Autor statt KabarettistDer letzte «Rotstiftler» schreibt jetzt Romane
Heinz Lüthi war Mitglied des legendären Cabarets Rotstift und hat nun einen grossen Roman über das Limmattal geschrieben. Obwohl er ein Seebub ist.
Im Dezember ist Jürg Randegger gestorben. Nun sei er der letzte Rotstiftler. Das hört Heinz Lüthi seither oft. Und natürlich macht es ihn traurig. Blieb er doch mit seinen beiden Kollegen Jürg Randegger und Werner von Aesch des legendären Cabarets Rotstift auch nach der Auflösung des Ensembles im Jahr 2002 befreundet.
«Wir waren ein ideales Team. Keiner stand dem anderen vor der Sonne. Und jeder hatte seine Stärken und Schwächen.» Die Skiliftnummer gehört zu den absoluten Klassikern der Schweizer Cabaretszene, obwohl Lüthi heute sagt, dass man diese heute so wirklich nicht mehr aufführen könnte. «Dieser klischierte Deutsche, dieser grossmaulige Schweizer…»
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Er habe die Nummer eigentlich ohnehin gar nicht so gerne gespielt. «Wir hatten Differenzierteres im Programm, das trotzdem lustig war.»
Doch gibt es für Lüthi, der dieses Jahr 83 wird, ein Leben nach dem Cabaret. Und er blieb dem Limmattal, wo die Wurzeln des Cabarets Rotstift sind, treu. Obwohl er als Seebub im Zürcher Seefeld aufgewachsen ist und seit längerem mit seiner Frau in Richterswil lebt, hat er einen zweibändigen Roman über das Limmattal geschrieben. Die beiden Titel «Strömungen» I und II umfassen zusammen gegen tausend Seiten, der zweite Band ist soeben erschienen.
Weshalb über das Limmattal?
Weshalb über das Limmattal? Diese Region gilt doch in der allgemeinen Wahrnehmung als nicht besonders attraktiv. Der Titel gibt einen Hinweis: Strömungen.
Lüthi interessiert sich für den Lauf der Zeit, für die Dynamik einer Region, die in ihrer rasanten Entwicklung vieles von dem vorwegnahm, was heute die Agglomerationen prägt.
Der erste Band beschreibt die Zeit zwischen 1909 und 1929, der zweite schliesst daran an und endet 1971. Die beiden Bände können problemlos auch einzeln gelesen werden.
Die Welt im Tropfen
Der Autor wählte seine Hauptpersonen klug aus: Die einen leben in dem bis heute ländlichen Weiningen, wo Lüthi während 33 Jahren Lehrer war. Die andern in Dietikon, das in der beschriebenen Zeit städtisch wird. Ob es will oder nicht.
Seine fiktiven Figuren kombiniert er geschickt mit historischen. So beschreibt er «die Welt im Tropfen»: Die grossen Ereignisse widerhallen in der Region Zürich und berühren die Kontrahenten – und durch sie die Leserinnen und Leser.
Fröntler und ein Sibir
So sind wir dabei, wenn die Fröntler, die hiesigen Anhänger des nationalsozialistischen Gedankenguts, ein Attentat auf den Dietiker Sozialdemokraten Jakob Grau (1883–1968) verüben – das Attentat hat es wirklich gegeben.
Wir begleiten den Weininger Theo Frey (1908–1997), der als einziger Fotograf den Rütlirapport von General Henri Guisan dokumentieren durfte. Es war ihm erlaubt, alles zu fotografieren – ausser den General, wenn er raucht. Auch das ist verbürgt.
Wir erleben, wie Dietikon zur Festung umgebaut wird – historisch. Und können lesen, wie der erste künstliche Erdsatellit Sputnik die Menschen in Zürich bewegt haben könnte.
Wir essen mit einem Limmattaler Ehepaar ein erstes Mal Riz Casimir im Mövenpick am Flughafen und erleben, wie der Volkskühlschrank Sibir in den 1960er-Jahren Einzug hielt.
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Nicht historisch ist, dass im November 1945 die Weininger Lebensmittel und Kleider ins zerbombte Stuttgart brachten. Doch ist es trotzdem wahr. Lüthis Vater war im Militär bei der Heerespolizei, hat solche Transporte durchgeführt und seinem Sohn davon erzählt.
Wer sich für Geschichte interessiert, aber lieber Romane als Fachbücher liest, kommt bei Heinz Lüthis Roman «Strömungen» auf seine Rechnung. Egal, ob er im Limmattal oder am See wohnt.
Heinz Lüthi: Strömungen II. Die Region Zürich 1930 bis 1971, Verlag Reinhardt, ca. 40 Fr.
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