Herbstmesse oder Knabenschiessen?Der Chilbi-Battle Zürich gegen Basel
Dieses Wochenende ist Knabenschiessen – Zürcherinnen und Zürcher halten das gern für den Nabel der Schweizer Chilbi-Welt. Basler sagen: Die Herbstmesse ist grösser, länger, schöner. Wir haben beide getestet.

Zugegeben, wir haben uns etwas aus dem Fenster gelehnt, als wir im September 2023 im Titel einer Reportage über das Knabenschiessen behaupteten, dieses sei die grösste Chilbi der Schweiz. Prompt kam Protest aus Basel (oder von Heimweh-Baslerinnen? Wir wissen es nicht).
Jedenfalls war der Inhalt unmissverständlich. Die Herbstmesse in Basel sei grösser, länger, schöner, älter. Also gut, sagten wir, Herausforderung angenommen.
Wir machten die Probe aufs Exempel und reisten an die Herbstmesse. Das sind unsere Erkenntnisse in vier Kapiteln.
Die Zahlen – 1:0 für Basel
Wir könnten hier jetzt einfach diese zwei Zahlen gegenüberstellen:
Knabenschiessen: 30 Grad, sonnig
Herbstmesse: 10 Grad, wechselhaft (freundlich ausgedrückt)
Aber das wäre etwas unfair. Es kann schliesslich niemand etwas fürs Wetter, höchstens fürs Festdatum. Im Übrigen aber müssen wir neidlos anerkennen, dass die Basler in Sachen Zahlen die Nase vorn haben.
Herbstmesse: 16 Tage, rund 500 Schausteller, über 500 Jahre alt
Knabenschiessen: 3 Tage, rund 200 Schausteller, über 400 Jahre alt
Tja. Konkurrenzfähig ist Zürich eigentlich nur bei der Zahl der Chilbibahnen – sowohl am Rhein als auch auf dem Albisgüetli stehen rund 50 Fahrgeschäfte. Trotzdem: ein klares 1:0 für Basel.
Das Ambiente – 2:1 für Basel
Für Knabenschiessen-Fans ist die Basler Messe erst mal sehr ungewohnt. Statt auf einer Wiese am Stadtrand stehen die Bahnen und Stände mitten in der Stadt. Im Vorbeifliegen kann man den Leuten praktisch ins Wohnzimmer gucken. Oder man wirbelt mal eben gefühlt über ein Kirchendach.

Und: Es gibt nicht nur einen Messeplatz (Chilbi nennt das hier niemand), sondern sieben. Einer davon ist ein wunderbarer Warenmarkt für Kunsthandwerk und Bücher, in dessen Mitte ein klassisches doppelstöckiges Karussell steht.

Wer an der Herbstmesse alles sehen will, braucht neben viel Zeit entweder ein Tramticket oder bequeme Schuhe – so gross ist Basel ja nicht.
Das sorgt für ein ganz eigenes Flair. Und hat den Vorteil, dass man sich immer mal wieder bei einem Bummel durch die schöne Altstadt erholen kann und eine ganz gute Ausrede hat, wenn einem von einer Bahn etwas sturm im Kopf ist: Man redet sich und den Kollegen einfach ein, man wolle jetzt unbedingt diese eine Bahn testen, die leider, leider anderswo steht.

Anderseits: Die geballte Ladung Chilbi auf dem Albisgüetli hat auch ihren Reiz. Dieses flirrende Gefühl, das sich einstellt, wenn rund um einen Lichter durch die Luft flitzen, man fünf verschiedene Musikstücke gleichzeitig im Ohr hat und ebenso viele Beats in den Innereien, das will sich in Basel nicht so recht einstellen.
Deshalb: unentschieden. Neuer Zwischenstand ist 2:1 für Basel.
Die Bahnen – 3:2 für Basel
Die Autorin dieser Zeilen braucht für ihr Chilbi-Glück nur einen richtig hohen Kettenflieger (und einen anständigen Rollercoaster, aber so was hat eh nirgends Platz). Den findet sie nur auf dem Albisgüetli. Der Skilift auf der Rosentalanlage ist immerhin ein halber Ersatz.

