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AboSchneepolo in St. MoritzHier bleiben die Superreichen noch unter sich

Bildschön, irre gefährlich und unfassbar teuer: Schneepolo ist in allen Belangen gigantisch. An den Weltmeisterschaften in St. Moritz wird das Geld nur so verbraten.

Halsbrecherisches Tempo, gepaart mit Geschicklichkeit und Athletik: Polospieler am letzten Januar-Wochenende in St. Moritz. 

VIP-Mittag beim Snow Polo World Cup in St. Moritz, im Zelt auf dem zugefrorenen See lädt sich die Society schon wieder Austern auf den Teller und spült sorgfältig mit Champagner nach, um sogleich am Sprüngli-Stand einzukehren, wo die Süsswaren wirklich wie Honig über die Zunge rinnt. Der Mann, der sich etwas steifbeinig durch die tafelnden Genussmenschen hindurchwindet, trägt einen Schopf roter Haare und die Rückennummer 1 des Captains.

Gerade hat er das Spiel um Platz drei ohne nennenswerte Gegenwehr verloren, was insofern interessant war, als es sich beim Captain des gegnerischen Teams um seine eigene Frau handelte («happy wife, happy life», sagte dazu einer seiner Spieler mit sehr schiefem Grinsen). Fester Händedruck, schmerzverzerrtes Gesicht, beim Sturz vom Pferd ist am Vortag eine Rippe zu Bruch gegangen. «Hi, ich bin Marc.»

Eine der ungeschriebenen Gentleman-Regeln beim Polo lautet, dass Konto- und Standesunterschiede, vom Stallburschen über den angemieteten Profi bis rauf zum Captain durch den Gebrauch des Vornamens zu annullieren sind. Es ist darum absolut denkbar, dass du bei einem Spiel in England gegen Arthur, Ian, William und Stephen antrittst und auf dem Feld erst feststellst, dass William der zukünftige König von England ist. So jedenfalls erzählen es gerne die älteren Spieler, jeder von ihnen hat schon gegen einen Windsor gespielt und hinterher mit ihm bei Bier und Schlachtplatte zusammengesessen, natürlich auch Marc

Besitzt einen Polo-Club in Palm Beach und einen in Aspen sowie grob über den Daumen gepeilt 500 Polopferde: Marc Ganzi (2. v. li.) und sein Team.

Nach drei Tagen zwischen VIP-Zelt, VIP-Tribüne und VIP-Gala in Badrutt’s Palace hat man immerhin so viel verstanden, dass ein Mann, der bei einem der prestigeträchtigsten Polo-Turniere der Welt nicht nur eine, sondern gleich zwei Mannschaften finanziert, substanziell reich sein muss. Die Frage, um die man nun vorsichtig herumstochert, lautet: Wer ist dieser Mann, und wo kommt der ganze Reichtum her? Scheinheilig formuliert: «Marc, haben Sie Ihr Geld beim Polo verdient?» Das findet er erwartungsgemäss saulustig. «Haha, leider nein! Beim Polo verbrenne ich es nur.»

Stellt sich raus, er hat doch einen Nachnamen. Marc Ganzi, 49, US-Amerikaner, ist Gründer, Präsident und CEO eines weltweit operierenden Anbieters für Rechenzentren und Mobilfunkmasten, dessen Wert auf mehrere Milliarden Dollar geschätzt wird. Er besitzt einen Polo-Club mit fünf Feldern in Palm Beach und einen Polo-Club mit elf Feldern in Aspen sowie grob über den Daumen gepeilt 500 Polopferde.

2200 Franken für die Polo-Zeltsause und Gala-Dinner

Da er (Learning für ausgebrannte Firmenchefs) so smart war, an allen wichtigen Stellen gute Leute zu installieren, bleibt ihm nun Zeit für zwölf Turniere im Jahr, gemeinsam mit seiner Frau Melissa und den beiden ebenfalls aktiven Kindern. «Ich bin», sagt Ganzi ohne jede Spur von Arroganz, «ein wahnsinnig glücklicher Mann.» Dann entschuldigt er sich, am Sprüngli-Stand ist die Prinzessin von Bahrain aufgetaucht. «Ich habe ihr mein Shirt versprochen.»

Mitten auf dem Eis des St.-Moritz-Sees: das mit Kunstschnee aufgeschüttete Feld, 185 Meter lang, 90 Meter breit, die Tore mit jeweils zwei Stangen im Abstand von 7,30 Metern markiert.

Es ist der umsatzstärkste Winter, den sie in St. Moritz seit 20 Jahren erlebt haben, die Corona-Müdigkeit macht’s möglich. Nicht zu vergessen: Snow Polo Weekend. 1985 hat der Schweizer Hotelier Reto Gaudenzi hier das weltweit erste Turnier auf Schnee veranstaltet, seither ist es ein Fixpunkt im Jahreskalender des Jetset.

