosszeiten auf den Perrons, vor den Zugtüren bilden sich Menschentrauben. Auch wenn die Auslastung der Züge schweizweit und über den ganzen Tag betrachtet erst bei 50 Prozent liegt, in den städtischen Agglomerationen ist die neue Corona-Realität schon fast wieder die alte. Oder anders gesagt: Abstand halten ist unmöglich, das mulmige Gefühl beim Pendeln bleibt.
Unter dem Deckmantel sauberer Mobilität versucht die Bahn, möglichst rasch wieder mehr Tickets zu verkaufen.
Ausgerechnet in dieser Situation denken die SBB darüber nach, wie man die Homeoffice-Empfehlung des Bundes lockern könnte (zum Bericht). Unter dem Deckmantel sauberer Mobilität versucht die Bahn wohl nichts anderes, als bei den Ticketeinnahmen möglichst rasch wieder auf Vorkrisenniveau zu kommen. Das ist zwar verständlich, aber andere Branchen hätten da deutlich mehr Grund, gegen Homeoffice zu lobbyieren: Manch ein Gastronom in Büroquartieren wartet vergeblich auf ein einträgliches Mittagsgeschäft. Anders als dem Staatsbetrieb SBB deckt der Bund dem Gastronomen das Defizit nicht.
Die Bundesbahnen täten aber auch sonst gut daran, gerade jetzt langfristig zu denken: Dort wo es heute konzentriert viele Büroarbeitsplätze gibt, sind die Züge regelmässig überfüllt. Dass Homeoffice hilft, Pendlerspitzen zu brechen, hat der Corona-Lockdown bewiesen. Und auch der neue SBB-Chef Vincent Ducrot hat das im Grundsatz verstanden: «Die letzten Wochen haben gezeigt, dass eine Mischung aus Homeoffice und normalem Büroalltag sehr gut möglich ist», sagte er kürzlich.
Damit diese Aussage kein Lippenbekenntnis bleibt, müssten die SBB jetzt, am besten mit dem Bund und anderen Arbeitgebern zusammen, Lösungen entwickeln, wie man nach Corona noch cleverer pendeln und arbeiten kann, ohne in alte Muster zurückzufallen. Selber schreibt sich das Unternehmen nämlich auf die Fahne, voll und ganz hinter der Kultur des ortsunabhängigen Arbeitens zu stehen. Auch damit liesse sich beim Bund Lobbyarbeit betreiben.
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