Aber wir wollen hier ja nicht einzig auf die Vorlieben einer Journalistin abstellen, sondern halbwegs objektiv sein. Und objektiv ist zu sagen: Wer sich in allen Richtungen herumwirbeln lassen will, die der dreidimensionale Raum so hergibt, der kann das an der Messe und am Knabenschiessen gleichermassen tun.

Auch Kinder kommen sowohl in Zürich als auch in Basel auf ihre Kosten, es gibt beiderorts diverse Bahnen für die Kleinen.
Also erneut 1:1. Neues Zwischenresultat ist 3:2 für Basel.
Die Verpflegung – 4:2 für Basel
Was soll man zum Essen am Knabenschiessen sagen? Es ist etwas, nun ja, im 1980er-Stil. Wer Fackelspiess, Bratwurst/Pommes und Raclette liebt, ist gut bedient, alle anderen eher weniger. Und ganz ehrlich, Raclette ist bei 30 Grad auch dann Hardcore, wenn Hirn und Magen nicht gerade wegen einer besonders wilden Bahn den Platz getauscht haben.
Das kulinarische Angebot in Basel hat ein ganz anderes Niveau. Klar, die traditionellen Gerichte gibt es auch hier. Aber eben auch Pilzrisotto, Piadine, Kartoffelpuffer, Fisch und unzählige weitere Leckereien.

Und dann sind da natürlich noch die Basler Spezialitäten für Schleckmäuler, allen voran die «Mässmogge» (die es absurderweise auch am Knabenschiessen zu kaufen gibt) und der «Beggeschmutz». Nur schon dieser Name! Auf Deutsch übersetzt heisst er: Bäckerkuss. Oder Kuss auf die Backe. Je nach dem, wen man fragt.
Wie auch immer: Der «Beggeschmutz» besteht aus süssem Eiweissschaum in einer Hülle aus Schokolade und Kokosstreuseln. Erinnert Sie das an eine andere Nascherei? An der Basler Version ist nicht nur der Name besser.
Dieser Punkt geht klar an den Rhein – und damit steht es 4:2 für Basel.
Das Fazit – und ein grosses Aber
Also, liebe Baslerinnen und Basler, liebe Messe-Fans, wir anerkennen: Ihr habt gewonnen. Doch, wirklich. Wir sagen das ganz neidlos. Auch wenn die Finger beim Schreiben gnaz komish zukn.

Aber. Sie ahnen es. Es gibt ein Aber.
Eines gibt es nur auf dem Albisgüetli und nirgendwo sonst. Und das ist diese Aussicht vom Riesenrad beim Eindunkeln. Gewiss, auch die Fahrt auf dem Riesenrad in Basel gefällt, der Blick auf die Dächerlandschaft, aufs Münster und den Rhein ist hübsch.

Aber nicht zu vergleichen mit dem Gänsehautgefühl auf dem Albisgüetli-Riesenrad: unten der Lichterteppich der Chilbi, in der Ferne auf der einen Seite der Uetliberg, auf der anderen Seite das Seebecken, an dessen Ufer die Lichter funkeln.
Das, liebe Baslerinnen und Basler, ist einfach unschlagbar.
Dieser Artikel wurde erstmals im November 2023 publiziert und aus aktuellem Anlass aktualisiert.
Dieser Artikel ist zum ersten Mal am 4.11.2023 erschienen und wurde am 21.10.2024 aktualisiert.
Korrektur vom 4. November um 12.15 Uhr: In einer ersten Version dieses Textes hiess es, es gebe keine Boxautomaten an der Messe in Basel. Fakt ist, wir haben sie nicht gefunden. Das hat man davon, wenn man sieben Messeplätze hat.
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