Die Tickets waren längst verkauft, da riefen die Leute immer noch an und bettelten, 2200 Franken für Polo-Zeltsause und Gala-Dinner bezahlen zu dürfen – oder gern auch das Doppelte, sollte dies irgendwie hilfreich sein. Vor einem metallisch blauen Himmel kommen die privaten Cessnas und Gulfstreams eingeflogen wie Perlen auf der Schnur. 14 Millionen Franken zusätzlich setzt der Ort an diesem letzten Januar-Wochenende um.

Halsbrecherische Manöver, gebrochene Rippen

Jedes Spiel wird in vier Intervallen à sieben Minuten ausgetragen, den sogenannten Chukkas, was wie das Spiel selbst aus dem Persischen kommt und schlicht Zeitabschnitt bedeutet. Auf dem Feld stehen zwei Mannschaften mit jeweils vier Spielern, ein Verteidiger, zwei Mittelfeldspieler und ganz vorn der Captain, seine Leute versorgen ihn scheinbar selbstlos mit Torchancen. Da er zwar mit Abstand das mieseste Handicap hat, aber auch derjenige ist, der das Geld verbrennt, geht das wahrscheinlich in Ordnung so.

An der Stirnseite die mit Streu ausgelegten Unterstände für 120 Polo-Pferde, auf der Längsseite Tribünen für mehr als tausend Zuschauer.

Wer Polo für eine fragwürdige Mischung aus Ball- und Reitsport hält, geeignet, Millionären den Ennui auszutreiben und ansonsten zu nichts nutze, hat niemals ein Spiel gesehen. In St. Moritz beginnt es mit der Schweizer Nationalhymne, dann fordert Stadionsprecher Jan-Eric Franck alias «The Voice of Polo» einen «big clap of hands» für die einreitenden Athleten. Schon läutet die Glocke, der Linienrichter wirft den Ball aufs Feld, auf der Digitalanzeige laufen die sieben Minuten des ersten Chukkas abwärts.

Alles an diesem Spiel ist atemberaubend. Das Tempo, mit dem die Pferde Leib an Leib übers Feld donnern, die Geschmeidigkeit, mit der sie wenden. Die Athletik der Spieler, die mit der Linken den Doppelzügel halten, während sie mit dem Stick in ihrer Rechten den Ball Richtung Tor treiben.

Diverse aufgeplatzte Lippen, gebrochene Rippen und ausgekugelte Schulter: Dieser Sport ist gigantisch.

Der US-Profi Nic Roldan, der schön ist wie ein Ralph-Lauren-Model und nach jedem Match von Frauen erwartet wird, die Selfies mit ihm machen wollen, kann den Ball sogar bei vollem Galopp auf dem Stick tanzen lassen. Halsbrecherische Manöver überall, diverse aufgeplatzte Lippen, gebrochene Rippen und eine ausgekugelte Schulter sind zu beklagen, sie werden mit einer stiff upper lip ertragen und weggelächelt. Bewunderung steigt in einem hoch, gefolgt von blankem Neid. Das können, was diese Sportler können: Es muss gigantisch sein.

Polo ist mit anderen Worten ziemlich genau so wie das Bild des Fotografen David Yarrow, das in der Galerie in der Via Chavallera gerade zum Verkauf steht, zu sehen ist eine rasante Blondine im Cabrio, ausgewachsener Wolf auf dem Beifahrersitz, die mit vollen Händen Dollarnoten in den Fahrwind wirft. Hochbeschleunigt also, bildschön, irre gefährlich und unfassbar teuer.

16 Pferde, drei Profis und ein Stall: Das kostet die Teilnahme

Wer selbst reitet, gegen Schlachtplatte mit dem Duke of Cambridge nichts einzuwenden hätte und in St. Moritz antreten will: Hier kommt die Rechnung.

Du brauchst erst mal Pferde (Kostenpunkt zwischen 10’000 und 100’000 Franken), am besten argentinische Vollblüter, und davon mindestens zwei, weil ihnen nach jedem Chukka eine Erholungspause zusteht. Nun werden beim World Cup aber auch innerhalb eines Chukkas die Pferde gewechselt, damit jederzeit Höchstleistung unterm Hintern herrscht, das sind dann schon vier Pferde.

Für die Teilnahme braucht es Pferde, das kostet eine schöne Stange Geld und wer ordentlich viel davon ausgibt, erhält dafür vielleicht etwas Ruhm, Ehre und einen Pokal.

Solltest du aus Übersee anreisen, willst du ihnen den Flug aber natürlich nicht zumuten. Also brauchst du Leihpferde aus Europa, und zwar die besten, die du kriegen kannst, sagen wir aus Frankreich, Italien oder England. Sie werden eine Woche vor Turnierstart ins Engadin geliefert, damit sie sich an die Höhe und den Schnee gewöhnen können. Das bist aber erst mal nur du – noch fehlt die Mannschaft. Drei Polo-Profis und weitere zwölf Pferde sind anzuheuern, anzutransportieren, zu beherbergen und zu verköstigen, ausserdem ein Tierarzt, ein Hufschmied sowie zwei Stall- und Reitburschen.

Und wirklich nur dann, wenn du dein Geld mit vollen Händen in den Fahrtwind geworfen hast, kannst du den Titel gewinnen und bekommst als Return of Investment anstelle eines ordentlichen Preisgeldes lediglich Ruhm, Ehre und einen Pokal. Auf der Habenseite: Ein eigener Formel-1-Stall oder eine Fussballmannschaft sind teurer, und ausserdem darfst du da selbst nicht mitspielen.

Hier sind die Reichen noch wirklich unter sich

Als Sahnehäubchen obendrauf kommt das Publikum. Sehr altes Geld in der Regel, aber auch neues, das nach Aufnahme in die Teak-Klasse der Gesellschaft dürstet. Keine der tradierten Commonwealth-Sportarten eignet sich dafür besser als Polo.

Cricket: hat seinen Privatschul-Nimbus vor Jahrzehnten schon eingebüsst. Tennis: wird, wenn es nicht gerade um die Aufnahme in einen britischen Rasenclub geht, längst nicht mehr nur von Arztsöhnen und Unternehmerstöchtern betrieben. Golf: ist seit zwanzig Jahren von Habenichtsen unterwandert. Beim Polo aber sind die Reichen noch unter sich, und so viel Champagner kann der Sponsor Perrier-Jouët gar nicht ausschenken, wie ihnen das Laune macht.

Das ältere Ehepaar, das mit dem Privatjet aus Ungarn eingeflogen ist und auch noch dem mitgereisten Dackel ein Pelzmützchen aufgesetzt hat.

Auf der VIP-Tribüne sitzt der Status in Form von Mode und Accessoires. Da ist der Brite, der samstags mit gelbem Fuchsmantel und ebensolcher Pelzhaube aufläuft und sonntags das gleiche Outfit in Azurblau vorführt; mit Farbbeutelschmeissern ist zum Glück eher nicht zu rechnen. Eine Italienerin trägt ihren Chihuahua zusammen mit der Birkin Bag in der Armbeuge und ansonsten von Kopf bis Fuss Dior – die Regel, dass der Name eines jeden Labels auf der Jacke, der Tasche und dem zünftigen Skipulli gut lesbar anzubringen ist, wird allgemein berücksichtigt. Das Interesse am Spiel allerdings, da kann Jan-Eric alias The Voice noch so nachdrücklich «a big round of applause» fordern, es bleibt auf der Tribüne eher gedämpft.

Da ist das gestiefelte Pärchen aus Italien, besonders bei den anwesenden Influencern gefragt, dessen Hund ein Moncler-Jäckchen trägt.

«Alles, was wir Spieler sehen, wenn wir ins Publikum schauen, sind Rücken. Weil alle ausschliesslich damit beschäftigt sind, Cocktails zu trinken», hat der mehrmalige britische Nationalspieler Malcolm Borwick gesagt. Das war am frühen Morgen, die Sonne leckte gerade an der Turmspitze des Badrutt’s Palace, als man mit einer Handvoll anderer Freiwilliger zum Polo-Tutorial antrat.

Es galt, den Ball mit dem Stick übers Feld zu treiben, Vorhand, Rückhand, rechte Seite, linke, und das war bereits vom Boden aus und ohne Pferd ein Kunststück gewesen. Im Sattel auf einem leibhaftigen Polo-Pony sitzend, schien es ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. «Nun stellt euch das Gleiche vor, nur bei 60 Kilometern pro Stunde.» Und das wollte man lieber nicht tun.

In St. Moritz stapeln sich die alten Luxushotels den Hang hinauf und sind bis auf das letzte Zimmer ausgebucht.

Der Respekt ist also eher noch gewachsen, als am Sonntag Punkt 14.30 Uhr die Fanfaren zum Finale blasen, es spielt das Team Clinique La Prairie gegen das später siegreiche Team Azerbaijan Land of Fire. Die Tribüne ist bis auf den letzten Platz mit in Decken gewickelten und Champagner trinkenden Menschen besetzt, 2 G ohne Maske und Abstand. Wenn man sich die Seuche nicht schon am Vorabend geholt hat, als 200 Galagäste in Smoking und Abendkleid noch auf die Tanzfläche des King’s Club rübermachten, so bekommt man sie spätestens hier.

Was in diesem Augenblick aber egal ist. Der Himmel ist blau, der Schnee ist weiss und das Spiel so aufregend, dass es selbst die träge Schickeria hier und da von den Sitzen reisst. «Wir haben die Wolken vertrieben, wir haben den Wind abgestellt und die besten Spieler der Welt eingeladen», jubelt The Voice of Polo. «Gibt es noch irgendetwas, das wir für euch tun können, Leute?»

Danke, Jan-Eric, im Moment nichts.

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